Im Rahmen unseres Specials kamen schnell die ersten Ideen zu vielleicht dem Hauptmodell, das man im Leben einer Frau erwartet: Mutterschaft. Die Rolle der Mutter ist für viele Frauen fest in das Leben eingeplant und für viele Mütter auch die Erfüllung ihres Lebens. Aus Israel kam aber im letzten Jahr eine Studie, die diese Idee untergräbt. Regretting Motherhood, zu deutsch „Mutterschaft bereuen“, der israelischen Soziologin Orna Donath, die mit Frauen sprach, die es zutiefst bereuen, jemals Mutter geworden zu sein.
Wie kam es zu „Regretting motherhood“?
Zuerst einmal zum Hintergrund dieser Kontroverse. Orna Dornath hat 23 Frauen aus verschiedenen sozialen Hintergründen und in verschiedenen Altersklassen in Israel interviewt. Auswahlkriterium war für die Teilnahme, dass die betroffene Person, könnte sie zurück in der Zeit gehen, sich dieses Mal gegen Kinder entscheiden würde. Repräsentativ ist eine Studie mit nur 23 Frauen sicherlich nicht, dennoch ist die Diversität unter den Teilnehmerinnen schon ein guter Anfang, um eine gute Übersicht zu zeigen. Aus Schutz vor Anfeindung wurden die Namen der Befragten geändert, bevor die Studie veröffentlicht wurde. In Israel ist die Idee, keine Kinder zu haben nicht annähernd so normal und alltäglich wie hier in Deutschland, was der Studie eine zusätzliche Dimension gibt.
Nicht gegen das Kind, sondern gegen die Mutterschaft
Die Reaktionen hier in Deutschland sind breit gefächert, ein Konsens ist jedoch schnell gefunden. Unter dem Hashtag #regrettingmotherhood findet man vor allem auf Twitter einen Vorwurf: Wie kann man nur? Von Selbstmitleid wird gesprochen und Unverständnis, wie man eine solche Sache jemals bereuen kann. Wer die Frauen, die mutig genug sind, mit solchen schwierigen Aussagen an die Öffentlichkeit zu gehen, verurteilt, versteht die Studie falsch. Donath geht es nicht um die Verteufelung der Mutterschaft oder darum, die betroffenen Frauen als Rabenmütter darzustellen und anzuprangern. Denn wichtig ist hier ein Gedanke, der nicht mit dem Ziel der Studie vermischt werden darf: Die Teilnehmerinnen bereuen zwar die Mutterschaft, lieben aber dennoch ihre Kinder – was wahrscheinlich den großen Konflikt in ihren Gefühlen auslöst. Es geht um den Kontrollverlust durch die Mutterschaft, den die Teilnehmerinnen wahrnehmen, den Verlust des Selbsts und das Verlangen nach der früheren Selbstbestimmung. Das Leben ist jetzt an ein Kind gekoppelt und Entscheidungen, die man früher frei und unbehelligt treffen konnte, sind jetzt nicht mehr möglich. Hätten sie um diese Einschränkung vorher gewusst, hätten sie sich gegen die Mutterschaft entschieden.
Eine neue Vielfältigkeit der Mutterschaft
Der Gedanke ist in der ersten Sekunde mehr als nur ein Tabu. Wünscht man sich als Frau nicht auch, dass man mit einem Kind einen Zuwachs an Glück erfährt, nicht einen Schwund davon? Dass es Mütter nicht immer von Anfang an leicht haben, zeigen Krankheiten wie die postpartale Depression, die es den neuen Müttern oft erschwert, eine Beziehung zu ihrem Kind aufzubauen. Diese Gefülhe sind allerdings anders als die, die Donath mit ihrer Studie anspricht. Die Reue, die die Teilnehmerinnen fühlen, bezieht sich auf das Konzept des Mutterseins, nicht auf das eigene Kind. Aber für die betroffenen Frauen, sei es die der Studie oder sogar einfach die, die sich selbst in den Aussagen wiederfinden, ist es eine Befreiung, endlich das Tabuthema ansprechen zu dürfen. Genauso wie glückliche Mütter ihre Freude teilen, finden die unzufriedenen Mütter voller Reue Gleichgesinnte, die ihnen vielleicht nicht das Bereuen nehmen können, es aber erleichtern. Es wird der Mutterschaft nicht die Schönheit oder das Glück abgesprochen, sondern eine andere Seite gegeben und unglücklichen Müttern eine Chance, mit ihrer Reue neu umzugehen.
Kim-Nicola Hofschröer
Andrea meint
Vielleicht ein Hinweis, es kam heute ein Beitrag im ZDF zu diesem Thema
http://www.zdf.de/volle-kanne/volle-kanne-5991486.html