Neben ihrem Job als evangelische Pastorin klärt Katharina Payk über queerfeministische Themen auf. Sie hält Vorträge, gibt Workshops und schreibt für das feministische Magazin „an.schläge“ sowie für „evangelisch.de“. Immer wieder beleuchtet sie dabei theologisch-christliche Themen aus einer queerfeministischen Perspektive. Wir hatten die Möglichkeit, in einem Gespräch mehr über Katharinas spannende Biografie zu erfahren.
Momentan bist du dabei, die Ausbildung zur Pfarrerin in Wien zu machen. Wie kam es dazu?
Ich habe schon vor 10 Jahren überlegt, Pfarrerin zu werden. Da war ich gerade fertig mit meinem Theologiestudium. Damals habe ich mir das aber erstens nicht zugetraut und zweitens habe ich auch gedacht, dass das nicht in mein Leben passt. Ich kann doch keine Pfarrerin sein, ich bin eine Partymaus. Lange Zeit dachte ich, dass Themen, die mich interessiert haben wie Sexualpädagogik, Sexualität und queere Theorien nicht mit dem Theologiestudium oder der Pfarrer*innenausbildung zusammenpassen. Aber mir wurde irgendwann klar, dass das nicht nur gut zusammenpasst, sondern unvermeidbar zusammengehört. Weil Religion viel gewirkt hat auf die Art, wie Menschen Sexualität leben können, dürfen oder sich selbst zugestehen. Und vielleicht kann auch gerade Religion dann der Ort sein, wo das auch wieder gebrochen wird. Dann habe ich mich vor einem Jahr entschieden, die praktische Ausbildung zur Pfarrerin zu machen.
Was gefällt Dir besonders an dem Beruf Pfarrerin?
Mit Menschen zu arbeiten und Spiritualität auszuleben. Mir wurde das in den letzten Jahren zu einem ganz dringenden Wunsch, in meinem Beruf auch mit anderen Menschen zusammen Spiritualität zu erfahren. Und andere Menschen in ihrem Glauben, in ihren Anfragen, ihrem Zweifel und auf ihrem Weg mit Gott zu begleiten. Auch wenn der Weg zur Pfarrerin, vor allem mit queerer Biografie, steinig war, möchte ich jetzt ein role model sein. Insbesondere für die Menschen, die sich von ihrem Glauben und der Kirche entfernt haben.
Du beschäftigst dich viel mit queerer Theologie. Was bedeutet queere Theologie genau und warum braucht es sie?
Queere Theologie ist eine Perspektive oder Methode in der Theologie, mit der ich mir theologische Inhalte einerseits aus der Perspektive von queeren Menschen anschaue. Andererseits werden grundsätzlich Normen und Normierungen in Frage gestellt und destruiert, also kaputt gemacht. Ein Beispiel: Viele Menschen haben das Bild eines männlichen Gottes mit weißem Bart im Himmel. Diese Festschreibung ist sehr stark in den Köpfen der Menschen verankert. Queere und feministische Ansätze verweisen auf die weiblichen Gottesbilder in der Bibel. Manchmal erscheint Gott auch in Form von Tieren oder als brennender Busch. Das heißt, dass Gott sich eigentlich überhaupt nicht in irgendeine Kategorie, geschweige denn Geschlechterkategorie drängen lässt. Gottes Geschlecht gibt es nicht in dem Sinne. Das dekonstruiert die Bibel selbst.
Du leitest ab und zu Gottesdienste, die explizit als queere Gottesdienste gefeiert werden. Was genau ist ein queerer Gottesdienst?
Man kann einen queeren Gottesdienst ganz traditionell wie jeden anderen feiern. Das heißt man hat eine klassische Liturgie. Viele queere Menschen wünschen sich das auch, weil sie als queere Menschen in einen ganz „normalen“ Gottesdienst gehen wollen, in dem sie explizit willkommen sind bzw. vorkommen. Andere wünschen sich einen lockeren Gottesdienst, der nicht so traditionell ist. Beides kann ich verstehen.
Wie feierst du einen queeren Gottesdienst?
Mir ist zum Beispiel wichtig, dass queere Menschen den Gottesdienst gestalten und die Liturgie machen. Außerdem sprechen wir uns als queere Glaubensgeschwister an. Auch wenn hetero und cis Menschen natürlich eingeladen und willkommen sind, ist es ein Gottesdienst, der sich an Lesben, Schwule, bi, trans, intergeschlechtliche, asexuelle und nicht-binäre Menschen richtet. Sie werden in den Texten explizit angesprochen. Ich spreche etwa gerne im Glaubensbekenntnis aus, dass wir geschaffen worden sind als männlich, weiblich, intergeschlechtlich, trans, nicht-binär. Ich bekomme immer wieder die Rückmeldung, dass das für viele Menschen enorm wichtig ist. Sie fühlen sich gesehen und gewollt. Außerdem haben wir Liedgut, was sich oft auf Themen wie Selbstliebe und Selbstakzeptanz bezieht – dass es gut ist, so zu sein wie man ist. Das ist für mich einer der wichtigsten Glaubensinhalte im Christentum und auch im queeren Gottesdienst, die Schöpfungszusage.
Bist du auch schon mal auf negative Rückmeldungen von Leuten gestoßen?
