Kennt ihr schon Asya Utku? Eigentlich schreibt sie gerade ihre Bachelorarbeit an der Uni Bremen. Seit neuestem ist sie aber auch im Kino zu sehen – und zwar im Film „Ellbogen“, basierend auf Fatma Aydemirs Roman.
„Ellbogen“ erzählt die Coming-of-Age-Geschichte der 17-jährigen Hazal, die in Berlin-Wedding aufwächst. Trotz zahlreicher Bewerbungen für eine Ausbildung bleibt jede Einladung zu einem Vorstellungsgespräch aus. Ihr größter Wunsch zu ihrem 18. Geburtstag ist es, dem ermüdenden Alltag zu entkommen und mit ihren Freundinnen auszugehen. Doch als sie und ihre Freundinnen vom Türsteher abgewiesen werden, spitzt sich die Lage zu. Hazals angestaute Frustration über die ständigen Zurückweisungen mündet in einen folgenschweren Vorfall, der sie schließlich zur Flucht nach Istanbul zwingt.
Asya Utku spielt die Rolle von Gül, einer guten Freundin der Protagonistin Hazal.
Wir waren bei der Premiere in Bremen dabei und haben mit Asya Utku gesprochen
frauenseiten: Du studierst eigentlich Kommunikations- und Medienwissenschaften und Germanistik. Wie bist du zu dieser Rolle gekommen?
Asya Utku: Der Film hatte ein offenes Casting. Ich habe durch meine Schwester auf Instagram den Aufruf gesehen. Es wurden nämlich deutschlandweit junge Frauen in einem bestimmten Alter gesucht. Und da hat meine Schwester wegen ihres Alters leider nicht mehr reingepasst und deswegen hat sie mir das dann vorgeschlagen. Ich war früher im Theater-Unterricht und habe das immer gerne gemacht. Ich dachte mir «Okay, was habe ich schon zu verlieren? Ich probiere es einfach aus.« Also habe ich mich beworben und bin immer eine Runde weitergekommen. Und am Ende habe ich nach sehr langer Zeit die Zusage bekommen für die Rolle.
frauenseiten: Kanntest du vorher den Roman oder war das reiner Zufall?
Asya Utku: Ich kannte den Roman davor tatsächlich nicht. Sobald ich den Casting-Aufruf gesehen habe, habe ich mir sofort „Ellbogen“ gekauft und gelesen. Zu dem Zeitpunkt war noch gar nicht klar, ob ich jetzt die Rolle bekommen würde oder nicht. Und auch welche Rolle ich bekommen würde. Ich habe mich nämlich nicht auf eine spezifische Rolle beworben, sondern allgemein für den Film. Bis zum Ende war offen, ob es Hazal, Elma oder Gül wird. Und ich war dann tatsächlich sehr froh, dass es Gül geworden ist.
frauenseiten: Und als dann klar war, welche Rolle du hast, wie hast du dich auf die Rolle vorbereitet? Gab es da Herausforderungen für dich?
Asya Utku: Die gab es schon, weil das meine erste Rolle überhaupt war. Ich bin ja eine Laiendarstellerin und ich musste von Grund auf lernen, wie ein Film richtig gemacht wird aus schauspielerischer Sicht. Die ganze Mädelsgruppe wurde von drei Laiendarstellerinnen gespielt. Wir haben eng zusammengearbeitet und hatten professionelle Workshops. Auch Aslı Özarslan, die Regisseurin, hat uns sehr unterstützt. Ganz wichtig war aber vor allem das Buch zu lesen. Ich habe „Ellbogen“ zigmal gelesen und auch Sätze auseinander gepflückt, in denen es gar nicht unbedingt um Gül ging, einfach nur, damit ich den Vibe des Buches verstehe. Und das war eine sehr emotionale Arbeit, weil Gül auch ein sehr komplexer Charakter ist. Das ganze Buch ist sehr komplex und es ist nicht immer alles gut – das nimmt einen mit. Selbst die Drehzeit war ein stetiger Prozess und das war irgendwie auch echt cool.
frauenseiten: Inwiefern hat dich Ellbogen persönlich berührt und gibt es vielleicht sogar auch Parallelen zwischen deinem eigenen Leben und dem von Gül, die du irgendwie mit einbringen konntest?
Asya Utku: Ich kann Gül sehr gut nachvollziehen. Gül ist eine unglaublich starke Persönlichkeit – deswegen fand ich sie auch so interessant. Aber ich bin ganz ehrlich, jede junge Frau mit türkischen Migrationshintergrund versteht sich irgendwie auf einer Ebene, die kann ich gar nicht so richtig erklären. Das spürt man einfach. Das ist ein Gefühl, eine Empathie, die man nur nachempfinden kann, wenn man es selbst kennt. Ich weiß, dass Gül viele Probleme hat oder vor allem die deutsche Gesellschaft ein Problem mit Gül hat. Ich habe selber natürlich auch Rassismuserfahrungen machen müssen. Diese Struggles als junge Frau mit Migrationshintergrund in Deutschland – das sind Geschichten, die sich leider wiederholen. Und deswegen konnte ich vieles von Gül eben auch in meiner eigenen Geschichte wiederfinden. Das hat mir definitiv geholfen.
frauenseiten: Welche Bedeutung hat die Freundschaft von Hazal und Gül für die Handlung des Films?
