Das Thema Gesundheit begleitet uns weiterhin hier auf den frauenseiten. Im Gesundheits-Special „Wie geht’s?“ haben wir bereits einige Aspekte beleuchtet. Nun konnten wir Claudia Bernhard, Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz einige Fragen zur Situation in Bremen stellen.
Was wird bisher im Bundesland Bremen speziell für die Gesundheit von Frauen getan?
Claudia Bernhard: Das Gesundheitsressort und die Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) stehen seit vielen Jahren über das Forum Frauengesundheit, das bei der ZGF angesiedelt ist, in einem engen fachlichen Austausch. Dabei gibt es eine Vielzahl an Projekten, die gemeinsam bewegt wurden, wie beispielsweise die Einrichtung einer allgemein zugänglichen gynäkologischen Praxis für mobilitätseingeschränkte Frauen, das Bündnis natürliche Geburt zur Senkung der Rate von Kaiserschnitten, indem die Frauen rund um die Geburt eine passgenaue Unterstützung erhalten und die unterschiedlichen Stellen enger zusammenarbeiten (ÄrztInnen, Hebammen und Geburtsstationen), die Einrichtung eines Hebammenzentrums und vieles mehr. Um nachhaltig Strukturen aufzubauen, haben wir Arbeitskreise zum Netzwerkaufbau und -erhalt etabliert, die sich mit der Umsetzung diverser frauengesundheitlicher Themen beschäftigen, etwa im Bereich FGM (Female Genital Mutilation/ Genitalverstümmelung), Gesundheit geflüchteter Frauen oder zur seelischen Gesundheit rund um die Geburt. Das sind nur einige Beispiele.
Welche Hilfsangebote gibt es derzeit im Land Bremen, die die Gesundheit von FLINTA* unterstützen?
Claudia Bernhard: Wie eingangs erwähnt gibt es im Land Bremen bereits einige Angebote, die sich um die gesundheitlichen Belange von Frauen* kümmern. Bei der Errichtung des Gesundheitscampus wurden geschlechtsspezifische Aspekte besonders berücksichtigt. Wir haben auch die Frauengesundheit Tenever als Gesundheitszentrum in den Stadtteilen finanziert, die niedrigschwellige gesundheitliche Präventionsangebote machen. Darüber hinaus gibt es auch Kurse zur Gesundheitsprävention für Alleinerziehende, und viele weitere.
Welche psychologischen Angebote gibt es im Land Bremen für FLINTA*? Wie können FLINTA* bei der Suche nach psychologischen Angeboten unterstützt werden?
Claudia Bernhard: Da gibt es zum einen die Beratungsstellen TransRecht und Rat und Tat im Land Bremen. Darüber hinaus haben wir einige Anlaufstellen für Mädchen*, die auch Angebote für FLINTA* machen, wie beispielsweise das Mädchenhaus. Auch die RebuZe (psychologische Beratung in den Schulen) sind für alle Jugendlichen da, also auch für FLINTA*. Darüber hinaus gibt es natürlich die ärztliche und psychotherapeutische Versorgung.
Als einziges Bundesland hat Bremen einen Betroffenenbeirat zum Thema Gewalt an Frauen anschließend an die Istanbul Konvention. Wie kann ein solcher Beirat im Gesundheitssektor in Hinblick auf FLINTA* Personen aussehen, um gendergerechte Medizin zu schaffen?
Claudia Bernhard: Der Betroffenenbeirat Istanbul-Konvention ist bisher der Einzige seiner Art in Deutschland und berät uns bei der Umsetzung der Maßnahmen, die im Bremer Landesaktionsplan „Istanbul-Konvention umsetzen – Frauen und Kinder vor Gewalt schützen“ stehen. Grundsätzlich finde ich es wichtig, dass wir bei der Umsetzung diverser Projekte aus unterschiedlichen Bereichen die Erfahrung von Betroffenen einfließen lassen, damit Maßnahmen ihre Wirkung nicht verfehlen und die Hilfen dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Dafür gibt es bereits die Struktur der unabhängigen Patient:innenstellen, in Bremen z. B. der Patient:innenladen, die auch im Forum Frauengesundheit vertreten sind.
Besonders in der Corona-Pandemie zeigte sich, dass Frauen oft in prekären Pflegeberufen arbeiten und daher existenziell wichtig sind. Kurz gesagt: Die Pflege ist auf Frauen angewiesen. Was wird getan, um Pfleger*innen in ihrem Beruf zu halten, beziehungsweise was kann man tun, um die Arbeitsbedingungen von ihnen zu verbessern?
Claudia Bernhard: In allen Pflegeberufen ist der Frauenanteil hoch bis sehr hoch und von daher kann man schon sagen, dass die Pflege auf Frauen angewiesen ist, dass ohne Frauen, die sich für einen Pflegeberuf entscheiden, das System nicht funktionieren würde.
Neben der Vergütung spielen tatsächlich die Arbeitsbedingungen eine gravierende Rolle. Das fängt schon in der Pflegeausbildung an und zeigt sich durch Abbruchquoten, die zwar im Vergleich zu anderen Berufen nicht extrem erhöht sind, die wir uns aber nicht leisten können und wollen. Die Studie der Arbeitnehmerkammer „Ich pflege wieder, wenn…“ hat – um es auf eine kurze Formel zu bringen – gezeigt, dass die Lösung für mehr Pflegende nur mehr Pflegende sein kann. In Bremen arbeiten wir mit verschiedenen Akteuren in diesem Feld zusammen und durch die berühmten kurzen Wege gelingt dies unter den gegebenen Umständen sehr gut. Alle wichtigen Akteure sind gebündelt in der „Bremer PflegeInitiative gegen den Fachkräftemangel“ und ich habe mich dafür eingesetzt, dass wir – angedockt in meinem Ressort – eine Koordinierungsstelle erhalten, die als Motor der Bremer PflegeInitiative die wichtigen Themenfelder nacheinander abarbeitet.
Welches gesundheitliche Thema ist aktuell Ihre persönliche Herzensangelegenheit?
Claudia Bernhard: Da gibt es diverse Themen, die mir sehr am Herzen liegen, wie etwa die Situation in der Pflege. Hier würde ich mir wünschen, dass Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeheimen eine größere Rolle spielen und mit Ärztinnen und Ärzten auf Augenhöhe verankert werden. Darüber hinaus muss sich die Arbeit auch monetär lohnen und wir müssen wegkommen von veralteten Schichtmodellen und hin zu modernen Arbeitszeiten. Darüber hinaus ist es mir persönlich enorm wichtig, dass wir bei all unseren gesundheitspolitischen Entscheidungen die feministische Sichtweise nicht außer Acht lassen und mitdenken. Das gilt für Arbeitszeitmodelle, eine gerechte Entlohnung aber auch für die Besetzung von Positionen im Gesundheitswesen. Auffällig ist, dass mit steigender Hierarchiestufe der Frauenanteil in Pflegeberufen sinkt, d.h. dass die Männer in diesem typischen Frauenberuf eher Karriere machen als die Frauen. Dies muss unbedingt geändert werden und deshalb halte ich gezielte Förderprogramme in diesem Bereich für sehr unterstützenswert.
Redaktion frauenseiten Larissa und Renate
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