Vor ein paar Jahren war ich auf dem Schafferinnenmahl – eine frauenpolitische Gegenveranstaltung zum Schaffermahl. Seit dem verfolge ich die Diskussionen um das Thema und ärgere mich über den Konservatismus der Stadt Bremen. Dieses Jahr habe ich mich als Pressefrau akkreditieren lassen.
Überfordert war ich schon mit dem ausführlichen Vermerk auf meinem Akkreditierungs-Papier, dass man sich bitte dem Anlass entsprechend dunkel kleiden solle… Öhm… Ich habe nichts Dunkles! Eine dunkelgraue Kapuzenjacke… Ist das wohl okay oder wird man dann gleich wieder rausgeschmissen?
Nun ja, Kopf hoch, Schultern zurück, wichtig tun und rein da.
Über das ganze komplizierte Traditions-Monstrum wusste ich bis eben nur grob Bescheid und glänzte daher mit kritischem Halbwissen. Hier ein paar Infos:
Das Schaffermahl ist von und für die see- und kaufmännischen Mitglieder (= Schaffer) des Haus‘ Seefahrt. Diese können wiederholt daran teilnehmen. Die seemännischen Mitglieder sind Kapitäne (bestenfalls mit Lokalbezug). Die kaufmännischen Mitglieder werden von der Stiftung gewählt und zwar jedes Jahr drei an der Zahl. Voraussetzung ist, dass sie ihren Lebens- oder zumindest beruflichen Mittelpunkt in Bremen haben. Als „Gegenleistung“ müssen die neu aufgenommenen Kaufmänner zwei Jahre später das Schaffermahl ausrichten und auch bezahlen (teure Angelegenheit, schätze ich!). Zudem werden noch Gäste (diese müssen von außerhalb kommen) plus ein Ehrengast eingeladen. Auswärtiger Gast darf man nur einmal im Leben sein.
Seit 1545 läuft die Schaffermahlzeit gleich ab. Die Teilnehmenden werden fünf lange Stunden mit fettigem Essen, Wein, klebrigem Bier und vielen Reden bespaßt. Im Anschluss darf dann gute zwei Stunden mit den Damen das Tanzbein geschwungen werden. Um 22 Uhr ist Schicht im Schacht.
Die Frauen der Schaffer
Auf der Internetseite der Schaffermahlzeit finde ich folgenden Absatz:
So wurde im Jahre 1850 geklagt, es haben sich in einem nicht mehr zu duldendem Grade der Missbrauch eingeschlichen, dass „bei der Gelegenheit der grossen Schaffermahlzeit eine grosse Anzahl von Frauenzimmern in den grossen Vorzimmern sich einfänden und bewirten liessen[…]“.
Das klingt ja fast so, als hätten es die Frauen bis vor 165 Jahren noch so richtig krachen lassen und eine große Party gefeiert… Und die fanden es dann auch schon damals nicht sonderlich fair, fortan ausgeschlossen zu werden. So müssen ihnen seitdem zumindest dreißig Plätze im Nebenraum geschaffen werden. Die drei kaufmännischen und sechs Kapitänsschaffer sowie der Vorsteher dürfen ihre Ehefrauen plus zwei weitere Damen einladen, die ihren Platz im Kaminsaal einnehmen und die Reden per Monitor verfolgen.
Ist das Schaffermahl jetzt ein Schaffer*innenmahl?
Gerne hätte ich mich überraschen lassen, wie modern das Schaffermahl 2015 geworden ist… Aber konservativ bleibt konservativ und ich bin nur ein klein wenig überrascht worden. Von 299 Gästen sind 6 Frauen dabei: Ursula von der Leyen als Ehrengast, die beiden Kapitäninnen Barbara Massing und Lisa Brenneisen, die CDU-Politikerin Annegret Kramp-Karrenbauer sowie Dr. Nicola Leibinger-Kammüller (u.a. Aufsichtsrätin bei Siemens und Lufthansa) und Dr. Isolde Liebherr (Unternehmerin).