Nicht alle sprechen es aus, aber es stören sich schon Menschen dran. Zum Beispiel stand bei einem queeren Gottesdienst eine Frau vor der Tür. Sie hat versucht, die Besucher*innen des Gottesdienstes davon abzuhalten, in die Kirche zu gehen. Schön war die Erfahrung aber deshalb, weil eine nicht mehr ganz junge Person aus der Gemeinde, die – zumindest nach meinem Wissen – nicht queer ist, sich dann theologisch mit ihr auseinandergesetzt hat und damit Solidarität gezeigt hat. Es gibt mittlerweile auch echt viele Verbündete in der Kirche, die einem Mut machen und einem Wertschätzung entgegenbringen, wenn man queere Themen anspricht.
Merkst du Unterschiede zwischen den Diskursen in Deutschland und Österreich in Bezug auf Kirche und Queer-Sein?
Ja. Ich würde sagen, alleine wegen der Größe gibt es Unterschiede. Wir haben in Österreich etwa 3 Prozent evangelische Christ*innen. Wir sind eine verhältnismäßig kleine Kirche und damit auch ein Stück weit familiär. Und familiär ist gut und schlecht zugleich (lacht). In Österreich gibt es Wien und ein paar kleinere Städte und sonst viel Land. Und auf dem Land kommt das eher nicht so gut an, wenn man queere Gottesdienste feiert. Und Österreich ist grundsätzlich viel traditioneller. Deswegen dauern in Österreich progressive Entwicklungen länger oder kommen später.
Mit einem Blick auf Europa: Wie nimmst du den wachsenden Zuspruch wahr, den christlich- rechtskonservative, evangelikale und auch queerfeindliche Strömungen erhalten?
Ich nehme das mit Schrecken wahr. Und ich glaube, dass wir sowieso nur die Spitze des Eisbergs sehen und da noch viel mehr ist, was wir gar nicht sehen. Das wenige ist schon erschreckend. Es ist schade, dass die Kirchenleitungen sich wenig zu dem Thema äußern. Und eigentlich auch keine Agenda haben, um selbst etwas entgegenzusetzen. Wichtig fände ich, dass die Kirchen selbst mehr Verantwortung übernehmen, Projekte initiieren, sich in die Zivilgesellschaft einbringen und Aufklärungsarbeit leisten.
Was meinst du damit, wenn du sagst, dass die Kirche als Schuldtragende Versöhnungsarbeit leisten solle?
In Österreich ist die Trauung für gleichgeschlechtliche Paare erst seit 2019 möglich, einzelne Gemeinden können diese aber immer noch ablehnen. Da bleibt einfach ein bitterer Beigeschmack, dass da keine Gleichberechtigung ist, obwohl die vom Staat mittlerweile schon da ist. Viele Menschen haben außerdem Verletzungen, Traumatisierungen in ihrer Kindheit und Jugend durch Kirche erlebt. Und ich rede nicht nur von körperlichen Übergriffen, sondern auch von den psychischen Schäden. Ich habe intergeschlechtliche und trans Menschen in meinem Freundeskreis, die eigentlich spirituell und vielleicht sogar christlich sind, aber dermaßen blockiert mit dem christlichen Glauben sind, weil sie so schlimme Sachen erlebt haben. Das ist genau das Gegenteil von dem, was eigentlich die christliche Zusage zum Menschen ist.
Was müsste sich deiner Meinung nach konkret ändern, um die Inklusion von queeren Menschen in der Kirche zu verbessern?
Erstmal müssen Kirchengemeinden zugänglicher und offener werden, Angebote machen. Auch so Dinge wie Toiletten für alle ist etwas, was ich immer wieder anspreche. Außerdem ist für mich die Barrierefreiheit ein wichtiges Thema. Der Zugang zur Kirche und zum Gemeindehaus muss einfach barrierefrei sein. Und ich muss andere Behinderungen mitdenken, zum Beispiel Hören. Wie kann eine Person dem Gottesdienst auch folgen, die hörbehindert ist? Ich wünsche mir noch mehr, dass Menschen in der Kirche sich nicht so viel nur um sich selber drehen, sondern mehr schauen und hinhören, sensibel sind und fragen: Was brauchen Menschen allgemein eigentlich heutzutage von Kirche? Und natürlich auch: Was brauchen queere Menschen, um sich in der Kirche wohl zu fühlen?
Glaubst du es wird sich innerhalb der evangelischen Kirche viel verändern in den nächsten Jahren?
Ja. Ich denke es wird sich vieles in Zukunft verändern. In Wien gibt es bereits einige queere Jugendgruppen. Gleichzeitig werden queere Themen häufig in Gottesdienste oder Predigtreihen integriert. Immer mehr trans Menschen kommen neu in die Gemeinden und meine Hoffnung ist, dass diese auch irgendwann Pfarrer*innen werden. Ebenso hoffe ich auf mehr Menschen mit Behinderung als role models. Ich bin sehr zuversichtlich, was die queere Entwicklung in den Kirchen betrifft.
Wo stehst du gerade? Und was steht bei dir in nächster Zeit an?
Ja hammer Frage (lacht). Ich nehme die Herausforderung an, Pfarrerin zu sein. Derzeit leite ich die Hochschulgemeinde und zusätzlich ein evangelisches Studierendenwohnheim. Ich gestalte meine Predigtreihe „Kirche, Kunst und (Pop)kultur“ in der Hochschulgemeinde. Dazu halte ich Vorträge z.B. an Unis auch in Deutschland, vor allem zu queer-feministischen Themen, darauf freue ich mich. Ich schreibe außerdem weiter bei “kreuz und queer”, einem Blog auf evangelisch.de. Das ist wahnsinnig viel – und dann noch die Amtsprüfung nächstes Jahr. Es ist kein langweiliger Beruf (lacht).
Ganz viel Erfolg dir Katharina bei allem, was ansteht! Vielen Dank für das Interview.
Naomi
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