FLINTA*. Kaum ein Begriff ist in der linken, queerfeministschen Bubble so allgegenwärtig. Ein Begriff, der inkludieren aber auch exkludieren soll. Aber wie gut funktioniert das? Wer ist hier eigentlich mitgemeint? Und wird der Begriff immer richtig benutzt?
Das will ich mich fragen und treffe mich dafür mit Janymaus (Pronomen er/sie) . Er ist Student*in, aber vor allem queere Aktivist*in. Das Allerwichtigste zuerst: Sie ist lesbisch und eine Tranny. Und das Zweitwichtigste: Janymaus hat eine Kritik am FLINTA* Begriff. Diese Kritik konnte man bei der Take Back The Night Demo in Bremen hören und hier jetzt noch mal in Detail lesen.

FLINTA* ist ein Akronym. Frauen, Lesben, Inter, Nonbinär, Trans und Agender. Das Sternchen steht für alle anderen queeren Identitäten, die nicht mitgenannt sind. Es geht vor allem darum, alle Geschlechter zu nennen, die vom Patriarchat und patriarchaler Gewalt betroffen sind. Soweit, so gut, so sinnvoll. Und das ist Janymaus auch wichtig. Zu sagen, es gibt Orte und Momente, in denen es vollkommen Sinn ergibt, FLINTA*-Räume aufzumachen.
Sagt halt, was ihr meint!
Seine Kritik ist persönlich, die Rede war hauptsächlich davon motiviert, dass ihre beste Freundin nicht mit zur Demo kommen wollte, sich dort nicht wohltgefühlt hat, obwohl sie definitiv in den Begriff FLINTA passt und mitgemeint ist. Doch sie hat sich gefragt: „Bin ich feminin genug?“
Und hier kommen wir zum Problem: Der Begriff wird oft nicht als das benutzt, was er bedeutet. Viele Menschen scheinen nicht zu verstehen, was das INTA* in FLINTA* bedeutet. Menschen sagen FLINTA und meinen „Frauen und Menschen, die sie als weiblich genug lesen, um noch die genau gleiche Art Gewalterfahung zu haben wie Frauen.“ Oft sind einfach nur „Frauen und Queers“ gemeint. Und das ist ein großes Problem.
Genderqueer Sein ist komplizierter und vielschichtiger als das und Patriarchale Gewalt sieht unterschiedlich aus für verschiedene Menschen. Im Zweifelsfall wird nachts jeder geklatscht, der nicht den gesellschaftlichen Normen für Männlichkeit und Weiblichkeit entspricht.
Janymaus hat einen gute Frage, um über den FLINTA begriff nachzudenken. „Was ist mit Twinks?“ Was ist mit Menschen, die patriarchale Gewalt erleben, aber nicht als weiblich gelesen werden oder gar in den FLINTA Begriff nicht hineinpassen.
Es ist eine legitime Frage, die sich stellt: welche Transmenschen wollt ihr da haben? Welche nichtbinären Menschen wollt ihr da haben? Wie müssen diese Menschen aussehen, welche Pronomen müssen diese Menschen benutzen und wie weit weg vom „Mackertum“ müssen diese Menschen sein?
Die Erfahrung von FlINTA*-Personen, die nicht „feminin genug“ sind, ist oft von FLINTA*-Räumen ausgeschlossen zu sein, oder mehrfach gefragt zu werden, ob sie denn hier jetzt richtig wären. Das ist transfeindlich und kann umgangen werden, indem man sich im Vorhinein klar ist, was für einen Raum man hier aufmachen möchte und das dann auch genau so nach außen kommuniziert.
Hier sieht man eindeutig, dieser Begriff wird oft nicht inkludierend genutzt und reproduziert die Binariät von Geschlecht und starren Geschlechterrollen. „Wir wollen einen Raum voller mausiger Süßmäuse und ohne Macker.“ Oke, sagt halt „Wir wollen einen Raum voller Frauen und ohne Männer.“ Wenn ihr das meint.
Im Endeffekt ist die Kritik von Janymaus ein Plädoyer dafür, korrekt Sprache zu benutzen. Und zwar in dem Sinne, dass man halt sagt, was man meint.
FLINTA*-Räume können, wenn sie wirklich als FLINTA*-Räume und nicht nur als FL Räume gemeint sind, wirklich toll sein. Menschen, die nicht als weiblich gelesen werden, aber FLINTA* sind, können im Vorhinein oft nicht wissen, ob sie willkommen sind.
Trans/Cis
Außerhalb von der Anwendung der Begriffe hat Janymaus aber auch Kritik am Begriff selber. Vielleicht auch einfach mit Begriffen an sich und mit der strengen Einhaltung von Kategorien und Idenität. Und damit auch mit der strikten Einteilung in Trans- und Cis-geschlechtlich.
