Parité – oder Parität – bedeutet Gleichstellung, zahlenmäßige Gleichheit. In der aktuellen politischen Debatte meint der Begriff die gleiche Verteilung der Sitze in einem Parlament auf Frauen und Männer. Im Bremer Koalitionsvertrag vom August 2019 ist festgelegt, dass in der laufenden Legislaturperiode ein Parité-Gesetz erarbeitet werden soll, da diese gleiche Verteilung bisher nicht gegeben ist. Im Dezember 2019 gab es dazu eine Anhörung im Gleichstellungsausschuss der Bremer Bürgerschaft.
Warum brauchen wir das?
Ein paritätischer Anteil von Parlamentssitzen: Man sollte doch meinen, dass das im Jahr 2020 kein Problem mehr ist und es dafür keines besonderen Gesetzes bedarf? Weit gefehlt! In den letzten Jahren geht der Anteil von Parlamentarierinnen sogar zurück und beträgt aktuell in der Bremer Bürgerschaft nur 37 Prozent. Und damit ist Bremen bundesweit sogar noch eine löbliche Ausnahme. Aber auch damit dürfen wir nicht zufrieden sein. Der Gleichstellungsausschuss hatte daher zwei Expertinnen zu einer Anhörung geladen, die erklärten, welche Möglichkeiten zum Erreichen der Parité es gibt und warum das wichtig ist.
Bei einer Unterrepräsentation von Frauen im Parlament fehlt die weibliche Erfahrung. Gesetze basieren dann auf dem männlichen Blick und wirken damit diskriminierend für Frauen, erklärte Prof. Dr. Silke R. Laskowski. Sie zitierte Jutta Limbach, die als erste Frau Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts war und den gegenwärtigen Zustand als schlicht „verfassungswidrig“ bezeichnete. Besonders schwierig gestaltet es sich für Frauen, als Direktkandidatin aufgestellt zu werden. In Baden-Württemberg, wo es nur Direktmandate gibt, liegt der Anteil von Kandidatinnen meist unter 20 Prozent. Eine Zugangsbarriere, die niemand kennt, ist laut Laskowski die Tatsache, dass von Direktkandidat*innen erwartet wird, zwischen 3.000 und 10.000 EUR für die Finanzierung ihres Wahlkampfs aufzubringen. Dafür muss das Privatvermögen herhalten oder das Geld muss über Kredite oder Sponsoring aufgebracht werden. Für Laskowski kommt dies der „Missachtung des passiven Wahlrechts“ gleich. Denn bekanntermaßen verdienen Frauen in der Regel weniger als Männer – Stichwort: Gender PayGap. Und auch bei Banken und Sponsoren haben es Männer bisher immer noch leichter.
Dr. Helga Lukoschat wies darauf hin, dass gegenwärtig in Deutschland lediglich 10 Prozent der Bürgermeister*innenposten mit Frauen besetzt sind. Auch in den Länderparlamenten haben mit Ausnahme von Bremen und Hamburg Frauen bei den Landtagswahlen Verluste hinnehmen müssen. Um dieser Entwicklung entgegenzusteuern sind Paritätsgesetze ein gangbarer Weg.
Wie geht das?
Mit einem Paritätsgesetz wird den Parteien vorgeschrieben, dass sie nur quotierte Listen einreichen können, um zur Wahl zugelassen zu werden. Das heißt, dass die Liste im Reißverschlussverfahren abwechselnd Männer und Frauen nennen muss. Ein solches Paritätsgesetz haben im Jahr 2019 Brandenburg und Thüringen beschlossen. Eine Vorbildfunktion hatte Frankreich, wo bereits 1996 von zehn Politikerinnen die Debatte um gerechte Vertretung mit einem Parité-Manifest ausgelöst wurde. Seit 2000/01 gibt es dort ein Parité-Gesetz. Parteien, die keine quotierten Listen einreichen, werden mit finanziellen Sanktionen belegt. Gegenwärtig liegt daher der Anteil von weiblichen Abgeordneten in Frankreich immerhin bei 40 Prozent. In Bremen haben bisher schon die Grünen, die Linke und die SPD quotierte Listen, nicht jedoch die anderen Parteien.
