Von den Bolzplätzen ihrer Kindheit bis zur internationalen Fußballbühne: Tomke Poppen hat einen beeindruckenden Weg als Schiedsrichterin hinter sich. In Norwegen pfeift die deutsche Auswanderin mittlerweile auf höchstem Niveau. Im Interview mit frauenseiten erzählt sie von den Hürden als Frau im Fußball und der Schiedsrichterei sowie der Zukunft des weiblichen Fußballs.
frauenseiten: Wie bist du zum Fußball gekommen?
Tomke Poppen: Zum einen durch meinen Opa und zum anderen, dass ich von klein auf schon immer und zu jeder Zeit auf den Bolzplätzen mit den Nachbarskindern und meiner Zwillingsschwester Fußball gespielt habe.
frauenseiten: Und welchen Verein hast du als erstes unterstützt?
Tomke Poppen: Der erste Fußballverein, den ich als Fan unterstützt habe, war der SV Werder Bremen.
frauenseiten: Wann und wieso hast du dich dann entschieden, als Schiedsrichterin aktiv zu werden und nicht einfach „nur“ Fußball zu spielen?
Tomke Poppen: 2011 hat meine Zwillingschwester mit der Schiedsrichterei angefangen. Ich wollte weiterhin lieber selber Fußball spielen und auch nicht dasselbe machen wie meine Schwester. Wir wurden oft verglichen und ich entschied, meiner Schwester die Schiedsrichterei zu überlassen. Da ich allerdings fast jedes Spiel bei ihr als Supporterin dabei war, fragte sie immer wieder, ob ich nicht auch Lust hätte, Schiedsrichterin zu werden. Sie meinte, dass wir mehr weibliche Schiedsrichterinnen bräuchten und da ich sowieso fast jedes Spiel von ihr begleitet habe, könnte ich mir doch auch als Schiedsrichterin nebenbei noch Taschengeld verdienen. Ab diesem Zeitpunkt, leitete meine Schwester bereits Spiele in der 1. Bundesliga der Frauen und von Männern in der Bezirksliga. Im April 2016 habe ich dann den Schiedsrichter-Anwärter-Lehrgang besucht.
frauenseiten: Wie würdest du deine bisherige Karriere als Schiedsrichterin beschreiben? Welche Ereignisse haben dich geprägt?
Tomke Poppen: Ich würde sagen, dass meine bisherige Karriere sehr positiv verlaufen ist. 2016 begann meine erste Saison in Deutschland. Ich pausierte dann für ein halbes Jahr aufgrund meiner Auswanderung nach Norwegen. In Norwegen ermutigte mich mein Fußballteam, meine Karriere als Schiedsrichterin in Norwegen fortzusetzen. 2018 begann dann meine erste Saison hier und seitdem ging es in meiner Schiedsrichterinnen-Karriere bergauf. Jedes Jahr kommt ein neuer Meilenstein dazu – wie, dass ich seit 2024 zu den fünf FIFA-Schiedsrichterassistentinnen in Norwegen gehöre.
frauenseiten: Da du zu den FIFA-Schiedsrichterassistentinnen in Norwegen gehörst, bist du auch bei internationalen Turnieren und Spielen dabei. In welchen Ländern hast du schon gepfiffen?
Tomke Poppen: Ich habe in Deutschland, Schweden, Dänemark, Spanien, Kasachstan und auch schon in Griechenland gepfiffen.
frauenseiten: Das klingt alles sehr beeindruckend. In Hinblick auf Anerkennung und mehr Respekt für Schiedsrichter*innen: Hast du das Gefühl, dass du als weibliche Schiedsrichterin anders behandelt wirst als männliche Kollegen? Gibt es andere Erwartungen und Anforderungen?
