Anetta Mona Chisa und Lucia Tkacova überwinden in ihrer Ausstellung „ah, soul in a coma, act naive, attack“ die Grenzen des Sagbaren und Gewussten
Die aktuelle Ausstellung in der GAK (Gesellschaft für aktuelle Kunst) ist ein visuelles Erlebnis, das sich in der Galerie über mehrere Bereiche erstreckt. Die Besucher*innen werden durch insgesamt drei aufeinander aufbauende Stationen geleitet, wo sie auf raumgreifende Installationen, Skulpturen und Projektionen treffen.
Die Objekte wirken zunächst befremdlich und skurril, doch die Erläuterungen des Künstlerinnenduos schaffen Klarheit und einen Moment der Überraschung. Denn was uns hier, als Kustwerke präsentiert, so unbekannt erscheint, zirkuliert tagtäglich durch unsere Hände. Die fossilienartigen, auf Schaumstoffsockeln präsentierten Gebilde sind nichts anderes als eingeschmolzene Euromünzen, die von Hand geformt wurden. Die Schichten der lebensgroßen Skulpturen (Totems) sind nicht etwa aus speziellem Material, sondern aufeinandergestapelte, angekohlte Bücher. Wie sie zu dieser Idee gekommen sind, erläuterten Chisa und Tkacova im Zuge des Gesprächsabends „The magic of anagrams and the difficulties of artistic resistence“, moderiert von der Direktorin der GAK Janneke de Vries.
Ohne Worte: Eine Ausstellung in drei Kapiteln
Die Dreiteilung der Ausstellung wählten sie bewusst, um ohne ein Zurückgreifen auf Sprache ihren Denkprozess schrittweise zu formulieren. Die eingeschmolzenen Münzen und die geschwärzten Bücher erzählen das erste „Kapitel“, das die beiden Künstlerinnen mit „Transformation“ betiteln. Für unsere Gesellschaft wichtige Güter wie Geld und Literatur verlieren hier ihre eigentliche Funktion und werden auf ihre Materialität reduziert. Sprache selbst stiftet hier keinen Sinn mehr, sondern wird Skulptur. Dieses Kapitel soll uns von all den uns auferlegten Werten befreien und uns einen Neuanfang ermöglichen.
Hat man den ersten Teil durchquert, gelangt man zum Eingang eines stockfinsteren Raumes. Dieser ist das zweite Kapitel, das die Besucher*innen zum letzten leitet. Der Weg kann nur ertastet werden, da eine visuelle Orientierung unmöglich ist. „This space can be filled with potentialities. Here is no documentation possible, because you can’t take any photos. It’s a kind of freedom of representation and from visibility”, erklärten die Künstlerinnen. Die Dunkelkammer gibt einem das beklemmende Gefühl von Unsicherheit und Verlorenheit und macht unsere Gewohnheiten wirkungslos.
Attention! Here and now!
Am Ende des doch etwas unheimlichen dunklen Ganges angekommen, betritt man einen recht großen, aber karg ausgestatteten Raum, der durch den auffallend gemusterten Teppich seine Wirkung erhält. Es ist das Muster eines Raum-Zeit-Diagramms, das sich über die gesamte Fläche des Raumes erstreckt. Zeit und Raum werden somit quasi gleichzeitig visuell fassbar. Zu sehen sind außerdem zwei Konstruktionen, die als Sitzgelegenheiten für zwei Amazonenpapageien fungieren sollten. Die beiden Vögel sind mittlerweile nicht mehr Teil der Ausstellung, doch ihre Anwesenheit ist durch ihre Hinterlassenschaften noch sichtbar. Diese Landschaft, betitelt mit „Attention! Here an now, boys! Here and now!“ ist eine Anlehnung an Aldous Huxleys Roman „Eiland“, der ein Zusammenleben unabhängig von Werten wie Kapital, sozialem Erfolg oder Macht beschreibt.
Diese Ausstellung fordert also auf, das Bekannte zu verlassen und neue Wege zu beschreiten. Man beginnt mit der Transformation, verliert sich anschließend, um schlussendlich einen Neuanfang wagen zu können. Ob die Besucher*innen diese Fülle an Bedeutung beim bloßen Anschauen der Objekte, die noch bis zum 21. Februar ihren Platz in der GAK behalten, erkennen und fühlen können, ist fraglich. Doch letztendlich sei jedem selbst überlassen, wie er diese wortlose Narration erleben möchte.
Julika Wagner
Emilia meint
Ich finde die Ausstellung im besten Sinne irritierend! Sehr lohnenswert!!! Übrigens bin ich erst durch euren Tipp darauf gekommen und spontan hingegangen. Danke.