In einem Auslandssemester in Bergen habe ich nicht nur die einmalige Landschaft Skandinaviens ins Herz geschlossen, sondern auch die Gleichstellungspolitik. Sie hat mehr als ein Gesicht.
Wenn ich ehrlich bin, habe ich mich damals vor allen Dingen für ein Semester in Norwegen entschieden wegen der Aussicht auf Fjorde, Berge und Polarlichter. Besucht habe ich einen Kurs zur politischen und gesellschaftlichen Struktur Skandinaviens. Dass Gleichstellung auch anders gelebt werden kann als in Deutschland, habe ich dann schnell gelernt…
Kind oder Karriere?
Auch in Norwegen verdienen Frauen im Durchschnitt weniger als ihre männlichen Kollegen. Allerdings liegt das skandinavische Land mit neun Prozent Lohndifferenz am unteren Ende der Messlatte. Deutschland schneidet mit einer durchschnittlichen Lohndifferenz von 22 Prozent im europäischen Vergleich deutlich schlechter ab. In Bremen verdienen Frauen sogar 25 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen! Aber woran liegt es, dass zwei hochentwickelte Länder sich in diesem Punkt so stark voneinander unterscheiden? Frauenquote, geteilte Elternzeit und Garantie auf einen Kindergartenplatz spielen bei der Beantwortung wohl eine zentrale Rolle. Dass im hohen Norden die Geburtenrate über der deutschen liegt und Frauen gleichzeitig häufiger berufstätig sind, klingt auf dem ersten Eindruck erst einmal absurd. So haben in Norwegen rund 83 Prozent der Mütter mit kleinen Kindern einen Beruf, den sie weiterhin ausüben.
Schwarzes Gold – sinnvoll eingesetzt
Norwegen hat durch Ölvorkommen natürlich sehr viel mehr Geld zur Verfügung als viele seiner Nachbarländer. So kommt es auch, dass Eltern schon seit 2008 ein Platz im Kindergarten garantiert wird. Der Staat versucht aber auch mit anderen Maßnahmen, Kinderwunsch nicht in Widerspruch mit Karriere zu stellen. Durch eine geteilte Elternzeit sollen beide Elternteile aktiv dazu angeregt werden, sich die Kinderbetreuung zu teilen. Die Familie kriegt nur das volle Jahr Elterngeld ausgezahlt, wenn auch der Vater mindestens drei Monate Betreuungszeit davon in Anspruch nimmt und mit dem Kind zu Hause bleibt. Väter, die mit Kinderwagen joggen gehen, sind keine Seltenheit und prägen das Bild von Norwegen ebenso wie die vielen roten Holzhäuser.
Frauenquote
Auch die in Deutschland hart umstrittene Frauenquote trägt einen Teil dazu bei, dass in Norwegen Karrierefrauen keinen Mythos mehr darstellen. So müssen seit 2003 Frauen zu mindestens 40 Prozent in den Aufsichtsräten von börsennotierte Unternehmen vertreten sein. Erst seitdem 2008 Sanktionen gegen Verstoß dieser Regelung eingeführt wurde, hat sich die Quote mittlerweile so etabliert, dass sich ein Übertrags-Effekt auch auf andere große Unternehmen feststellen lässt.
Gefördert aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds
Jana Holtkamp
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