Janymaus erzählt: Es gibt natürlich auch Orte, an denen Menschen ihre Genderqueerness erkunden können, aber hier auch immer unter dem Umbrella: Trans. Ich bin selber trans, ich bin selber die fetteste tranny. Auf jeden Fall, ich sehe aus wie eine Transe, ich werd gelesen als Transe und ich werd auch so behandelt. Und da sind auch harte Wörter wichtig, ich bin nicht nur trans, ich bin eine Transe, man sieht mir das an, das ist die Gewalt, die ich erfahre.“
Und trotzdem weiß Janymaus, dass nicht alle Menschen, die genderqueer sind, in diese Begriffe TIAN reinfallen. Eine Drag Queen, die nachts nach Hause läuft, wird auch geklatscht. Weil sie in den Dynamiken ist. Man braucht Sprache, um zu beschreiben was man erlebt, und anderen mitteilen zu können, was einem passiert. Aber wenn es dann hauptsächlich darum geht, einzelnen Schlagwörtern gerecht zu werden, verliert man irgendwie auch die Nuance und die Diaspora, die queere Menschen haben.
Ein weiterer Aspekt der Kritik: Es ist für weiße Menschen anders, queer zu sein, als es ist, wenn du nicht weiß bist. Sie erzählt: Ihre Freunde im Iran haben kein Verhältnis zu diesen Begriffen, weil es das einfach nicht im Persischen gibt.
Die Bezeichnungen „Queer“ und „FLINTA*“ werden teilweise als westlich angesehen und als Kolonialbegriffe. Und das nicht, weil es nur in Europa queere Menschen gibt, Begriffe sind anders, Sprache ist anders.
Mackertum
Und jetzt kurz noch zu einem anderen Begriff: Macker.
Wer schützt hier wen? Gegen wen sind wir, wenn wir gegen das Patriarchat sind? „Macker“ werden oft als die Menschen bezeichnet, die bei FLINTA* ausgeschlossen sind. Das sieht man allein bei Demosprüchen wie „gegen Macker und Sexisten“.
Und oftmals an der Begründung für einen FLINTA* Space. „Wir wollen keine Macker hier haben“. Dabei sind meistens auch hetero cis Männer gemeint, aber wir sollten über das Mackertum reden. Laut Janymaus gibt es darüber schon eher eine Debatte als um den FLINTA-Begriff selbst, in beiden Debatten geht es schließlich darum, gegen wen wir sind, wenn wir gegen das Patriarchat sind.
Aber „Macker“, ob das jetzt hetero cis Männer sind oder nicht, könnten auch schützen. Janymaus erzählt davon, sich in „gemischten“ Spaces sicherer zu fühlen, wenn die Person weiß, es gibt „Macker“, die auf unserer Seite sind und nach außen schützen, ob vor rechten Mobs oder vor Polizisten.
Es ist eine spannende Frage. Wer ist überhaupt alles ein „Macker“? Viele FLINTA-Personen benutzen den Begriff als eine emanzipatorische Selbstbezeichnung. Transmännern/ Transmaskulinen Personen/ Butches gibt es vielleicht Euphorie, als Macker bezeichnet zu werden. Queere Maskulinität kann schützen und hat Geschichte. Hier lohnt sich ein Verweis auf „Stone Butch Blues“ von Leslie Feinberg.
Feminität sollte nicht dein Nonplusultra sein. Auch die Dimension „race“ ist hier nennenswert. Denn Weiblichkeit ist etwas Konstruiertes und wie alles hat dieses Konstrukt auch eine rassistsiche Ebene. Weiblichkeit wird oft nur weißen Personen zuerkannt. Schwarze Frauen und Women of Colour werden oft als männlicher gelesen.
Im Endeffekt ist es wichtiger, gegen das Patriarchat zu arbeiten und nicht gegen die einzelnen Personen, die es reproduzieren.
FLINTA* Fazit
Es ist ermüdend, wenn sich Diskurse so häufig nur im Raum von Sprache abspielen. Dennoch brauchen wir Sprache, um zu beschreiben, was uns passiert. Im Endeffekt ist das Problem nicht ein Akronym, das versucht, so viel zusammenzufassen wie möglich.
Sprache kann immer nur versuchen, die Realität widerzuspiegeln. Menschen sind aber komplex und niemals nur eine Sache. Menschen werden immer aus jeder Kategorie ausbrechen, in die sie sich selber reinstecken. Wir dürfen Queerness nicht in starren Formen denken.
Wenn Sprache nicht das Grundproblem ist, was ist es dann? Die Antwort ist simpel: Transfeindlichkeit. Jahrhunderte/ Jahrtausende von konstruiertem binären Geschlecht in unser aller Köpfe. Die „Frauen sind so und Männer sind so“-Einsortiermaschine in den Köpfen funktioniert noch immer einwandfrei. Denn wir müssen die Gesellschaft grundlegend verändern, um alle Geschlechter zu befreien. Sprache allein wird nie ausreichen.
Doch nehmt bitte außer dieser Erkenntnis hauptsächlich mit: Sagt was ihr meint, benutzt Sprache korrekt. Überlegt noch mal zweimal, für wen ihr eine Veranstaltung machen wollt. Denkt das INTA* mit, nicht nur das FL.
und: Janymaus ist lesbisch!
Hannah P.
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