Zwischen aufgeschobener Lohnarbeit, Bandproben und inneren Unruhen traf ich die Punkrock-Band Teddies Kneipe im Bremer Café PAPP. Sie lieferten mir, Eiskaffee und Radler schlürfend, einen Einblick in ihr gemeinsames Bandleben, ihre Geschichte und Anekdoten aus ihrem Alltag. Ihr Punk lebt von Texten über Macker, Lohnarbeit oder das Glück, aufgrund einer Krankheit nicht arbeiten zu müssen. Letztes Jahr konnte man die Band sogar auf der Breminale erleben.
Die Flinta-Band Teddies Kneipe besteht aus Jana am Bass, Lina und Kira am Mikrofon, Gitarre und Schlagzeug seit 2021. Ihr Namensgeber war ein Banner, den Kira im verlassenen Pazellengebiet am Bremer Flughafen im April 2021 fand. Ihrer Affinität für Lost Places sei Dank.
Der Anspruch, Punk zu machen, sei von Anfang an da gewesen. Dadurch, dass alle drei sich vorher schon auf Konzerten vor oder hinter der Bühne bewegten, stand die Musikrichtung auch gar nicht zur Debatte. Irgendwas in die Richtung Punkrock, das war klar. Kein Rap, das war auch klar.
Die Pandemie als Startschuss für Teddies Kneipe
Instrumente spielen können? Learning by doing.
„Ich freu mich einfach darüber, dass wir uns überlegt haben, dass wir jetzt auch Musik zusammen machen, obwohl wir vielleicht nicht mit 4 angefangen haben, ein Instrument zu spielen. Meine Sozialisierung war halt nicht so „Hey, hier ist ein Proberaum, hier ist dein eigenes Schlagzeug.“ Manchmal bemerke ich schon so, dass es halt genau da auch andere Zugänge gibt, wenn ich mir meine Freunde, die auch Musiker sind, so anschaue. Das hat bestimmt auch was mit Klasse zu tun, wer wann welchen Zugang zum Musikmachen kriegt. Musikunterricht ist immer noch teuer, und es ist nicht allen Kids möglich, von Anfang an mit Musik groß zu werden. Vielleicht hätten wir auch was anders gemacht, wenn wir seit 22 Jahren im Proberaum sitzen würde. Aber ich bin auch sehr zufrieden, wie es jetzt klappt“ , so Kira.
Für Jana war die Hemmschwelle, in einer All Flinta-Band mitzuwirken, viel geringer, weil sie sich mit den anderen beiden Flintas sofort wohler gefühlt hat, als vielleicht mit männlichen Bandkollegen. Das Gefühl, als Frau nicht beachtet zu werden, kennt Jana leider viel zu gut.
„Ich hing früher auch viel mit männlichen Bands ab, aber wurde als Flinta nie gefragt, ob ich denn nicht auch Bock hätte, mitzumachen. Dann gründen 4 Jungs ‘ne Band, fragen all ihre Jungsfreunde, ob die nicht mitmachen wollen, egal, ob die ein Instrument spielen oder nicht – nicht eine Frau wird gefragt. Die können beim Konzert dann halt T-Shirts kaufen oder verkaufen. Ich bin aber auch gerne Fan! Und ich freu mich jetzt umso mehr, dass sich immer mehr Flinta-Personen auf die Bühne trauen. Das fühlt sich aber trotzdem für mich in der Szene immer noch ein bisschen neu an. Ich find richtig gut, dass Locations das aber auch mittlerweile merken und mehr Flinta-Bands buchen. Das ist schon eine Veränderung, der man häufig begegnet.“
Gerade im Punk gibt es also mittlerweile eine positive Entwicklung, was Gendergerechtigkeit angeht. So haben Flinta-Bands nicht nur den Flinta-Stempel, sondern es wird auch verstanden, dass die auch einfach richtig geile Musik machen. Dennoch sei der Spirit in der Szene aber trotzdem als Erfahrung in einer linken Blase wahrzunehmen, so Kira. Man müsse als Flinta gefühlt immer ein bisschen mehr kämpfen, den Eindruck hat Jana.
Grade deswegen tue es gut, sich bei Teddies Kneipe in einer Komfortzone zu wissen, bei der aufgrund dem großen Vertrauen untereinander mit Unsicherheiten umgegangen wird. Irgendwie falle dadurch das ganze Rumgepose über das Drumherum weg, so Kira.
Bremen spiele aber auch eine große Rolle, was den guten Spirit in der Szene angeht. „In Berlin würde es uns auf jeden Fall schlechter gehen“, so Kira. „Auf vielen Ebenen“, entgegnet Lina scherzhaft. Zusammenhalt, Unterstützung und Begeisterung für andere Punk-Bands sei in Bremen an der Tagesordnung. Bis jetzt hat Teddies Kneipe da noch keine negativen Erfahrungen machen müssen.