Eine Schwierigkeit besteht bei den Direktmandaten. Bei den meisten Landtagswahlen und für die Bundestagswahlen haben die Wahlberechtigten zwei Stimmen: eine für eine Partei (Liste) und eine für eine*n Direktkandidat*in. Da das pro Wahlkreis nur eine Person sein kann, ist es hier schon schwieriger, eine gerechte Verteilung auf Männer und Frauen zu erreichen. Hier ist wieder ein Blick nach Frankreich hilfreich. Dort wurde vorgeschrieben, dass pro Wahlkreis eine Frau und ein Mann als Duo pro Partei kandidieren. Damit die Zahl der Abgeordneten sich durch diese Regelung nicht verdoppelte, wurden die Wahlkreise vergrößert.
Gegenargumente…..
Natürlich gibt es Akteure, die Paritätsgesetze verhindern wollen. So wird zum Beispiel behauptet, durch ein solches Gesetz würde die Wahlfreiheit eingeschränkt. Und überhaupt: den Parteien könne nicht vorgeschrieben werden, wie sie ihre Listen erstellen. Dies verhindere der Grundgesetz-Artikel 21. Außerdem würde der Wahlgang durch weitere Regeln zu kompliziert und ungültige Wahlzettel seien die Folge. In der Anhörung wurde auch die Klage laut, es seien häufig trotz großer Bemühungen nicht genügend Frauen zu finden, die sich zur Wahl stellen wollten. Schließlich sei da noch die Frage des dritten Geschlechts. In Brandenburg hat die Piratenpartei Klage gegen das Paritätsgesetz erhoben mit dem Scheinargument, das dritte Geschlecht werde dadurch diskriminiert. Unterstützt wird das von der NPD. Ausgerechnet!
…. und deren Widerlegung
Prof. Laskowski stellte jedoch klar: es gibt kein absolutes Verbot von Eingriffen in die sogenannte Parteienfreiheit. Wer den Artikel 21 des Grundgesetzes genau liest, kann das selbst feststellen. Und was die Freiheit der Wahl angeht: das Volk hat überhaupt keinen Einfluss auf die Listenerstellung, das heißt „es muss seit Jahren Männer wählen“, so Laskowski. Kompliziert ist das Prozedere der Wahl in Bremen auch jetzt schon, seit die Wahlberechtigten fünf Stimmen haben und die Wahlzettel endlos lang sind. Das könne sehr vereinfacht werden. Dass sich nicht genügend Frauen für Kandidaturen finden lassen, haben Parteien wie Grüne, SPD, Linke bereits widerlegt. Wenn man früh genug anfängt, Kandidatinnen zu suchen und zum Beispiel auch Nicht-Parteimitglieder aufnimmt, würde es durchaus gelingen, geeignete Kandidatinnen zu finden. Interessant ist auch das „Gegenargument“, dass das dritte Geschlecht nicht berücksichtigt werde. Denn erstens wird es auch in den geltenden Gesetzen nicht berücksichtigt und zweitens könnten diese Personen ganz einfach auf allen Listenplätzen kandidieren.
Was tun?
Insgesamt zeigt die Diskussion: man nimmt das Gegebene als „normal“ hin und sieht nicht, dass es nicht gerecht ist und damit für „unnormal“ gehalten werden sollte. Und es zeigt sich: wenn man von gelernten Denkmustern, die man als „normal“ wahrnimmt, Abstand nimmt, ist vieles gar nicht so „unmöglich, unlogisch, nicht machbar“.
Aktuell hat der Deutsche Frauenrat die Petition #mehrfrauenindieparlamente gestartet, mit der die Parteien aufgefordert werden, das Wahlrecht zu reformieren. So soll sichergestellt werden, dass in Zukunft sowohl bei Listenmandaten als auch bei Direktmandaten Frauen und Männer zu gleichen Teilen in den Parlamenten vertreten sind. Hier könnt ihr unterzeichnen.
Übrigens: Frauen in Bremen & umzu, die sich fit für die Politik machen wollen, können im Februar und März am Mentoring-Programm: Frauen, Macht Politik! der SPD teilnehmen. Das Programm ist offen für alle Frauen, die tiefer in die Politik einsteigen wollen und sich für einen Blick hinter die Kulissen interessieren.
Irene Meyer-Herbst
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