Auch wenn die Vorlesungsreihe „Critical Porn Studies“ schon vorbei ist, lassen wir euch die fehlenden Recaps nicht entgehen! Am 20. Juni hielt Dr. Loree Erickson online über Zoom den siebten Vortrag der öffentlichen Ringvorlesung Critical Porn Studies. Sie sprach über „Flaunting, Flourishing, and Fucking: The Pleasure and Politics of Queercrip Porn“ und kombinierte so den Diskurs über queere und feministische Pornografie mit den sexuellen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung.
Dr. Loree Erickson beschreibt sich selbst als queere “Femmegimp”-Pornostar-Akademikerin. Geboren und aufgewachsen ist sie im ländlichen Nord-Virginia in den USA. Sie absolvierte ihren Bachelor in Politik und Frauenstudien an der Virginia Commonwealth Universität. Ihr Doktoratsstudium machte sie an der York-Universität in Toronto. Zudem ist sie Aktivistin und behandelt Themen wie Behindertenrecht, kollektive Betreuung und alles was mit (queerem) Sex und Behinderung zu tun hat.
„Queercrip Porn“
Neben ihrem eigenen international preisgekrönten Pornofilm „want“ aus dem Jahr 2006 zeigte Erickson in ihrem Vortrag verschiedene Beispiele von „Queercrip Porn“ – also Pornos von und mit queeren Menschen mit Behinderung. Auffallend war dabei, dass es in den Filmen nicht nur um Sex ging. Es werden Atmosphären geschaffen um Sexualität, Repräsentation und Begehrlichkeit zu erkunden. Sich selbst als sexuelles Wesen zu verstehen und ausdrücken sei auch für Erickson einer der Gründe gewesen, warum sie mit Pornografie begann. Zudem war sie es leid, keine Repräsentation von Körpern wie ihrer zu finden. Mit ihrem Film want, aus welchem wir auch Ausschnitte sehen durften, kombiniert sie sexuell explizites Material mit Szenen aus der alltäglichen Welt der Behindertendiskriminierung. „In want zeige ich mich als Körper, der explizit sexuell ist und gleichzeitig intimer und täglicher persönlicher Pflege bedarf.“ umschreibt Erickson das Konzept des Filmes.
In einem ihrer Texte schreibt Dr. Loree Erickson über eigenen Erfahrungen mit Diskriminierung und ihren Weg in die Pornografie. Sie beschreibt, wie behinderte Menschen gesellschaftlich und systematisch diskriminiert werden und dadurch auch ihr sexuelles Leben reguliert und unterdrückt wird. Unfreiwillige Sterilisation und institutionelle Überwachung sind hier zwei Beispiele wie das sexuelle Handeln von behinderten Menschen pathologisiert und bestraft wird. Es findet ein „System der Entsexualisierung“ statt, welches Behinderung und freies sexuelles Ausleben ausschließt. Sex sowie sexueller Ausdruck sind jedoch grundlegende Aspekte eines jedes Menschen, unabhängig von Behinderung.
Von Scham bis zu Empowerment
Scham kann als machtvolles Konstrukt der sozialen Kontrolle wirken. Sexualität und Scham sind in diesem Zusammenhang häufig gesellschaftlich eng verbunden. Mainstream Pornografie neigt dazu, eine Deutungshoheit in der Definition von Sex und begehrenswerten Körpern für sich zu beanspruchen, sodass sich Menschen, die sich dort nicht wieder finden können, Scham empfinden. Darüber zu sprechen und diese Problematik sichtbar zu machen, löst wieder Scham aus – ein Teufelskreis? Ericksons Lösung: Nicht verstecken, sondern zur Schau stellen! Neue Wege der Sexualität werden so erst ermöglicht.
„Porno ist vielfältig, facettenreich – und ja – machtvoll.“
Ihre eigene Pornografie zu drehen und andere Queercrip Pornos zu sehen, bedeutet für Dr. Loree Erickson Empowerment. Sie konnte erstmalig zeigen, wie sie selbst gesehen werden möchte und zwar als begehrenswert und sexy. Behinderung und Sexappeal koexistieren, schließen sich nicht aus. Filme, die Geschichten über queere behinderte Menschen erzählen und sie als sexuelle Wesen zeigen, sind unglaublich wichtig, um Änderungen zu ermöglichen und den Diskurs voranzutreiben und sichtbar zu machen.
Ein kleiner Einblick in die Welt des Queercrip Porn, gerade genug für einen Recap. Falls euch das Thema interessiert, haben wir einen Text von Loree Erickson zum weiterlesen frei verfügbar gefunden. Die Zitate und weitere Informationen stammen aus ihrem Text „Aus der Reihe getanzt: Die sexy Strategie des „weiblichen Krüppels“ oder „Femmegimps“, es zur Schau zu stellen!“ welches in „The Feminist Porn Book: Die Kunst, Lust zu vermitteln“ erschien.
Isabella Schefner
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