Die zwei Begriffe „Familie“ und „Beruf“ sind von zentraler Bedeutung in der gegenwärtigen sozialwissenschaftlichen Diskussion um Gleichstellung, Emanzipation und ökonomische Karrierechancen. Das Problem der fehlenden Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll als ein bedeutender hinderlicher Faktor beim Karriereeinstieg aufgezeigt werden.
Karriere oder Familie?
Wie Forschungen gezeigt haben, stellt die weitgehend fehlende Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Frauen im postsowjetischen Raum oft vor der Auswahl: Karriere oder Familie den Vorzug geben? Wissenschaftler*innen der Ukraine haben unterschiedliche Berufs- und Familienverwirklichungen bei Frauen und deren Auswirkungen auf ihr weiteres Leben erforscht. Die befragten Frauen wurden in folgende Gruppen eingeteilt (Gupalowskaja 2005, S. 23):
- Frauen mit sehr ausgeprägter beruflicher Selbstverwirklichung
- Frauen mit wenig ausgeprägter beruflicher Selbstverwirklichung
- Frauen mit sehr ausgeprägter Familienorientierung
- Frauen mit wenig ausgeprägter Familienorientierung
Man hat bei Frauen mit negativen Berufsperspektiven einige vorherrschende Persönlichkeitseigenschaften identifiziert. Dazu gehören: Niedriger Selbstachtungsgrad, Ruhelosigkeit, Respektlosigkeit gegen sich selbst, Anspruchslosigkeit, schwache Motivation, Abhängigkeit, Aggressivität, hohes Maß an inneren Konflikten.
Die Ehe als Vorsorge
In Deutschland wurden durch Schlüter (2012) Untersuchungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf durchgeführt. Als Befund hat sie festgehalten: „Beides – Familie und Beruf – lässt sich im Lebenskonzept planen und umsetzen als gleichgewichtig und gleichberechtigt nebeneinander, so dass es individuell passt. Aber auch das Nacheinander ist möglich: Studium, Familienphase, berufliche Entwicklung. Ebenso wie das Berufsleben ohne Kinder, und das Leben als Berufsfrau, in dem das Mutter sein zum ‚Nebenbei‘ wird. Die Gewichtung ist in den Darstellungen sehr unterschiedlich. Die Perspektive ist entscheidend“ (Schlüter 2012, S. 106).
Außerdem betont Klammer mit Blick auf die negativen Folgen einer Absage an Beruf- und Karriereorientierung für Frauen in ihren späteren Lebensphasen: „Menschen treffen ihre Lebensentscheidungen gemeinsam – faktisch werden allerdings die Folgen von bestimmten familiärer Entscheidungen in späteren Lebensphasen nicht gleichermaßen von dem Beteiligten getragen“. Es geht um „ein hohes Armutsrisiko nach Trennung und Scheidung oder eine niedrige eigenständige Altersrente“ (Klammer 2012, S. 65).
Die Ehe als Karrierechance?
Als entscheidender Faktor für die (unterschiedlichen) Karriereverläufe von Männern und Frauen identifiziert die Forschung von BMFSFJ (2011, S. 126) den Familienstand.
„Den Familienstand betreffend ist zu konstatieren, dass der Status verheiratet zu sein und Kinder zu haben nur für Männer positive Effekte auf die Wahrscheinlichkeit hat, eine Führungsposition auszuüben. Der nach wie vor hohe Anteil von Ehemännern unter den Führungskräften spiegelt die hohe Bedeutung des Status Ehe wider. Die Analysen zeigen allerdings, dass nur für Männer die Ehe die wichtigste Rolle für den Einstieg in die Führungsposition spielt; westdeutsche Frauen in Führungspositionen sind vergleichsweise seltener verheiratet und häufiger ohne Kinder im Haushalt als Männer in Führungspositionen: 70 Prozent der Frauen in Führungspositionen waren im Jahr 2006 kinderlos, 77 Prozent in 2008. Ein Viertel der Frauen in Führungspositionen ist Single – damit liegt der Anteil doppelt so hoch wie bei männlichen Führungskräften“ (Busch/Holst 2010).
Das BMBF hat ebenfalls Interesse an diesem Thema und betrachtet von seiner Seite auch Barrieren des Karriereeinstieg bei Frauen und stellt dabei fest: „Für nachhaltige gleichstellungspolitische Initiativen hierzu benötigen wir vertiefte Erkenntnisse über die Ursachen und Mechanismen, die bisher gleichstellungshinderlich gewirkt haben, sowie Handlungsansätze für mehr Chancengerechtigkeit“ (BMBF).
Deswegen betont das BMBF in seiner Studie: „Zukunftsorientierte Politik will die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Frauen in allen Bereichen und auf allen Ebenen, vor allem auch in Führungspositionen, angemessen vertreten sind. Die unterschiedlichen Sichtweisen und Denkansätze von Frauen und Männern müssen genutzt werden – im Interesse von Fortschritt in Bildung, Forschung, Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt“ (BMBF)
Das stellt eine Schnittpunkte zwischen der weiteren sozial-ökonomischen Entwicklung Usbekistans und Deutschlands dar und öffnet Möglichkeiten für unsere Zusammenarbeit in Zukunft.
Lola Sabirova
Bibliographie
- BMBF – Bundesministerium für Beruf und Familie. Frauen an die Spitze.
- BMFSFJ – Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.) (2011): Erster Gleichstellungsbericht. Neue Wege – gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf. Drucksache 17/ 6240 vom 16.06.2011. Berlin.
- Busch, A./ Holst, E. (2009): „Berufswahl wichtig für Karrierechancen von Frauen und Männern„. In: DIW-Wochenbericht 23. S. 376–387.
- Gupalowskaja, A. (2005): Berufliche Selbstverwirklichung als Faktor vom persönlichen Werdegang von Frau. Originaltitel: Профессиональная реализация как фактор становления личности женщины (Übersetzung der Autorin). Autoreferat zur Erlangung der Doktorwürde. Ukraine Kiew.
- Dölling, I: „Ostdeutsche Geschlechterarrangements unter Druck„. BdWi.
- Klammer, U. (2012): „Wenn Mama das Geld verdient…“ In: Unikate Geschlechterforschung, Nr. 41. S. 59-68.
- Ministerium für Arbeit und Soziales der Republik Usbekistan / UNDP (Hrsg.) (2012): Effektive Erwerbspolitik. Realisation der Arbeitsfähigkeiten der Frauen. Analytischer Bericht. Policy Brief Gender Labour 2013 0128. Originaltitel: Аналитическая запиcка. Эффективная политика занятости: реализация трудовых возможностей женщин (Übersetzung der Autorin).
- Schlüter, A. (2012): „Führungsfrauen“. In: Unikate. Geschlechterforschung, Nr. 41. S. 100-107.
- Statistisches Amt der Republik Usbekistan/ Frauenkomitee Usbekistans/ ADB/ UNDP (Hrsg.) (2007): Frauen und Männer Usbekistans 2000-2005. Taschkent. Originaltitel: Женщины и мужчины Узбекистана 2000 – 2005 (Übersetzung der Autorin).
- Statistisches Amt der Republik Usbekistan (Hrsg.) (2014): Frauen und Männer. Taschkent. Originaltitel: Женщины и мужчины (Übersetzung der Autorin).
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