Vor zwei Jahren starb die amerikanische Autorin bell hooks. Sie zeigte uns die Verbindung von Liebe und Gemeinschaft mit Feminismus, und dass dieser Feminismus vielseitig ist. Ihre Bücher bleiben weiter eine kritische Perspektive innerhalb des Feminismus, und erinnern uns daran, wie wichtig es ist, den Stimmen marginalisierter Menschen zuzuhören.
bell hooks (25.09.1952 – 15.12.2021) war Autorin, Literaturwissenschaftlerin und Hochschullehrerin. Sie schrieb Essays, Sachtexte, Gedichte und sogar Kinderbücher. Thematisch konzentrierte sie sich auf Rassismus, Feminismus, Kapitalismus und Intersektionalität. Dabei war es ihr immer wichtig zu sehen, wie systematische Unterdrückung produziert und reproduziert wird. Die meisten kennen hooks durch ihr Buch „Alles über Liebe“ (org. „all about love“). Dort schrieb sie über Liebe in allen Bereichen des Lebens, und wie diese durch gesellschaftliche Machtstrukturen beeinflusst wurde, aber auch wie man wieder zu einem liebevollen Miteinander kommen kann, entgegen der Strukturen von Unterdrückung. Neben dem Thema Liebe konzentrierte sich bell hooks besonders auf Feminismus.
Ain’t I a Woman?
Einer der größten Kritikpunkte, den hooks an weißem, neoliberalen Feminismus hatte, war das Ausblenden von Schwarzen Perspektiven. Gleichzeitig wurden auch oft die Perspektiven von Frauen innerhalb von Schwarzem Aktivismus ignoriert oder als nebensächlich angesehen. Um dieses Problem zu analysieren und historisch zu verorten, schrieb sie 1981 das Buch „Ain’t I a Woman? – Schwarze Frauen und Feminismus„. Der Titel stammt von einer Rede von Sojourner Truth, eine versklavte Frau und Aktivistin im 19. Jahrhundert. In dieser Rede warf sie den weißen Aktivist*innen vor, dass die Probleme von Schwarzen Frauen missachtet wurden. Sie fragte „Ain’t I a Woman?“, „Bin ich nicht eine Frau?“. So zeigte sie, dass Schwarze Frauen oft nur auf ihr Schwarz-sein reduziert wurden und ihnen ihre Weiblichkeit abgesprochen wurde.
In ihrem Buch schreibt bell hooks über die Überschneidung von Rassismus und Sexismus, und dass es für Schwarze Frauen unmöglich ist, diese von einander zu trennen. Sie beeinflussen sich gegenseitig, und der Sexismus, den Schwarze Frauen erleben, ist rassistisch geprägt, so wie der Rassismus sexistisch geprägt ist. Diese spezifische Form der Diskriminierung wird auch Misogynoir genannt. Also: ein intersektionales Denken ist Muss.
Sklaverei und Schwarze Frauen
Die Formen von Diskriminierungen gegen Schwarze Frauen haben ihren Ursprung in der Geschichte des Kolonialismus und der Sklaverei. Durch den transatlantischen Sklavenhandel wurden zwischen dem 15. und 19 Jahrhundert ca. 12.5 Millionen Afrikaner*innen nach Amerika entführt und verschleppt – viele überlebten die Fahrt nicht. Um den Handel mit Menschen zu rechtfertigen, wurden Schwarze Menschen gar nicht als Menschen angesehen, sondern Menschlichkeit wurde ihnen in jeder Form abgesprochen. Nach dem offiziellen Ende des transatlantischen Sklavenhandels war Sklaverei selbst noch nicht zu Ende. Das bedeutete, dass das Weiterbestehen des Systems abhängig war von Schwarzen versklavten Frauen und ihrer Fähigkeit, Kinder zu kriegen. Dies war auch der einzige Moment innerhalb des Systems der Sklaverei, bei dem Schwarze Frauen überhaupt als Frauen angesehen wurden. Nach der rechtlichen Vorschrift partus sequitur ventrem waren die Kinder geboren von versklavten Frauen auch automatisch versklavt. Sie waren das Besitztum des Sklavenhalters. Mütter hatten kein Recht auf ihre eigenen Kinder, und ihnen wurde so erneut die Menschlichkeit und das Frau-sein abgesprochen.
Diese Zuschreibungen von außen auf Schwarze Frauen hörte mit dem Ende der Sklaverei aber nicht auf. Bis heute haben sie Spuren hinterlassen. Einerseits werden Schwarze Frauen oft als eindimensionale, passive, und hypersexuelle Objekte weißer Lust dargestellt, andererseits auch stark maskulinisiert und den Zugang zu Weiblichkeit verwehrt. Das hat immer noch schwerwiegende Folgen: In einer Verschränkungen mit Transfeindlichkeit wurden in den letzten Jahren mehrfach Schwarze Cis-Frauen aus Sportwettbewerben ausgeschlossen, weil ihre Körper zu „männlich“ seien. Wieder wird Schwarzen Frauen das Frau-sein abgesprochen, und systematisch sexistischer Rassismus genutzt, um sie auszuschließen und zu diskriminieren.
bell hooks und Schwarzer Feminismus
Natürlich wird Diskriminierung nicht passiv hingenommen. Aktivismus von Schwarzen Frauen gibt es schon lange. Noch während der Sklaverei organisierten sich versklavte Frauen, um sich gegen die Unterdrückung zu wehren. Danach, während der Jim Crow Jahre und auch später hielt die Arbeit an. Einen besonders starken Aufschwung von Aktivismus seitens Schwarzer Frauen gab es ab Mitte des letzten Jahrhunderts. Auch bell hooks war Teil dieser neuen Politisierung. Neben ihr gehören Angela Davis, Audre Lorde, und die Combahee River Collective zu den bekanntesten Schwarzen Feminist*innen und Gruppierungen.
Innerhalb von weißem Mainstream Feminismus wird meist der Fokus nur auf die Lebensrealitäten von weißen, cis hetero Frauen aus der Mittelschicht gesetzt. hooks warf weißen Frauen auch vor, sich selbst im Bezug auf Rassismus nicht in der Position der Unterdrücker*innen zu sehen. Stattdessen würden sie sich nur mit ihrer Position als Unterdrückte innerhalb des Patriarchats befassen, und ihre eigene Ausübung von Macht und Diskriminierung auf Kosten von Schwarzen Menschen ausblenden. Schwarzer Feminismus wird so zum Weg, eine eigene Stimme und politische Bewegung zu etablieren. Außerdem ist Schwarzer Feminismus meistens antikapitalistisch, denn Sklaverei wird als Grundlage des heutigen Kapitalismus angesehen.
Zentral für bell hooks beim Thema Feminismus und Schwarze Frauen war das Schreiben. Es ist ein Prozess der Selbstermächtigung für eine Gruppe, deren Lebensrealitäten und Rechte permanent abgesprochen wurde. Selbst sprechen und auch gehört zu werden können die Startpunkte werden, damit die Bedürfnisse von Schwarzen Frauen Teil von feministischem Aktivismus werden. So erinnern die Werke von bell hooks daran, nicht nur in der eigenen Blase zu bleiben sondern zu sehen, wie andere Feminist*innen arbeiten und welche Themen vielleicht oft ignoriert werden. Veränderung kann nur dann langfristig fruchtbar sein, wenn die Bedürfnisse von denjenigen in den Mittelpunkt gestellt werden, die gesellschaftlich oft mit am meisten marginalisiert werden.
Juliette
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