Ein wenig googeln und eine Flut von Geburtsinformationen steht im Internet bereit. Aber ist sie bei der Entscheidung für eine natürliche Geburt oder einen geplanten Kaiserschnitt überhaupt hilfreich?
Wir wissen: Ärtz*innen raten Schwangeren verstärkt zum Kaiserschnitt – er ist kontrollierbarer und somit weniger haftungs- und versicherungslastig. Auch ist er einträglicher; eine natürliche Geburt bringt einer Klinik €2000,- bis €3000,- und ein Kaiserschnitt schon €6000,-. Wir fragten uns daher, ob das Sichinformieren im Internet diesem Trend entgegenwirken könnte.
Die Infrastruktur ist ausschlaggebend
Die Statistiken belehrten uns eines Besseren. Ausschlaggebend für Entscheidungen für oder gegen einen geplanten Kaiserschnitt ist das Vorhandensein einer flächendeckende Infrastruktur mit persönlicher Beratung und Aufklärung und die erreichbare Möglichkeit, einer zweiten Meinung einzuholen. Es sind die Städterinnen, die umfangreicher informiert sind und die Frauen auf dem flachen Lande, die mangels Alternativen den Rat eines*r Mediziner*in befolgen und ohne Not per Kaiserschnitt entbinden:
„Anders lässt es sich kaum erklären, dass die Zahl der geplanten Kaiserschnitte deutschlandweit so stark schwankt: In Dresden kamen 2010 lediglich 5,7 Prozent aller Kinder durch einen geplanten Kaiserschnitt auf die Welt, im Kreis Tirschenreuth (Bayern) waren es 32,51 Prozent.“ Carina Frey.
Was hat es aber mit den vielen Internetangeboten für Schwangere auf sich?
Das Internet will uns als Allererstes etwas verkaufen, und Schwangere sind eine kauffreudige Kundinnenschicht: Die Blogs und Foren, die am liebevollsten aufgemacht sind, arbeiten kommerziell und leben entweder von Fremdwerbung oder werden von Firmen für Babynahrung, -spielzeug, -bekleidung oder -einrichtungen betrieben. Lasst euch vom Pfefferkuchenhaus nicht täuschen!
Aber – mit wem redet frau da eigentlich im „Geburtsforum“? Aus der Forschung zu Gesundheitsforen im Netz wissen wir, dass Menschen am ehesten Vertrauen zu Mitbetroffenen fassen: In diesem Fall vermeintlichen Mitschwangeren. Diese können aber durchaus „pharmagesteuerte Scheinpatienten“ sein, wie Irene Habich in Gesundheitsforen im Netz bei Spiegel Online Gesundheit schreibt. Die Interessen hinter einer liebevoll aufgemachten „Mama & Baby Info“ können sich also vom Windelvertrieb bis hin zu Pharmafirma oder Ärztelobby erstrecken – vorne drauf steht das nicht.
Ideologien jenseits des Verkaufs
Neben den Big-Business-Interessen gibt es zusätzlich viele Blogs und Facebookseiten, die besonders stark entweder für die natürliche Geburt oder für den Wunschkaiserschnitt eintreten. Beide sind gleichermaßen mit Vorsicht zu genießen, – Gefühle werden angesprochen, Meinungen geformt, und besonders erstgebärende Schwangere können sich zu der Einstellung verleiten lassen, frau könne eine Geburt auswählen wie eine Praline aus der Schachtel. Aber wie die ureigene individuelle körperliche Beschaffenheit einer jeden Schwangeren aussieht können die engagierten Blogger*innen nicht wissen. Die Geburt ohne fremde Hilfe zu Hause auf YouTube ist zwar imponierend – aber nicht zur Nachahmung empfohlen: Eine Geburt ist zwar etwas natürliches, aber YouTube kann mir nicht sagen, ob ich diejenige bin, die während der Austreibungsphase plötzlich in Schwierigkeiten geraten wird oder nicht.
Die seriösen Seiten
Ja – seriöse Seiten gibt es tatsächlich. Seltsamerweise trifft frau auch hier auf „Scheinschwangere“ in den Foren – und zwar aus dem gleichen Grund wie bei den Unseriösen: Menschen fassen am ehesten Vertrauen zu Mitbetroffenen und hören auf ihre Ratschläge. Wenn dich jemand im Kaiserschnittforum zu einer Geburtsplanung mit Termin bei SSW39+0 rät und dich darin bekräftigt, einer Klinikmeinung die Stirn zu bieten, dann ist das wahrscheinlich ein seriöses Forum. Hier setzt der Nutzen an: Frauen werden in Richtung erfahrener Hebammen und verantwortungsbewusster Mediziner*innen gelenkt. Sehr umfangreich ist z.B. die Seite von Eltern.de.
Weitere Informationen:
- Bremer Bündnis natürliche Geburt
- Kaiserschnitt: Ja! Nein! Vielleicht?
- Bei Frauen auf dem Land wird z.B. viel häufiger die Gebärmütter entfernt. Visite NDR 8.9.15
- Interessant sind auch die Beiträge von Medien, die sich nicht traditionell mit Mutter und Kind beschäftigen z.B. Geplante Geburt: Erst die Wehen, dann der Kaiserschnitt von Carina Frey bei Spiegel Online Gesundheit.
- Nochmal Carina Frey: Rechtsstreit nach der Geburt: Arztfehler oder Schicksal? und Risikoschwangerschaft, was bedeutet das eigentlich?
- Spiegel Online Special von Irene Habich zu Gesundheitsforen im Netz
Glenys Gill
Holthaus Hesse,Elisabeth meint
In den letzten 2 Wochen habe ich mich sehr darüber gefreut, dass bei 4 von mir in der Schwangerschaft betreuten Frauen ein Kaiserschnitt verhindert wurde. Bei zwei Frauen lagen die Babys in Beckenendlage, bei den beiden anderen handelte es sich um Zweitgebärende, die ihre ersten Kinder per Kaiserschnitte bekommen hatten.
Das ist durchaus nicht selbstverständlich sondern für mich auch ein Zeichen dafür, dass in den Bremer Kreissälen versucht wird, die natürliche Geburt zu fördern, so wie wir es uns nach 2 jährigem intensiven Diskussionen in den Arbeitsgruppen des Bremer Bündnisses zur Förderung der natürlichen Geburt vorgenommen haben.
Wenig hilfreich jetzt der Artikel , der alte Vorurteile neu belebt und vielfach widerlegte Behauptungen, dass z. B. Kaiserschnitte mehr Geld bringen und Ärztinnen und Ärzte immer häufiger zum Kaiserschnitt raten als Tatsachen formuliert. Es ist sehr bedauerlich , dass die von uns erarbeiteten Fakten weiterhin nicht zur Kenntnis genommen werden.Schuldzuweisungen bringen uns nicht weiter !