Wenn ich Gänse auf der Haut will, gehe ich zu einem Auftritt von EPILOG. Und komme mit Würmern in den Ohren wieder nach Hause. Vielleicht erkennt ihr den Namen wieder, EPILOGs neue Single war vorletzte Woche das Audio zum Wochenende. Heute gibt es im Rahmen unserer FLINTA* der Woche-Reihe einen detaillierteren Einblick in die Welt von EPILOG.
Schlecht verdaut
Wenig gekaut
Wege verbaut
Das ist zu laut
Gänse auf der Haut
(aus „RGB“, Kalte Knochen knacken besser EP, 2023)
Wie ist EPILOG entstanden?
Das Solo-Projekt EPILOG entstand 2019 in Frankreich, als die Künstler:in das erste Mal Zeit und Kapazitäten für eine Fokussierung auf Musik hatte. So wurde das Debut Album „Sky for me“, damals noch mit Songs in einem analogen Indie/Folk Klang produziert und veröffentlicht. Das damit verbundene Release-Konzert schürte den ersten Funken des Live-Auftretens und setzte einen Impuls, der allerdings mit Covid-19 erstmal wieder einen Dämpfer erhalten sollte. Andere Dinge rückten ins Zentrum der Aufmerksamkeit, das Schreiben und die Musik pausierten, aber EPILOG sieht in dieser Hürde eine neue Perspektive:
„Ich weiß nicht, wie ich sonst heute klingen würde. Bestimmt anders. Ich glaube, diese Pause war wichtig dafür, herauszufinden, welchen Sound ich eigentlich interessant finde. Das hat sich natürlich nochmal total verändert.“
So erschien nach einigen Veröffentlichungen im Herbst 2023 eine neue Experimental Dark-Pop EP mit dem düsteren Titel „Kalte Knochen knacken besser“, in der die neue Klangwelt eröffnet wird.
Wie klingt EPILOG?
Der Name EPILOG verrät schon viel über den Ursprung der Texte. Wie ein poetisches Nachwort zu Erfahrungen und Gedanken fungiert der Songwritingprozess als Verarbeitungsmöglichkeit des eigenen Erlebens. Als eine Sensibilisierung für die Parallelität von Momenten. In wenigen Minuten werden die Gedanken zu Papier gebracht und dann häufig nicht mehr detailliert modifiziert, sondern in ihrer Form stehengelassen. Die Texte passieren entweder auf Englisch oder Deutsch, früher auch noch ein wenig Französisch. In der englischen Sprache fühle sich manches weniger kitschig an, dafür sei hier der poetische Aspekt der Verschachtelung weniger präsent als in den deutschen Texten. EPILOG bietet also eine Darstellungs- bzw. Transportform von den Gedanken der Person hinter dem Künstler*innennamen hin zu den Hörer*innen. Ob dadurch Irritation, Identifikation oder Inspiration ausgelöst wird, sei diesen überlassen. In erster Linie sei es immer bereichernd, Feedback darüber zu erhalten, was durch die Musik losgelöst wurde, und häufig dann auch eine Deckung mit den ursprünglichen Emotionen festzustellen. Durch die oft collagenhafte Anordnung einzelner Textschnipsel entsteht ein Raum, der viel Platz für eigene Interpretationen und Gedanken lässt. Gespickt mit kleinen scheinbar zusammenhangslosen Assoziationen, und vor allem Beobachtungen des Alltags, des Selbst oder individueller und gesellschaftlicher Missstände.
„Die Texte sind häufig clusterhaft, haben keinen eingängigen Erzählstrang, sondern sind eher aneinandergenähte Momentaufnahmen.“
Und die Musik soll genau das ausstrahlen, wie sich die Texte anfühlen. Als direkte Brücke von Sprache, von dunkler Poesie zu Gefühl. Dafür wählt EPILOG Dramatisches und Mystisches, was vielleicht auch mit einer Spur von Verzweiflung und Absurdität spielt. Technisch sind neben dem Gesang sowohl Keyboard als auch elektronische Klänge durch den Synthesizer involviert.
Wer und Was gehört zu EPILOG?
„Ein Solo-Projekt kann sehr herausfordernd sein. Ich dachte oft ich muss alles gleichzeitig können. Aber ich habe das Glück, sehr talentierte Freund:innen zu haben, mit denen ich jetzt zusammenarbeiten kann.“
So spielt die Kollaboration mit Luca Diebold als Produzent und häufiger Begleitung als Live-Band mittlerweile eine essenzielle Rolle. Für Visuals, Cover und Musikvideos arbeitet die Künstler:in am liebsten mit Max Grund zusammen.
Ist das grün
oder nur zu viel Neid
Eklig misogyn
ewige Einsamkeit
Viel zu viel Leid
und immer Streit
Und immer Streik
trag kein Kleid
ein schöner Zeitvertreib
(aus „RGB“, Kalte Knochen knacken besser EP, 2023)
Welche Rolle spielt FLINTA*-sein in der Branche?
„Eklig misogyn“, ein Wortschnipsel, der wie zufällig im Text steht, aber doch seine Relevanz hat. Das, worüber nachgedacht wird, wird auch niedergeschrieben. Die Musik hat nicht den Anspruch politisch zu mobilisieren, aber Impulse zu transportieren, die wichtige Themen anschneiden.
„Ich habe schon das Gefühl, dass es einfach schwierig ist, weil es auf und hinter der Bühne so eine cis-männlich dominierte Branche ist.“
EPILOG kritisiert die mangelhafte Genderbalance, die in der Branche häufig vorherrscht und ist der Meinung, dass die Sichtbarmachung und Unterstützung von FLINTA* -Artists wichtig und wesentlich ist. Nicht nur der Förderung als Sänger*innen oder Instrumentalist*innen wegen, sondern auch, um Mut zu schöpfen, sich zu behaupten und laut zu werden.
Wie geht es weiter?
Was wir als nächstes von EPILOG erwarten können, bleibt — genauso mysteriös wie die Musik selbst — der Zukunft überlassen. Wir können aber in jedem Fall gespannt bleiben und wachsam auf dieses Jahr bevorstehende Veröffentlichungen und Auftritte warten.
— Pia Brand
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