Tomke Poppen: Nein, generell eigentlich nicht. Bei der Bezahlung gibt es jedoch große Unterschiede. Die Männer verdienen bei den Spielen in der ersten Liga wesentlich mehr als wir Frauen in unserer ersten Liga. Dabei haben wir die gleichen Vorbereitungen, Anreisen und somit den gleichen zeitlichen Aufwand – auch Erwartungen sind dieselben.
frauenseiten: Der DFB formuliert im aktuellen Nachhaltigkeitsprogramm unterschiedliche Kernthemen und Ziele bis 2027. Die weibliche Partizipation im Fußball soll um rund 25 Prozent gesteigert werden. Woran liegt es, dass der Anteil an Frauen im Fußball so niedrig ist?
Tomke Poppen: Das Problem ist, Frauenfußball erhält deutlich weniger Aufmerksamkeit in der Gesellschaft und der Medienberichterstattung als der Männerfußball. Wenn man sich die Zuschauerzahlen in den Stadien ansieht, wird deutlich, dass es weniger Bewusstsein dafür gibt, wie cool und aufregend Frauenfußball ist. Es ist also wichtig, den Frauenfußball attraktiver und dabei auch lukrativer zu gestalten. Das gilt aber nicht nur für den Frauenfußball, sondern auch eben für die weibliche Schiedsrichterei.
frauenseiten: Wie ordnest du diese Problematik ein?
Tomke Poppen: Ich würde es als ein strukturelles Problem einordnen. Mir ist bewusst, dass in den letzten Jahrzehnten Frauen durch die Strukturen im Fußball diskriminiert wurden und immer noch werden. Die derzeitigen Gegebenheiten ermöglichen es nicht, dass Frauen die gleichen Leistungen erbringen können wie Männer im Fußball oder in der Schiedsrichterei. Männer verdienen mehr und können dadurch eventuell in ihrem Job kürzertreten, um mehr für die Schiedsrichterei zu trainieren. Frauen müssen oftmals Vollzeit neben der Schiedsrichterei arbeiten und müssen dennoch das gleiche Pensum an Training erfüllen, um den Standards und den Erwartungen gerecht zu werden.
frauenseiten: Wie können dann die formulierten Ziele vom DFB umgesetzt werden?
Tomke Poppen: Die Sensibilisierung dafür, dass Frauenfußball genauso cool ist, wie Männerfußball. Fußball ist noch heute ein sehr männlich konnotierter Sport. Dabei liegt auch der gesellschaftliche Fokus zumeist auf erfolgreichen männlichen Fußballern wie Ronaldo, Neymar, Messi und Co. Leider wird weiblichen Fußballern wie Mapi León, Alex Morgan und Laura Feiersinger nicht die gleiche Aufmerksamkeit zuteil. Die mediale Berichterstattung erwähnt weibliche Fußballprofis vergleichend eher selten, und auch die Fußballclubs dominieren Männern in den Führungspositionen. Das macht es für Frauen oftmals schwierig, in diesem Umfeld Fuß zu fassen. Auch Schiedsrichterinnen haben es in einem von Männern dominierten Bereich nicht immer leicht. Es kann sehr entmutigend sein, während der Ausbildung die einzige Frau in einem Raum voller männlicher Schiedsrichter zu sein. Also ist es umso wichtiger, die weibliche Partizipation durch mehr mediale und gesellschaftliche Aufmerksamkeit zu fördern.
frauenseiten: Ist die Situation im norwegischen Fußball so wie im deutschen Fußball oder gibt es dort mehr weibliche Partizipation?
Tomke Poppen: In Norwegen ist die Situation dieselbe. Wir haben die gleiche Problematik. Auch bei uns ist das Ziel, die Zahl der weiblichen Akteure im Fußball – sei es im Schiedsrichtereiwesen, als Spielerin, als Trainerin oder Leitungsposition in Vereinen – zu steigern.
frauenseiten: Was wünscht du dir für die Zukunft des Frauenfußballs sowie für Schiedsrichterinnen?
Tomke Poppen: Ich wünsche mir, dass der Frauenfußball und die weibliche Schiedsrichterei mehr Aufmerksamkeit in der Gesellschaft bekommen und die finanziellen Mittel gerechter verteilt werden. Der Frauenfußball und die weibliche Schiedsrichterei sind attraktiv und bieten ebenfalls viele Möglichkeiten, erfolgreich zu sein.
Inke Ammermann
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