Endo-was? Das geht vielen Personen so. Zugegeben ist der Begriff auch sehr kompliziert. Er leitet sich vom Wort Endometrium ab, Fachbegriff für Gebärmutterschleimhaut. Von Endometriose ist jede zehnte Person mit Gebärmutter, die sich im reproduktiven Alter (12-49) befindet, betroffen. Das sind circa 10 Prozent, also an die 190 Millionen Frauen, Mädchen und Personen mit Gebärmutter weltweit. Jetzt würde man denken, eine Krankheit, die so häufig vorkommt wie Diabetes Typ-I muss reichlich und intensiv erforscht sein. Fehlanzeige. Beispielsweise wurde im Jahr 2018 nur 7 Millionen US-Dollar in die Endometriose-Forschung investiert. Im Vergleich dazu wurde in die Erforschung der Pocken, die seit 1980 von der WHO als ausgerottet deklariert wurden, 13 Million US-Dollar investiert. Den Finanzierungsmangel kann man nicht deutlicher machen. Obwohl Endometriose einer der führenden Gründe für eine gynäkologische Hospitalisierung in den U.S.A ist, fließt kaum Geld in die Forschung. Weder weiß man die Ursache der Krankheit, noch Heilungsstrategien. Die Folgen sind Fehldiagnosen und jahrelanges Warten bis zur richtigen DIAGNOSE. Aber erst mal…
Was ist Endometriose überhaupt?
Endometriose ist eine chronische Erkrankung, bei der sich Gebärmutterschleimhaut-ähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutter bildet. Da es dem normalen Gebärmuttergewebe ähnelt, baut es sich passend zum Menstruationszyklus ab und wieder auf. Da das Blut aber nicht abfließen kann, führt dies zu extremen Schmerzen, Narbenbildung, Entzündungen oder Verwachsungen im Körper. Um nur einige der zahlreichen Symptome aufzuzählen;
- Schmerzhafte Perioden (Krämpfe, die bis in die Beine ziehen),
- Schmerzen nach Geschlechtsverkehr,
- Schmerzen nach dem Urinieren,
- Chronische Unterleibschmerzen,
- Endo-belly (schmerzhafter, aufgeblähter Bauch)
Eine weitere Folgeerscheinung der Endometriose kann Infertilität, also Unfruchtbarkeit, sein. Ungefähr 25- 50 Prozent aller infertilen Menschen mit Gebärmutter haben Endometriose. Viele der Patient*innen wachsen auf mit Endometriose, der Schmerz ist also ein ständiger Begleiter. So kommt es nicht selten vor, dass es Frauen mit ständigen Unterleibsschmerzen schwerfällt, ein positives Verhältnis zum eigenen Körper aufzubauen. Nicht nur können die Schmerzen beim Geschlechtsverkehr zu einer komplizierten Beziehung zur eigenen Sexualität führen, sondern die chronischen Schmerzen führen auch zu depressiven Verstimmungen und Müdigkeit. Diese Krankheit erschwert die Lebensqualität und unzureichende Forschung trägt zur weiteren Belastung bei. Die Schmerzen hindern Menschen daran, alltäglich Aufgaben zu erledigen, Freizeitaktivitäten oder dem Beruf nachzugehen.
Ursachen…???
Hier begannen mir die ersten Forschungslücken aufzufallen, denn sicher ist man sich hierbei nicht. Die Ursache konnte also noch nicht festgestellt werden, daher fehlt eben auch noch eine effektive Heilungsmethode. Beispielsweise steht auf der Seite der WHO, dass es mehrere Ansätze gibt, die versuchen, Endometriose zu erklären. Ein Grund könnte die retrograde Menstruation sein. Retrograde Menstruation ist, wenn Menstruationsblut anstatt aus deinem Körper in deinen Körper fließt. Dadurch können Endometrium-ähnliche Zellen außerhalb der Gebärmutter abgelagert werden, wo sie sich einnisten und wachsen. Eine andere könnte die Umwandlung von Zellen von einer Form in eine andere sein. Dementsprechend würden sich Zellen außerhalb der Gebärmutter in Endometrium-ähnliche Zellen verwandeln. Es gibt aber noch viele andere Vermutungen, wie es zu dieser Krankheit kommt. Dies zeigt das Fehlen einer Lobby und das Fehlen korrekter Nachforschungen.