Das ist also das 471. Schaffermahl. 470 Male ohne Frauen (mit wenigen Ausnahmen). Nun erstmals mit ganzen sechs Frauen. Dazu 293 Männer. Das sind weniger als zwei Prozent. Die 2011 von Frau von der Leyen vorgeschlagene Quote von 30 Prozent für Aufsichtsräte und Vorstände wurde nicht ganz erfüllt. Ob sie in ihrer Rede bei der Schaffermahlzeit was davon sagt? Und falls ja, ob ihr jemand zuhört? Ich werde es nicht herausfinden. Zumindest nicht live.
Meine Lieblingsfrau beim Schaffermahl 2015?
Meine Lieblingsfrau war die Journalistin der Jungle World. Jung, Nasenring, ohne Blazer. Auf ihrer Handtasche klebte ein pinker „Smash Sexism“-Sticker. Großartig! Ich hab im Vorfeld auch darüber nachgedacht, aber befürchtet, des Platzes verwiesen zu werden. Wäre dann allerdings eine wirklich spannende Schaffermahl-Erfahrung gewesen…
Für mein Resümee zum Thema „Frauen beim Schaffermahl“ zitiere ich meine Kollegin Glenys: Tut mir leid – zu spät, zu wenig.
P.S.: Ich musste bei diesem Text übrigens nur ein Mal darauf achten zu gendern. Die Sprache ist gezwungenermaßen so wie die Veranstaltung männlich dominiert.
Janina Bartmann/Redaktion
Janni meint
Hallo Niklas! Ich freue mich wirklich, dass du dich nochmal differenziert damit auseinander gesetzt hast! Danke für deinen Beitrag!
Niklas meint
Hallo nochmal,
Ich gebe es zu: Ich habe mich nicht differenziert genug ausgedrückt, denn ich würde unterscheiden zwischen der Schaffermahlzeit als Tradition, als Männertreffen, und der Schaffermahlzeit als wichtigem politischem Treffen. Insofern, als dass diese beiden heutzutage nicht zu trennen sind, kann man sicherlich kritisieren, dass hier die Hälfte der Bevölkerung und viele Entscheiderinnen ausgeschlossen werden. Diese Diskriminierung würde ich aber nicht als sexistisch motiviert bezeichnen, sondern es ist ein Festhalten an einer Tradition, die – wie man durchaus vertreten kann – im Konflikt mit heutigen demokratischen Werten steht und damit nicht mehr zeitgemäß ist. Ich habe allerdings den Eindruck, dass der Begriff Sexismus als zu breiter, zu allgemeiner Kampfbegriff verwendet wird, dass damit alles bezeichnet wird, was für Frauen als benachteiligend empfunden wird. Ich habe noch mal im Duden nachgeschaut, und die dortige Definition trifft es doch gut: „Vorstellung, nach der eines der beiden Geschlechter dem anderen von Natur aus überlegen sei, und die [daher für gerechtfertigt gehaltene] Diskriminierung, Unterdrückung, Zurücksetzung, Benachteiligung von Menschen, besonders der Frauen, aufgrund ihres Geschlechts“. Es ist außerdem zu bequem, jede Veranstaltung, die Frauen vorbehalten ist, mit einem Hinweis auf eine diffuse fehlende Gleichstellung zu rechtfertigen. Diffus, weil die Ursachen für bestehende Unterschiede nicht eindeutig zu klären sind. Die mit diesen Veranstaltungen einhergehende Diskriminierung ist für Männer allerdings sehr konkret. Diskriminieren heißt ja eigentlich „einen Unterschied machen“, und genau das passiert: Männer werden aufgrund ihres Geschlechts ausgeschlossen. Es hat also etwas Paradoxes, wenn man konsequent gegen jede Form der Männerexklusivität vorgeht, aber gleichzeitig konsequent an frauenexklusiven Netzwerken, Unterstützung usw. arbeitet. Dieser Widerspruch legt nahe, und der Ansicht bin ich auch, dass Feminismus klar von neutraler, die Interessen aller vertretender Gleichstellungsarbeit unterschieden werden muss, ja ihr manchmal sogar zuwiderläuft.
