In Polen haben die Frauenrechtler*innen einen großen Sieg errungen: Vor zwei Wochen wurde das geplante Verbot für Abtreibungen nach tagelangen Protesten, dem „czarny Protest“ (schwarzer Protest), gekippt. Zum ersten Mal wird damit in Polen ein Gesetzesentwurf aufgrund von Demonstrationen aufgeschoben. Sowohl in Polen als auch europa- und weltweit hatten Frauen gegen die potenzielle Verschärfung des Abtreibungsgesetztes Stellung bezogen.
Worum ging es bei dem umstrittenen Gesetz?
Schon ohne die geplante Reform ist das Abtreibungsgesetz Polens deutlich schärfer als andere europäische Versionen. Nur unter bestimmten Umständen darf eine polnische Frau straffrei abtreiben. Dazu zählen eine Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung, nach Inzest oder wenn das Leben der Mutter durch die Schwangerschaft akut bedroht wird. Ist das Kind potenziell schwerbehindert oder mit einer Krankheit erblich belastet, ist eine Abtreibung ebenfalls möglich. Während dieses Gesetz schon sehr die Selbstbestimmung von Frauen einschränkte, geht der Gesetzesentwurf, den die polnische Regierung vor wenigen Wochen vorschlug, noch weiter. Die oben genannten „Ausnahmefälle“ würden damit komplett abgeschafft werden und eine Abtreibung sowohl für den*die behandelnde*n Arzt*Ärztin als auch für die Schwangere mit bis zu mehreren Jahren Gefängnis bestraft werden. Eine Behandlung bei Komplikationen in der Schwangerschaft sei weiterhin erlaubt. Unterstützt wurde dieser Vorschlag von konservativen Parteien Polens, sowie der katholischen Kirche, die den Schutz des ungeborenen Lebens damit sichern wollen. Auch sollen Familien damit eher in Betracht ziehen, ein behindertes Kind großzuziehen. Während viele Frauen schon mit dem aktuellen Gesetz zu Alternativen wie speziellen Pillen, die eine Fehlgeburt auslösen, oder einer eigenmächtigen Abtreibung mit einem verformte Kleiderbügel griffen, würden solche gefährlichen Methoden nur noch weiter steigen unter dem neuen Gesetz.
Der czarny Protest
Our daily press review is out! Main Focus: Total abortion ban in Poland overturned https://t.co/x2NLprgGb2 #CzarnyProtest #BlackMonday pic.twitter.com/3osfTdz0G1
— eurotopics [en] (@eurotopics_en) October 7, 2016
Sicher beschlossen wurde das Gesetz schon vor den Protesten nicht, aber es wurde so weit abgesegnet, dass es klar in Betracht gezogen wurde. Die polnische Bevölkerung reagierte mit Aufruhr. Das Leben zu schützen sei eine Sache – den polnischen Frauen eine solch wichtige Entscheidung abzunehmen, das sei die viel schlimmere Konsequenz des Gesetzes. In mehreren großen polnischen Städten, unter anderem Warschau, Stettin und Krakau gingen mehre zehntausend Frauen auf die Straße und machten ihrem Ärger Luft. Gekleidet komplett in schwarz als Zeichen der Trauer angesichts dieser möglichen Zukunft für die Frauenrechte wurden die Protestmärsche als „schwarzer Montag“ bekannt. Unter dem Hashtag #czarnyprotest (schwarzer Protest) zeigten sich international viele solidarisch mit dem Protest. Auch in Berlin und Paris gingen Frauen auf die Straße, unterstützt von Abgeordneten des Europaparlaments, die die neue Reform ebenfalls als rückwertig und zu radikal bewerteten. In ganz Polen wurde zu Streiks aufgerufen, um den Alltag Polens lahmzulegen als Reaktion auf die Einschränkung der Frauenrechte. Schwarz gekleidete Frauen fluteten die Straßen und demonstrierten, einmal wieder, wie es scheint, für Selbstbestimmung über ihren eigenen Körper. Die Banner zeigen Parolen wie „Keep your rosaries off my ovaries!“ (Haltet euren Rosenkranz von meinen Eierstöcken fern!) – eine klare Ansage gegen die konservative katholische Kirche – oder „My pussy is not your Business!“ (Meine Vagina geht euch nichts an!).
Les Polonaises ont fait grève contre l'interdiction du droit à l'avortement. #CzarnyProtest #IVGhttps://t.co/5OJOIcwREp pic.twitter.com/oLpPgc69vI
— VO – Vie Ouvrière (@La_NVO) October 5, 2016
Wie geht es jetzt weiter?
Als Reaktion auf die nationale und auch internationale Protestbewegung ruderte die polnische Regierung zurück und versprach, den Gesetzesentwurf erneut zu bearbeiten. Das erste Mal in der Geschichte Polens ist damit ein Gesetzesentwurf nur durch die Proteste der Bürger*innen verhindert worden. Frauenrechtler*innen weltweit feiern diese Entwicklung als klaren Fortschritt für die Frauenbewegungen und die #prochoice Bewegungen, die für die Selbstbestimmung von Schwangeren kämpfen. Frauenbewegungen in Ländern wie Irland und Malta, die ähnlich strenge Abtreibungsgesetze wir Polen haben, schöpfen Hoffnung aus dem Erfolg des czarny Protest. Die Regierung plant eine Reform der Reform, um den Forderungen der Protestler*innen entgegenzukommen. Eine polnische Bürgerinitiative versucht unterdessen, über eine Unterschriftenaktion zu bewirken, dass das polnische Gesetz an den europäischen Standard angepasst wird.
Kim Hofschröer
Markus Michael WOLF meint
Wenn das Gesetz durchgepeitscht wird, wonach Abtreibung auch bei Vergewaltigung, Inzest, Lebensgefahr für die schwangere Frau verboten sei, dann wäre das ein Rückfall vor das Jahr 1932.
Damals wurde in Polen ein Gesetz eingeführt, wonach Abtreibung bei Inzest, Vergewaltigung, Lebensgefahr für die schwangere Frau erlaubt war.
Und 1932, das war noch in der Pilsudski-Diktatur.
In der Pilsudski-Ära durfte meines Wissens zufolge nicht demonstriert, nicht gestreikt werden, die Kommunisten/-innen waren im Gefängnis und in Ostpolen fanden Pogrome gegen die dort lebende russische Minderheit statt.
Und im heutigen „demokratischen“ Polen will man Verhältnisse einführen so schlimm, wie es sie nicht mal in der Pilsudski-Diktatur gegeben hat???
Hannah meint
Danke für den Artikel. Ich könnt kotzen.
Viele Grüße