„Das ist alles nur in deinem Kopf“
Wie kommt es also zu einer Diagnose? Nun, das ist etwas schwierig. Im Durchschnitt führt das fehlende Wissen zur einer bis zu zehn Jahre verspäteten Diagnose. Bei manchen Personen können es bis zu 15 Jahre sein. 15 Jahre ohne eine Diagnose. 15 Jahre unwissend, dass man sich die Schmerzen nicht nur einbildet, sondern dass es eine Krankheit ist. 15 Jahre bis man realisiert, dass man nicht alleine ist. Oft gibt es nicht nur überhaupt keine Diagnose, sondern Ärzt*innen stellen Fehldiagnosen. Diese können stark variieren. Manchen Patient*innen wird erzählt, sie hätten eine Beckenerkrankung und Gebärmutterkrebs oder einfach „nur“ normale Regelschmerzen. Das Geringschätzen von Schmerzen und das Abschreiben von Schmerzen als „normaler Teil der Weiblichkeit“ ist der Grund, wieso es zu solchen Fehldiagnosen, Abweisungen und bis zu zehn Jahren verspäteten Diagnosen kommt. Viele Patientinnen berichten auch von einem konstanten Ignorieren der körperlichen Schmerzen und einem „das ist alles nur in deinem Kopf“. Der Gender Pain Gap, also die Diskriminierung innerhalb des Gesundheitssystem, wird im Fall Endometriose umso deutlicher. Das Stigma, welches es bezüglich Menstruation, Sexualität von Menschen mit Gebärmutter und eben auch das Abtun von Schmerzen weiblich gelesener Personen gibt, erschwert die Aufklärung über Krankheiten, wie Endometriose.
„Diese Fehldarstellung von chronischen Schmerzen, kombiniert mit der medizinischen Misogynie, die bei vielen Krankheiten mitschwingt, die vorrangig Menschen mit Gebärmutter betreffen, führen zu […] Unterdiagnosen von Krankheiten wie Endometriose.“ (Hannah Turner, Refinery)
Das Gefühl, jahrelang zu denken, man bilde sich den Schmerz nur ein, sich selbst nicht zu trauen, weil es einem von der Gesellschaft vorgeschrieben wird, hat erheblichen Einfluss auf das eigene Körpergefühl und es benötigt Zeit um dies zu bewältigen. „Weil mir nicht geglaubt wurde, bin ich bis heute ein sehr unsicherer Mensch.“ schreibt Hannah Turner.
„The health care system may place a double jeopardy on women of colour.“
Dieses Zitat aus dem Bustle-Artikel „Why Getting An Endometriosis Diagnosis Is So Much Harder For People Of Colour“, spricht ein Thema an, welches oft verschwiegen wird. Man spreche in Verbindung von Endometriose oft über eine Erkrankung von „weißen Frauen“, doch dieses Statement könnte nicht weiter von der Realität entfernt sein. Endometriose hat mit dem weiblichen Hormon Östrogen zu tun, nichts mit der Hautfarbe einer Person. Das Konzept einer Krankheit der „weißen Frauen“ schließt also nicht nur People of Colour, sondern auch Transsexuelle oder Non-binäre Betroffene gezielt aus. Endometriose betrifft Personen mit weiblichen reproduktiven Organen, nicht nur weiße Frauen.
Diagnose – was jetzt?