Asya Utku: Ich glaube, Hazal hat in allem was sie erlebt hat, sowohl in Berlin als auch in Istanbul, immer auf etwas zurückblicken müssen, was ihr Sicherheit gegeben hat. Und ich mag mir gerne vorstellen, dass das Gül war und die Freundschaft zu Gül, weil sie ja mehr oder weniger zusammen groß geworden sind. Selbst als die Nacht ihres 18. Geburtstags so blöd lief, war Gül trotzdem diejenige, die da noch das Beste draus machen wollte. Ich glaube, das ist so die Sache zwischen den beiden jungen Frauen: Die beiden strugglen ungemein, aber sie können sich auch aufeinander verlassen, sie können sich vertrauen und gegenseitig aufbauen.
frauenseiten: Welche Bedeutung hat Freundschaft privat für dich? Und hat sich deine Ansicht durch den Film verändert?
Asya Utku: Ja, tatsächlich. Freundschaft geht durch dick und dünn und das hat mir „Ellbogen“ noch mal richtig verdeutlicht. Ich bin überzeugt, wenn man etwas will und gute Leute in seinem Leben hat, dann schafft man das auch. Man braucht unbedingt Leute, die einen dabei unterstützen. Das ist nicht nur im Film so, sondern auch, was ich persönlich erlebt habe. Es gibt Leute, die dich unabhängig davon, was passiert, immer unterstützen. Das ist für mich so ziemlich das Wichtigste in einer Freundschaft.
frauenseiten: Gibt es eine besondere Szene oder einen Moment beim Dreh, die dir in Erinnerung geblieben ist?
Asya Utku: Die Partyszene ist meine Lieblingsszene. Diese Freundschaft zwischen den Mädels, die sich fertig machen für eine Party und einfach für einen Moment ihre ganzen Probleme vergessen können, hat nicht nur am Set Spaß gemacht. Es hat auch schon Spaß gemacht, das zu lesen im Buch, diese Vorfreude der Mädels auf endlich ein Event, was mal kein Reinfall wird und wo sie sich einfach auslassen können, ohne viel nachzudenken, was andere über sie denken. Das hat richtig Spaß gemacht, das zu drehen.
frauenseiten: Der Film ist ja jetzt erst ab 16 freigegeben. Was denkst du, macht „Ellbogen“ gerade für ein jüngeres Publikum eigentlich so relevant?
Asya Utku: Also die Entscheidung, FSK 16 zu wählen, kann ich nicht nachvollziehen. Das ganze Team und ich waren frustriert, weil wir es überhaupt nicht nachvollziehen können, warum in Deutschland einige Filme, die weitaus schlimmere Handlungen haben, ab 12 freigegeben werden und „Ellbogen“ mit einem Horrorfilm gleichgesetzt wird. Das ist für mich eine klare Ausrede, die Probleme, die es in Deutschland doch schon längst gibt, wieder irgendwo hinzukehren, wo sie die Leute nicht sehen müssen. Und das ist unheimlich frustrierend. Das ist ein Problem, das so viele Menschen hier betrifft. Und da irgendwie zu sagen, junge Menschen ab 12, 13, oder 14 seien gar nicht in der Lage, das nachzuvollziehen… Das ist eine Ausrede, weil es doch die Lebensrealität von vielen Jugendlichen in Deutschland ist. Das könnt ihr ihnen doch nicht wegnehmen. Auf der Berlinale lief „Ellbogen“ zumindest noch in der Kategorie Generation 14plus.
frauenseiten: Was hoffst du, was das Publikum mitnimmt aus dem Film? Welche Botschaft möchtest du senden?
Asya Utku: Es ist ein Abenteuerfilm. Alle erleben Hazal und ihren Alltag hautnah mit. Und der Regisseurin war es sehr wichtig, das Ende offen zu lassen, dass jede*r irgendwie für sich selbst bestimmt, was habe ich da jetzt mitgenommen? Und das möchte ich dem Publikum auch nicht vorwegnehmen. Ich finde es nur einfach wichtig, vielleicht einen anderen Blick auf die Gesellschaft zu bekommen. Ich wünsche mir, dass das Publikum mal sieht, wie es auch laufen kann, wenn man über den eigenen Tellerrand hinaus blickt.
frauenseiten: Okay, jetzt stell dir vor, der Film würde in Bremen spielen. Wie würde die Bremer Version von „Ellbogen“ aussehen?
Asya Utku: Die Mädels würden in der Vahr leben, weil ich da auch groß geworden bin. Wenn es im Berliner Wedding gespielt hat, spielt es definitiv in der Bremer Vahr. Und ich glaube, die Mädels wären hier auf jeden Fall auch nicht in einen Club reingekommen und hätten sich trotzdem im Viertel einen schönen Abend gemacht. Ich glaube generell wäre auch viel hier im Viertel abgegangen. Die drei Mädels würden im Viertel rumlaufen und shoppen gehen.
Warum ist Asya Utku FLINTA* des Monats?
Asya Utku ist definitiv eine inspirierende Frau. Sie selbst sagt, dass mehr Geschichten über Frauen mit Migrationshintergrund erzählt werden sollten. Sie kennt viele Menschen in Bremen, deren Geschichten sie persönlich berühren und sieht darin eine wertvolle Chance, diese Erfahrungen sichtbarer zu machen. Durch ihre eigene Perspektive hebt sie die Bedeutung der Diversität in Bremen hervor. Sie fordert dazu auf, diese Geschichten stärker in den Mittelpunkt zu rücken – und zwar nicht nur im Kino.
Ihr Studium möchte Asya Utku jetzt erst einmal beenden. Ob wir sie danach wieder vor der Kamera bewundern dürfen, lässt sie offen. Wir hoffen auf jeden Fall darauf!
Den Film „Ellbogen“ könnt ihr übrigens noch eine Weile im Kino sehen. Hier geht es zum Trailer.
– Jette Koch
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