Nordeuropäisches Schneegestöber, singende afrikanische Menschen in der Sonne, Heizungen werden gesammelt – ein Charity-Aufruf: Radi-Aid for Norway. Das Video spricht davon, wie sich „das Blatt gewendet hat“: Es liegt nun an Afrika, sich für all die Hilfen zu bedanken. „In Norwegen erfrieren die Menschen“ heißt es, Afrika will etwas von seiner Wärme abgeben und sendet Heizungen ins entfernte Europa. Ein Witz fragen wir uns? Ja natürlich soll es einer sein! Doch hinter dem ganzen versteckt sich eine entwicklungspolitische Botschaft.
Das Satirevideo von 2012 des Internationalen Hilfsfond Norwegischer Studierender und Akademiker*innen (SAIH) macht uns mal wieder deutlich, wie Medien unser Bild über andere Kulturen prägen.
„Stellt euch vor, dass jede Person in Afrika das Video „Afrika for Norway“ gesehen hätte und dies die einzige Information ist, die sie je über Norwegen bekommen haben? Was würden sie wohl über Norwegen denken?“ – Radi-Aid (SAIH)
Charity-Songs schön und gut?
Das Benefiz Lied aus dem Jahre 1984 „Do they know it’s Christmas“ von Bob Geldof und Band Aid galt bei dem Projekt von SAIH als Inspiration. Die Melodie des Weihnachtsliedes, zigtausend Mal gecovert und neu besungen, verfolgt jedes Mal dasselbe Ziel: Geld sammeln für Menschen denen es nicht so gut wie unserer westlichen Welt geht. Doch die Videos zeigen leider alle deutlich, dass es nicht möglich ist, Aufmerksamkeit auf die Ungleichheitsverhältnisse in der Welt zu lenken ohne Stereotype und Mythen über andere Länder und Kulturen zu befördern. Die Menschen sollten sich über dieses Problem bewusst werden und ihr eigenes Bild als Zuschauer*innen anfangen zu hinterfragen, ebenso die Art und Weise wie wir über weitentfernte Orte und Probleme reden. So schafften mediale Bilder und Berichte über die Jahre ein eigenes Bild über Afrika in den westlichen Ländern. Kritisch ist auch der „Zwang“ nach ‚Political Correctness‘ zu sehen, den wir bei der Präsentation fremder Ländern nachgehen. Problematisch ist der politisch korrekte Sprachgebrauch, wenn bei der sprachlichen Vorsicht, bestimmte Aspekte und Themen nicht angesprochen werden. Auch das Ersetzen von kritischen Wörtern durch einen politisch korrekteren Ausdruck kann eng verbunden mit dem Leugnen von Diskriminierung sein.
Afrika ist ein Kontinent!
Die Darstellung von Afrika in den Medien ist oft sehr negativ. Häufig kommen einem die Schlagwörter Hunger, Armut und AIDS in den Sinn. Dies ist kein Wunder, denn leider sind diese immer wieder prägender Gegenstand in Spendenaufrufen. Afrikanische Länder werden über einen Kamm geschoren und als „das Land Afrika“ dargestellt, in dem überall die gleichen Missstände herrschen. Viele vergessen, dass es sich bei der Darstellung um einen Kontinent mit sage und schreibe 54 Ländern handelt. Armutsmiseren weniger afrikanischer Länder werden repräsentativ für den gesamten Kontinent dargestellt. Und auch das Bild von Frauen in afrikanischen Ländern wird beispielsweise in Musikvideos sexistisch als das exotische Wesen konstruiert. Spendenaktionen sollten daher nicht auf dem Ausbeuten von Stereotypen basieren! Wir sollten hinterfragen welchen schlechten Einfluss westliche Länder damit möglicherweise auf die Entwicklung afrikanischer Länder haben. Klischees beschädigen die Würde, weshalb der Spieß umgedreht werden sollte. Auch positive Errungenschaften könnten Grund und Ansporn für Hilferufe sein, sich weiterhin für eine gute Sache einzusetzen. Dennoch hilft der gute Wille alleine nicht. Noch immer müssen stark diskriminierenden Strukturen begegnet werden. Auch Medien sollten die Grundwerte von Respekt und Rücksicht verfolgen und moralisch und ethnisch vertretbar sein!
Natürlich sollen hier Spendenaufrufe, von beispielsweise berühmten Persönlichkeiten, nicht völlig verteufelt werden. Sie sind durchaus sinnvoll um eine breite Masse zum Spenden zu bewegen und auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam zu machen. Es sollte dennoch hinterfragt werden, wen letzten Endes diese Gelder erreichen, die Regierung oder die gewöhnlichen Menschen?
Stereotype und Mythen hinterfragen
Mit dem ironischen Videoclip will SAIH zum Nachdenken anregen, die Wahrnehmungen in Frage stellen und Perspektiven herausfordern. Freuen wir uns denn etwa immer als pflichtbewusste und humorlose Nation von Biertrinkern*innen und Lederhosenträger*innen bezeichnet zu werden? Der beste Weg um stereotypen Zuschreibungen zu begegnen scheint daher nach wie vor Humor zu sein.
Wer weitere humorvolle Videos im Rahmen der Radi-Aid Kampagne sehen will, findet sie unter: http://www.africafornorway.no/.
Laura Frey
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