Ganz beschwingt in Vorfreude gibt sich der Premierenabend zu „Antigone“ im Theater am Goetheplatz. „Das Bühnenbild“, raunt es hier und dort vor dem Start. Manch eine*r hat sicherlich schon den Beitrag auf der Seite des Theaters gelesen.
So geht es also sehr positiv gestimmt in den Saal des großen Hauses, gespannt auf die kommende eine Stunde und fünfzig Minuten ohne Pause.
Der Raum in den wir blicken
Das vorherige, eben genannte Raunen ist berechtigt. So erzeugt das Bühnenbild von Marlene Lockemann eine dauerhafte Faszination und trägt die Zuschauenden durch die hundertzehn Minuten Antigone. Immer wieder blicken die Zuschauenden in sich verändernde Räume, die eine besondere Tiefe bilden können oder doch wieder neutral flach das Geschehen begleiten. Mal vermutet man die Verner Panton Höhle, die unlängst erst im Paula Modersohn Becker Museum zu sehen war, mal ist es ein greller Vorhang wie aus einem Schlachthof entnommen, mit den typischen schweren Plastiklamellen.
„Bei der Entwicklung des Bühnenbildes hat mich vor allem der Vorgang des Beerdigtwerdens interessiert und wie man dafür eine räumliche Übersetzung finden kann. Denn das Motiv ist ganz zentral in der Geschichte. Antigone beerdigt ihren Bruder und wird zur Strafe selbst beerdigt. Der von mir entwickelte Mechanismus ermöglicht eine horizontale Beerdigung der Protagonistinnen, indem der Bühnenraum die Spielenden auftauchen und verschwinden lassen kann. Er steht aber auch sinnbildlich für die Macht des Staates, weil der Raum die Spielenden bedrängen und ausschalten kann. So habe ich Themen wie Verlust, Trauer und Staatsgewalt räumlich bearbeitet.“ (Marlene Lockemann im Interview auf der Seite des Theaters.)
Antigones Geschichte
Antigone (Shririn Eissa) bestattet ihren Bruder Polyneikes. Sie stellt sich damit gegen die geltenden Gesetze. Polyneikes, der in einem Kampf gegen seinen Bruder Eteokles um die Herrschaft über Theben fiel, wurde zum Staatsfeind erklärt. Er soll unbestattet auf einem Hügel vor den Toren der Stadt verrotten. Doch Antigone pocht auf ihr Recht, um ihn zu trauern, und widersetzt sich mutig dem neuen Herrscher, ihrem Onkel Kreon (Guido Gallmann). Eteokles, als Verteidiger der Stadt wiederum darf in Theben beerdigt werden, so verfügt es Kreon. Antigones Widerstand löst schließlich eine Kette tragischer Ereignisse aus.
Die Stimmung im Saal
Antigone ist eine deutschsprachige Erstaufführung von Anne Carson nach Sophokles aus dem Englischen übersetzt von Maria Milisavljević. Elsa-Sophie Jach ist die Regisseurin des Stückes.
Es gibt viel zu schauen. Es ist sehr gut inszeniert, so dass der Blick unheimlich gut geführt wird. Die Musik ist wunderbar. Es ist gewissenhaft und tief recherchiert auf sehr fundierten Beinen. Ein recht neutraler Blick auf das Geschehen wird vor wunderbarem Hintergrund und unheimlich starkem Sound präsentiert. Manch eine würde eine drastische Aussage oder vielleicht auch einen Schockmoment erwarten. Die drei jungen Mädchen Luise Erfurth, Zoe Hoff, Ayleen Walker, die vermutlich das Dreigespann Antigone, Ismene und Teiresias verkörpern, hätten noch mehr in Erscheinung treten können. Damit entsteht auch ein generationenübergreifendes Bild auf der Bühne. Ein Besuch lohnt sich, da doch der alte Stoff sehr verständlich inszeniert wurde. Die großartigen Schauspieler*innen Shirin Eissa, Lieke Hoppe, Levin Hofmann, Karin Enzler, Irene Kleinschmidt, Guido Gallmann ziehen uns in ihren Bann.
Eine Entdeckung ist Lena Geue. Die Musikerin, Komponistin und Musikpädagogin hat die musikalische Leitung der Produktion inne und steht selbst mit mehreren Instrumenten, teilweise ihre Stimme einsetzend auf der Bühne. Die Kompositionen unterstreichen in ganz besonderer Weise das Geschehen. Hoffentlich hören wir noch häufiger hier in Bremen von ihr. Ihr gegenüber ist der Schlagzeuger Phillip Teurer als zweiter Livemusiker auf der Bühne. So schafft es Lena Geue in ihrer Komposition, dass zwei Personen dieses schicksalshafte Werk musikalisch begleiten, tragen, untermalen, je nach Situation.
Besetzung
Antigone Shirin Eissa
Ismene Lieke Hoppe
Haimon Levin Hofmann
Eurydike, Wache Karin Enzler
Teiresias Irene Kleinschmidt
Kreon Guido Gallmann
Chor Karin Enzler, Levin Hofmann, Lieke Hoppe, Irene Kleinschmidt
Live-Musik Lena Geue, Philip Theurer
Live-Kamera Cantufan Klose
Kinderstatisterie Luise Erfurth, Zoe Hoff, Ayleen Walker
Regie Elsa-Sophie Jach
Bühne Marlene Lockemann
Kostüme Belle Santos
Licht Joachim Grindel
Komposition und Musikalische Leitung Lena Geue
Dramaturgie Theresa Schlesinger
Termine
Mittwoch, 02. Oktober 2024, 19:00 – 20:50 Uhr
Samstag, 05. Oktober 2024, 19:00 – 20:50 Uhr
Samstag, 12. Oktober 2024, 19:00 – 20:50 Uhr
Freitag, 01. November 2024, 19:00 – 20:50 Uhr
Samstag, 23. November 2024, 19:00 – 20:50 Uhr
Renate Strümpel
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