Niklas meint
Ist den Damen schon aufgefallen, dass es in Bremen unzählige Veranstaltungen gibt, zu denen nur Frauen zugelassen sind? Privilegien für Frauen werden gerne genommen, behalten, ausgebaut, aber wehe, es geht einmal andersherum, dann steigt frau auf die Barrikaden. Die Schaffermahlzeit kann man als hehre Tradition oder Anachronismus sehen (sie ist wohl ein bisschen von beidem), aber mit Sexismus hat sie nichts zu tun. Sexismus bezieht sich auf die Vorstellung einer Minderwertigkeit der Frau, worum es hier überhaupt nicht geht.
Tina meint
Lieber Niklas,
ein bisschen mehr geschichtliches Bewusstsein wäre doch ganz gut! Wenn Frauen sich zusammenschließen, um aus den diversen historischen Diskriminierungen herauszukommen, ist das ja wohl nicht dasselbe als wenn mächtige Männerbünde ihre Privilegien verteidigen. Das Schaffermahl ist eben nicht irgendeine kleine Selbsthilfegruppe, sondern da wird Wirtschaftspolitik gemacht. Wenn davon die Hälfte der Bevölkerung AUFGRUND DES GESCHLECHTS ausgeschlossen ist – das ist kein Sexismus?? Ich rate dazu, sich mal den Beginn der Rede von Frau von der Leyen beim Schaffermahl anzuhören, sie hat es locker auf den Begriff gebracht: „Geht doch!“ Also: nicht dem Mief der Vergangenheit nachtrauern, sondern den Gong der Zeit hören.
janni meint
Zudem gab es für ihre Rede ja durchaus positive Resonanz der teilnehmenden Herren:
„‚Endlich haben Sie es geschafft, Damen zuzulassen‘, sagte die Bundesverteidigungsministerin mit dem feinen Lächeln einer Frau, die auch in anderen Männerbastionen stets ihren Platz zu behaupten wusste: ‚Ich würde sagen: ,Geht doch‘, nachdem wir hier fünf Stunden lang zusammengesessen haben.‘ Der Applaus, der nach der Rede des Ehrengastes der 471. Bremer Schaffermahlzeit aufbrandete, machte selbst den sonst so kontrolliert wirkenden Verwaltenden Vorsteher der Stiftung Haus Seefahrt fast sprachlos: ‚Standing Ovations!‘, staunte Friedrich Lürßen: ‚Ich kann mich nicht erinnern, dass wir das je gehabt hätten.'“ (Die Welt, 15.02.2015)
Des weiteren: „Es hieß sogar von mehreren Kaufleuten, einige DAX-notierte, global agierende Unternehmen hätten angekündigt, keine Spitzenvertreter mehr entsenden zu wollen, weil sie durch ihre Unternehmensgrundsätze der Gleichberechtigung und Antidiskriminierung verpflichtet seien. Da gerade diese Gäste mit hohen Spenden die Sozialkasse der Stiftung unterstützten, würde das künftig auch geringere Einnahmen für die Sozialkasse bedeuten, prophezeiten einige Mitglieder.“ (Weser Kurier, Juli 2014)
Also, nicht nur viele Frauen sind dagegen, lieber Niklas, auch MODERNE Männer…
Moni meint
Lieber Niklas. Du kannst gerne deine Meinung haben. Aber bevor du meckerst, wäre es von Vorteil, sich die Definition von Sexismus noch einmal durchzulesen… Beispielsweise geht es AUCH um Rollenbilder und ‚Strategien‘, die einen ungleichen sozialen Status zur Folge haben. Sind bestimmte Personen ausschließlich aufgrund ihres Geschlechts von riesigen, traditionsreichen Netzwerkveranstaltungen ausgeschlossen, kann man sehr wohl von Sexismus sprechen. Ich empfehle dir hierfür die Lektüre von einschlägiger Literatur. Gruß, Moni
Ulrike Hauffe meint
Ich finde es Klasse, dass „unsere“ frauenseiten dieses Jahr beim Schaffermahl waren. Vielen Dank, Janina Bartmann.