Oft wundern sich die Menschen, dass meine Tochter nun schon über 11 Jahre gern in Island lebt. Ich nehme an ihrem für mich unbekannten Leben aus der Ferne teil.
Manche Leute meinen, dass an den Küsten von Island die Eisberge entlang driften und es im Winter total dunkel ist. Das stimmt nicht. Der Golfstrom beschert verhältnismäßig warme Winter. Es wird höchstens minus 8 Grad gemessen, meistens liegen die Temperaturen um den Gefrierpunkt. Da haben wir es hier im Osten und Süden von Deutschland im Winter deutlich kälter. Der Sonnenaufgang im Dezember ist ungefähr um 12 Uhr, Sonnenuntergang 15 Uhr. Also mindestens drei Sonnenstunden sind täglich zu verzeichnen. Was viel ungemütlicher ist, sind die Starkwinde. Dann wackeln die Wände. Auch eine erhöhte Lawinengefahr besteht.
Wie verleben Isländer/innen die Winter- bzw. Advents- und Weihnachtszeit?
Ab dem 12. Dezember kommt Abend für Abend einer der dreizehn Weihnachtskerle aus den Bergen zu den Menschen. Sie kehren ab 25. Dezember wieder zurück. Sie wohnen mit ihrer Mutter, der Hexe Grýla und ihrem liederlichen Gefährten Leppalúdi sowie der riesigen Weihnachtskatze in einer Höhle in den Bergen. Jeder der Kerle ist auf etwas anderes spezialisiert. Sie ergattern etwas zum Essen oder piesacken die Menschen. Unter ihnen sind Giljagaur, der Schluchtenkobold, der vom Milchschaum im Kuhstall nascht, der gewitzte Türzuschläger Hurdaskellir und der neugierige Fensterglotzer Gluggaegir. Zum Abschluss, am 24. Dezember, kommt der Kerzenschnorrer Kertasníkir, der die Talgkerzen von der Festtafel klaut.
Am Heiligabend, wenn der Nordwind um die Häuser heult, ist das oft auch Jólaköttur, die Weihnachtskatze. Sie schleicht am 24. Dezember aus Grýlas Höhle ins Tal und schnappt sich alle, die zu Weihnachten keine neuen Kleider anhaben. Zum Glück befinden sich im diesjährigen Weihnachtspaket für meine Tochter einige neue Kleidungsstücke.
Kartoffeln und Kohle für die Unartigen
Die Weihnachtskerle erkunden aber auch, welche Kinder brav und welche unartig sind. Je nach Auslegung werden die braven Kinder in den 13 Nächten vor Weihnachten von ihnen mit kleinen Geschenken bedacht, die in den dafür im oder unter dem Fenster aufgestellten Schuhen deponiert werden. Unartige Kinder bekommen gar nichts oder nur eine rohe Kartoffel oder ein Stück Kohle in den Schuh. Am 6. Januar (Heilige Drei Könige), dem dreizehnten Weihnachtstag kehrt der letzte der Kerle zurück in die Berge. An vielen Orten wird ähnlich wie schon zu Silvester ein großes Freudenfeuer entzündet und nochmals Feuerwerke abgebrannt.
Der Norden des Landes ist noch isländischer und rauer als der Süden. Denn an kaum einem Ort der Erde sind Rauheit und Wärme – nicht nur durch die allerorts vorkommenden, heißen Quellen – so dicht beieinander wie hier. Wenn im Dezember Neuschnee fällt, zieht ein glitzernder Zauber über die Felsen. In klaren Nächten flackern grüne und rote Nordlichter über Island. Das Land der Sagas, Elfen, Trolle und skurrilen Naturerscheinungen ist bei näherem Hinsehen mehr als eine Reise wert.
Seit „Game of Thrones“ strömen Fans der Fantasy-Serie zu den Drehorten in Island. Bringt das die heimischen Trolle zum Advent nicht in Rage?
Heidemarie Gniesmer
Emilia meint
Macht Lust auf direktes Koffer packen und hinfliegen – ist aber doch sehr teuer, oder?
Heidemarie meint
Es gibt günstige Flüge. In drei Stunden ist man dort, ab nächsten Frühjahr sogar ab Bremen. Preiswerte private Unterkünfte sind auch vorhanden.
Cornelia Helmboldt meint
Liebe Frau Gniesmer, danke für Ihren stimmigen und weihnachtlichen Bericht über Island. Island ist hier den meisten Menschen völlig unbekannt, eine andere Welt also. Bitte mehr davon! Liebe Grüsse und ein schönes Weihnachtsfest für Sie und ihre( auch isländische) Familie von Cornelia und Klaus Helmboldt