Ich liebe Männer und ich liebe es, Männer zu lieben. Mein Begehren steht zum Teil im unauflösbaren Widerspruch zu meinem Selbstverständnis als Feministin.

Es ist ein Ausdruck einer klassischen Rollenverteilung, dass Männer häufiger älter sind als ihre Partnerinnen als umgekehrt. Der Mann musste arbeitsfähig sein, die Frau gebärfähig. Heute hat sich die gesellschaftliche Akzeptanz von Beziehungen älterer Frauen mit jüngeren Männern verbessert, auch Dank prominenter Beispiele wie Vivienne Westwood (76) und Andreas Kronthaler (52). Trotzdem dürfte die Assoziation „Paar“ bei einer älteren Frau und einem jüngeren Mann immer noch ferner liegen als andersrum. Ich möchte, dass sich diese gesellschaftlichen Konventionen auflösen und trage doch dazu bei, sie zu erhalten, denn auch mein Freund ist älter als ich.
Kennengelernt haben wir uns in einer Bar. Nein, das trifft es nicht. Kennengelernt haben wir uns in der Systemgastronomie. Ich saß mit ein paar anderen Leuten am Tisch. Er kam rein, ich habe ihn gesehen. Er setzte sich an den letzten freien Platz an der anderen Ecke des Tisches. Im Laufe des Abends rückte er näher, saß irgendwann neben mir und sagte schlaue Sachen. Ich spürte meinen Körper und fragte nach seiner Nummer.
Wir trafen uns. Ich Ende 30, er Anfang 50. Es war aus vielen Gründen kompliziert. Ich wollte mit ihm schlafen. Er sagte nein. Ein halbes Jahr später schliefen wir miteinander. Nein, das trifft es nicht. Ein halbes Jahr später zogen wir uns gegenseitig aus und er legte sich rücklinks so auf die Récamiere, dass ich bequem über ihm stehend geleckt werden konnte. Cunnilingus comfort.
Klar fordere ich Gleichberechtigung in der Beziehung und im Bett ein, aber ich bin auch Teil gewachsener sexistischer Strukturen, die tief ins eigene Intimleben greifen und sich nicht durch ein bisschen Muschilecken entfernen lassen.
Der Sex selbst profitiert grundsätzlich von mehr Lebenserfahrung, von etwas Ruhe und Gelassenheit sowie Klarheit über eigene Vorlieben. Machtstrukturen werden durch einen erkennbaren Altersunterschied aber tendenziell verstärkt. Zum einen besteht zumindest die Hoffnung, dass jüngere Männer in ihrem Alltag, einschließlich sozialer Medien und zeitgenössischer Musik, eher mit aktuellen feministischen Diskursen in Berührung geraten. Angesichts der zunehmenden Spaltung der politischen Orientierung junger Frauen und Männer mag diese Hoffnung aber auch trügerisch sein. Zum anderen gehen Partnerschaften mit Age Gap oft auch mit finanziellen und anderen Abhängigkeitsverhältnissen einher (bspw. in einer Chef-Mitarbeiterin-Konstellation, im Sport oder in Bezug auf den gesellschaftlichen Status). Umso jünger die Partnerin, umso größer der Altersunterschied, desto wahrscheinlicher greifen solche Dynamiken. Gleichzeitig wäre es falsch, jungen Frauen ihre Entscheidungsfähigkeit, mit wem sie schlafen und zusammen sein wollen, abzusprechen. Intergenerationale feministische Solidarität ist die stärkste Waffe gegen die Ausnutzung und Unsichtbarmachung von Frauen.
Die tief verwurzelte Vorstellung, dass Männer mit dem Alter an Attraktivität gewinnen, während älteren Frauen ihr Begehren und, mir fehlt hier das angemessene Vokabular, ihre Fickbarkeit, abgesprochen wird, ist eine Tragödie. Denn sie macht so viel unsichtbar: So viel Wissen, Würde und Erfahrungen, die ungeteilt und somit gerade jüngeren Frauen verborgen bleiben. Einer sehr jungen Frau zuzuschreiben, sie hätte das Beste schon erreicht (im Sinne von Peak der Attraktivität), degradiert junge und alte Frauen gleichermaßen. Hannah Gadsby bringt es in ihrem Meisterwerk Nanette in Bezug auf Picasso und seine 17jährige Muse auf den Punkt. Sie (Gadsby) sagt: “I am in my prime! Would you test your strength out on me? (…) There is no way anyone would dare… test their strength out on me because you all know, there is nothing stronger than a broken woman who has rebuilt herself.”
Zum Glück gibt es die oben genannten Abhängigkeitsverhältnis in meiner Beziehung nicht. Trotzdem bemerke ich Unterschiede im Vergleich zu Beziehungen ohne nennenswerten Altersunterschied und mit Männern, die nicht so privilegiert waren (bspw. im Status oder aufgrund rassistischer Zuschreibungen). Die Selbstverständlichkeit mit der ältere, weiße, able-bodied, Cis-Männer diskriminierungsfrei und privilegiert durch das Leben spazieren können, in der Regel, ohne die eigenen Privilegien zu reflektieren, muss zum Maßstab für alle Menschen werden, die zurzeit diese Art der Sorgenfreiheit nicht genießen können, wegen Nachteilen und Abwertungen aufgrund des Geschlechts, Rassismus, Klassismus oder alles zusammen.
Mein Begehren war von Anfang an sehr körperlich, der Sex experimentierfreudig und so teste ich meinen Freund und mich durch Spielarten, die (durch den Altersunterschied zum Teil verstärkten) Stereotype in Frage stellen und schreibe darüber.
Rosa K.
Das ist der erste Artikel der Reihe: Feministisch Männer lieben
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