Dieses Wochenende gibt es gleich die doppelte Ladung von uns: Das Video zum Wochenende zusammen mit dem dritten Recap der vierten Veranstaltung der Ringvorlesung Critical Porn Studies!
Am 16. Mai war Marion Thuswald aus Wien im Hörsaal der Uni Bremen zu Besuch. Sie sprach über das Thema „Pornos als abwesend-anwesende Bilder. Pädagogische Perspektiven und didaktische Impulse zur Auseinandersetzung mit Pornografie“ und präsentierte uns unter anderem das Video „Porno – Behind the Scenes“, welches heute unser Video zum Wochenende ist.
Dr. Marion Thuswald absolvierte die Bundes-Bildungsanstalt für Sozialpädagogik St. Pölten und studierte Pädagogik in Wien. Heute ist sie als Sozialpädagogin und Bildungswissenschaftlerin tätig und ist Universitätsassistentin am Institut für das künstlerische Lehramt an der Akademie der bildenden Künste Wien. Thuswald beschäftigt sich unter anderem mit den Themen sexuelle Bildung, Kunstpädagogik, Critical Diversity und pädagogische Professionalisierung. Außerdem wurde sie 2005 für ihre Arbeit beim Österreichischen Friedensdienst in Vukovar im Rahmen der Kampagne 1000 Women for the Nobel Peace Prize 2005 für den Friedensnobelpreis nominiert.
Wann wird der erste Porno geschaut?
Thuswald begann ihren Vortrag mit der Frage nach dem Verständnis über Pornografie, denn was darunter verstanden wird, ist historisch, gesellschaftlich und sozio-kulturell bedingt. Die Definitionsansätze reichen von juristischen, inhaltlich-funktionalen bis zu Alltagsdefinitionen. Es gibt also nicht ein universelles Verständnis über Pornos. Laut einer Studie der Universität Münster erfolgt der Erstkontakt im Durchschnitt mit 14,2 Jahren und ist bei knapp der Hälfte der Jugendlichen ungewollt, das heißt sie haben nicht aktiv nach dem Material gesucht. Hier lässt sich ein gender-gap beobachten, denn Mädchen sind mit 14,8 Jahren deutlich älter als Jungen (14 Jahre) beim Erstkontakt.
Da mainstream Pornografie meist leicht zugänglich und kostenlos ist, sehen die Jugendlichen vorrangig heterosexuellen Sex, welcher für ein männliches Publikum bestimmt ist. Pornomythen über Körpernormen, Sexualpraktiken und Rollenbilder werden so meist unkritisch angenommen, vor allem da Jugendliche in diesem Alter noch keinen Vergleich zu eigenen sexuellen Erfahrungen haben. Thuswald vergleicht hier Pornos mit Actionfilmen: Wenn eine rasante Autofahrt gezeigt wird, ist es klar, dass es fiktiv und übertrieben dargestellt ist, da man selber schon in einem Auto saß und mitgefahren ist. Durchschnittlich haben Jugendliche ihre ersten eigenen Erfahrungen mit einem*r Partner*in mit 17 Jahren und können so beim Erstkontakt mit Pornografie, welcher viel früher geschieht, nicht über Fiktion und Realität entscheiden.
Schutz vor negativen Medienwirkung
Das Kinder vor Pornografie geschützt werden müssen, ist selbstverständlich. Dies geschieht meist über Medienregulierungen, die den Zugriff auf bestimme Seiten einschränken. Bei Jugendlichen sieht das wiederum anders aus: Sie haben meist schon eigene Smartphones oder Laptops, wodurch eine Regulierung weniger sinnvoll ist. Dr. Marion Thuswald wirft hier das Konzept der Kompetenzförderung auf. Mit den Jugendlichen soll über gesehene Inhalte gesprochen und aufgeklärt werden. Dies erfordert stabile Beziehungen zu vertrauensvollen Ansprechpersonen, aber das wichtigste ist und bleibt Respekt und kein Shaming! Hier sind neben den Eltern und Freund*innen auch Lehrer*innen gefragt, denn Schulen sind ein Ort der bewussten und unbewussten sexuellen Bildung. Sexualkunde muss nicht nur im Biologieunterricht statt finden, es bieten sich auch der Sach-, Deutsch- und Kunstunterricht dafür bestens an.
Doch wie kann man mit solchen sensiblen Themen pädagogisch umgehen, ohne Grenzen zu überschreiten? Pornos sind im wesentlichen abwesende Bilder, da sie im schulischen Kontext nicht gezeigt werden dürfen, aber gleichzeitig sind sie anwesend in den Köpfen und Gesprächen der Schüler*innen. Marion Thuswald hat sich dazu einige Gedanken gemacht…
imagining desires & reflecting desires
Zusammen mit Künstler*innen, Schüler*innen, Studierenden, Wissenschaftler*innen, Lehrer*innen und Sexualpädagog*innen entwickelte Thuswald das partizipative Forschungs- und Bildungsprojekt Imagining Desires, welches zu Fragen rund um Sexualität, visuelle Kultur und Pädagogik forscht. Die Ergebnisse flossen in das Folgeprojekt Reflecting Desires.
Auf der Seite des Projekts wird genau beschrieben, warum es so wichtig ist: „Ziel des Projekts ist die Produktion von interaktiven digitalen Materialien zu Sexual- und Medienpädagogik, die Schüler_innen zu einer aktiven, kritischen und reflektierten Auseinandersetzung mit Fragen rund um Beziehungen, Sexualität, Kommunikation und Medien anregen sollen. Das Projekt verbindet dabei einen positiven Zugang zu Sexualität mit Gewaltprävention und einer Critical Diversity-Perspektive.“
In dem Video „Porno: Behind the Scenes“ erzählen vier Protagonist*innen von ihrer Arbeit in der Pornoproduktion. Es werden Themen aufgegriffen von Fiktionalität und körperlichen Anforderungen bis hin zu dem gesellschaftlichen Druck, der durch die Körperdarstellungen und Praktiken in Pornos entstehen kann.
Humorvolle und informative Videos und passendes pädagogische Material sind auf der Seite frei zugänglich und kann für den Unterricht oder Workshops genutzt werden. Im pädagogisches Begleitheft zum Video können Lehrende weitere Informationen und Anregungen für den Unterricht bekommen. Nicht nur zum Thema Pornografie hat das Team Konzepte entwickelt, auch lässt sich digitales Lernmaterial zu Einvernehmlichkeit und Intimität finden. Wenn ihr noch mehr von Marion Thuswald lesen wollt, gibt es ihre Bücher als Open Access Versionen online.
Kommende Veranstaltungen
30. Mai 18:30 Uhr – Kukoon, Buntentorsteinweg 29, 28201 Bremen – hybrid „Pornografie zwischen Authentizitätseffekten und dokumentarischen Zuschreibungen“ mit Leonie Zilch – begrenzte Platzzahl, verbindliche Reservierung über das IKFK empfohlen
6. Juni 18:30 Uhr – Schwankhalle, Buntentorsteinweg 112/116, 28201 Bremen – hybrid „Performing Porn? Sexuelle Skripte und die Performances des Sex“ mit Lea-Sophie Schiel – begrenzte Platzzahl, verbindliche Reservierung bei der Schwankhalle empfohlen
20. Juni 18:30 Uhr – nur online und auf Englisch – „Flaunting, Flourishing, and Fucking: The Pleasure and Politics of Queercrip Porn“ mit Loree Erickson
Isabella
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