Triggerwarnung: Der Text handelt von sexualisierter Gewalt und kann Traumata hervorrufen.
Du hattest von Anfang an ein komisches Gefühl. Du hättest ja gehen können, als noch nichts passiert war. Aber du konntest eben nicht. Vielleicht, weil du in dem Moment nicht mehr hattest als dieses ungreifbare Gefühl. Vielleicht, weil du dachtest, dass Menschen wie er sowas ja nicht mit Menschen wie dir machen. Weil es immer die Anderen trifft, doch nicht dich selbst! Du hättest ja auch noch gehen können, als die Berührungen angefangen haben. Du hättest ihn doch einfach wegstoßen können! Hättest doch nach Hilfe rufen können! Aber du konntest eben nicht. Weil der Kopf irgendwann abschaltet, wenn er dich vor der Realität schützen möchte. Weil du diese Situation irgendwie überleben musst. Trotzdem ist das alles viel zu real und ein Teil von dir stirbt. Wenn er das bekommen hat, was er wollte, bist du für ihn nichts mehr. Für ihn hört die Geschichte hier auf, er vergisst dich bald. Aber für dich fängt es hier erst an. Du guckst dich nicht mehr nackt im Spiegel an, weil du nicht sehen willst, was er gesehen hat. Du masturbierst nicht, weil du keine Lust dafür empfinden möchtest, was ihn erregt hat. Die Berührungen anderer sind mehr Bedrohung als Zärtlichkeit, weil es einfach nur andere Hände sind, die die gleichen Stellen berühren. Dein Körper ist nicht mehr dein Körper, es ist jetzt seiner.
Aber ich will meinen Körper wiederhaben. Ich will meinen Körper angucken und spüren können, ohne sein Gesicht vor Augen zu haben. Ich will den Teil in mir, der in der Nacht gestorben ist, zurück.
Fast immer, wenn das Thema in einer mir vertrauten Runde aufkommt, meldet sich eine neue Stimme zu Wort, die sexuelle Gewalt erlebt hat. Wir sind viele und wir wollen unsere Körper zurück.
Die Autorin möchte gerne anonym bleiben.
Du brauchst Hilfe? Das Hilfetelefon Sexueller Missbrauch kannst du bundesweit, kostenlos und anonym anrufen: 0800 2255530. In Bremen kannst du ebenfalls ohne Gebühren und anonym den notruf Bremen anrufen: 0421 15181
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