Nach jahrelangem Warten kriegen viele Betroffene ihre Diagnose. Doch aufgrund fehlender Informationen gibt es keine effektive Behandlung. Es ist eine chronische Krankheit, also bleibt eine Heilung aus. Wie lebt man also weiter, obwohl man eine chronische Krankheit hat? Viele Patient*innen haben Erfahrungen mit Ärzt*innen gesammelt, die sie nicht ernstgenommen haben, die ihre Gefühle abgewertet haben. Es ist also nicht unverständlich, dass viele das Vertrauen in angebliches „Fachpersonal“ verloren haben. Auf der einen Seite gibt es chirurgische Eingriffe, beispielsweise die Laparoskopie (Bauchspiegelung) oder die Entfernung der Eierstöcke oder Gebärmutter. Danach können Eingriffe, wie die Entfernung der Endometrioseherde eine Option sein. Jedoch kommt die Endometriose zu 50 Prozent wieder zurück. Andere Möglichkeiten können die Hormontherapie, wie die Anti-Baby-Pille (die bekanntlich auch viele Nebenwirkungen hat), oder medikamentöse Schmerztherapie sein. Jedoch sagt die WHO, dass „ Die meisten derzeitigen Hormonbehandlungen für Personen mit Endometriose, die schwanger werden möchten, nicht geeignet [sind], da sie den Eisprung beeinflussen“. Neben diesen bekannten schulmedizinischen Methoden gibt es auch die Option der komplementären Behandlung. Denn unsere Lebensweise wirkt sich auch auf unseren Krankheitsverlauf aus. So wird helfend auch Psychotherapie angeboten, denn die emotionale Belastung einer chronischen Krankheit ist enorm.
Zukunft
Wie sieht es also in der Zukunft aus? Endo-March ist eine globale Bewegung, die es seit 2014 gibt und die es sich zur Aufgabe gemacht hat, für längst überfällige Verbesserungen in der Erforschung von Endometriose zu kämpfen. Es geht um mehr als das – definitiv notwendige – Aufklären über die chronische Krankheit. Man fordert Lobbyarbeit, denn wie so viele andere Themen, die Menschen mit Gebärmutter betreffen, fehlt das weltweite Interesse, außerdem wird das Ziel verfolgt Betroffenen eine Stimme zu geben. Die Zukunft der Krankheit ist nicht nur durch mehr globale Initiativen geprägt, sondern auch immer mehr Einzelpersonen sprechen über ihre individuellen Krankheitserfahrungen und wünschen sich, ernst genommen zu werden. So ein Aktivismus ist unentbehrlich, denn nur so wird verhindert, dass Endometriose und ihre Folgen bagatellisiert werden und die Krankheit wird mehr und mehr in die Öffentlichkeit gedrängt. Menschen werden gezwungen, sich mit einem Thema, mit dem fast 200 Millionen Personen kämpfen müssen, zu beschäftigen und so kommt es hoffentlich bald zu mehr Forschungsgeldern. Bis jetzt ist Endometriose noch eine chronische Krankheit ohne Lobby, doch das muss so nicht bleiben. Betroffene kämpfen täglich dafür, dass der Schmerz von NIEMANDEM mehr abgetan wird.
Weiterführende Recherchemöglichkeiten;
- Lea Kreissl – Endometriose Blog
- Endopowerment – dein Blog mit Themen zur Endometriose & Adenomyose
- Endometriose – Mein persönlicher Game-Changer – Ratgeber – Startseite (lebenmitendometriose.com)
- nicht die regel | Ein Film über Endometriose (nicht-die-regel.at)
- https://www.zeit.de/zett/2019-08/endometriose-betroffene-erzaehlen-wie-sie-mit-der-chronischen-erkrankung-umgehen
Die Petition kann hier unterschrieben werden!
Lina
[In der ursprünglichen Version verwendeten wir an manchen Stellen die Formulierung „weiblich, reproduktive Organe“. Um deutlich zu machen, dass wir aus einer inklusiven und nicht lediglich binären Perspektive sprechen möchten, sprich: für eine deutlichere Sichtbarkeit von FLINTA*, haben wir die Wortwahl korrigiert.]
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