„Ist aber auch alles ‘n bisschen bubble-mäßig“, so Kira.
Die nervigen Dinge des Lebens dienen als Inspiration
„Meine Inspiration kommt vom Frust von alltäglichen Aspekten wie Lohnarbeit, über die man sich ärgert, oder die nervig sind. Ich liebe es, nervige Teile des Lebens umzuwandeln in etwas energetisches, wohltuendes. Da spielt viel mit rein, dass Punk auch viel mit schreien, rumspringen, tanzen zu tun hat. Da kann dann die Energie hingehen, die an anderer Stelle Wut oder Frustration wäre. Schon so `ne Verarbeitung.“, so Lina.
Kiras Hauptinspiration ist es, zu meckern und sich zu beschweren, auch gerne in vulgärer Sprache. Nebenbei erzählt sie, dass das Aufhören mit dem Rauchen das größte Erfolgserlebnis ihres Lebens war. „Wie hast du das geschafft?“, frage ich. „Mentale Stabilität, innere Ruhe, emotionale Ausgeglichenheit, laut Schreien im Auto und sehr knapp abbremsen.“ Inspirierend, wie ich finde.
Ein neuer Song entsteht auf ganz unterschiedliche Weisen. Meistens ist es aber so, dass Lina in ihrem WG-Zimmer mit einer Akustik Gitarre und einem alten Keyboard an neuen Melodien, Akkorden und Gesang tüftelt und diese dann in der Probe pitcht. Meistens ist das dann aber erstmal eine Ballade, aus der dann später die gewünschte Punk-Nummer entsteht. Kira fällt das spontane Improvisieren und das „einfach mal machen“ sehr leicht und Jana ergänzt das Ganze mit dem passenden Bass. Jeder Song gehört also allen Dreien.
Männer als Vorbilder schon immer ein Konflikt
Lina wollte früher als Kind eine Band haben, die mindestens so cool ist wie die Ärzte und Avril Lavigne.
Kira himmelt momentan die Schlagzeugerin der sphärischen Hardcore-Metal Band Brutus an, weil sie Bands jetzt anders wahrnimmt, seitdem sie selber ein Instrument spielt.
Jana wollte früher aus Prinzip keine Bands mit Frauen mögen, was sich jetzt um 180 Grad gedreht hat. Ihre Vorbilder wechseln oft zwischen verschiedenen Flintas aus Rock- oder Punkbands. Sie betont, dass sie mittlerweile Männer auf Bühnen, die da ihren Liebeskummer verarbeiten und nach außen tragen, nicht mehr so gut hören und sehen kann. „Vielleicht haben die Männer mit ihren Partnerinnen ja auch einfach nicht richtig kommuniziert.“ Lina sagt, die Männer auf der Bühne taugen als Vorbilder nicht mehr gut.
„Der Wunsch als Jugendliche in Bezug auf den Mann auf der Bühne war immer, seine Geliebte zu sein oder dass er mich gut findet. Ich könnte aber nie er sein, weil ich mich als Frau verstehe. Ich will mir ja nicht immer vorstellen, seine Geliebte zu sein. Ich wünsche mir also schon, dass es in der Zukunft immer mehr Flinta-Vorbilder gibt.“, so Lina.
Jana hat sich früher immer gewünscht, es würde ein Song über sie geschrieben werden. Mittlerweile denkt sie sich: „Wow, ich kann ja auch einfach selber Songs schreiben. Mega geiles Konzept.“ – Find‘ ich auch.
Safe Spaces auf Punk-Konzerten
Laut Kira hat es einen Moment von Empowerment auf der Bühne zu stehen und eine Art safe space für Flintas zu verkörpern. Jana erinnert sich noch an die dunklen Zeiten, wo nach Konzerten ein Wettbewerb daraus gemacht wurde, wer die meisten blauen Flecken vom Konzert letzte Nacht vorweisen konnte. Mittlerweile stört sie das zwanghafte Rauslassen vom Drang, sich hauen zu müssen auf Punk-Konzerten. Die Awareness-Ansagen auf Konzerten sind also auf jeden Fall eine Verbesserung.
Die Getränke sind mittlerweile ausgetrunken, der Himmel wird schon wieder grau, ich mache mich auf den Weg und die Band bleibt noch „auf die Länge einer Zigarette„, so Kira, im PAPP sitzen. So ist das jetzt wohl als Nichtraucherin.
Live Termine:
- Am Freitag, dem 28.04. in der Capri Bar
- Am Samstag, dem 29.04. als Support für pogendroblem im Lagerhaus
- Am 04.05. im City 46
- Am 12.05. in Hamburg und
- Am 13.05. in Oldenburg mit scheitern.dreitausend
Jule Oeser
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