Wer bestimmt eigentlich das Meinungsbild in der aktuellen Corona-Pandemie in Deutschland? Wer hat das Wissen, wer wird gefragt, wem wird zugehört? Und welche Rolle spielt dabei das Geschlecht?
Genau diesen Fragen gingen zwei Studien nach, die von der MaLisa Stiftung in Auftrag gegeben wurden. In der ersten Studie wurde dazu die Berichterstattung von Informationssendungen im Fernsehen im Zeitraum Ende April analysiert. Untersucht wurde, wie oft Frauen und Männer in der Fernsehberichterstattung von Corona vorkommen, in welchen Rollen und Funktionen sie zu Wort kommen und zu welchen Themen sie sprechen. Von den ermittelten Hauptakteur*innen wurden insbesondere Expertinnen in den Blick genommen.
Die Ergebnisse zeigten, dass über alle Themen hinweg auf eine Expertin gleich vier Experten kamen. Dabei gab es leichte bis mäßige Unterschiede je nach Genre der Berichterstattung sowie je nach Thema. Die Expertise von Frauen zu den Themenbereichen Pflege und Medizin war mit 17 Prozent besonders selten gefragt, und das obwohl in diesen Bereichen zum Großteil Frauen tätig sind.
Auch in den weiteren Ergebnissen traten ungleiche Proportionen zwischen der Anzahl der im medizinischen Bereich befragten und der Anzahl der dort beschäftigen Personen deutlich hervor. So war lediglich eine von fünf befragten Ärzt*innen ohne Leitungsfunktion weiblich. Im Hinblick auf Leitungsfunktionen fiel der Frauenanteil der befragten Ärzt*innen, Forscher*innen und Virolog*innen noch einmal wesentlich geringer aus. Zum Vergleich: 2018 waren 47 Prozent aller Ärzt*innen in Deutschland Frauen. Einen ähnlichen Anteil stellten sie in den medizinischen Forschungsbereichen.
Gesamt gesehen kamen in den untersuchten Medien doppelt so viele Männer wie Frauen als Hauptakteur*innen zu Wort (67% zu 33%). Ausschließlich bei Journalist*innen, Reporter*innen und Nachrichtenmoderator*innen entsprach der Frauenanteil in den Sendungen in etwa dem der Bevölkerung (52%).
Wer wird gefragt? Wer kommt zu Wort?
Eine weitere Auffälligkeit in der Repräsentativität von Frauen* in den untersuchten TV-Sendungen mit Corona-Bezug: die Wahl der Gesprächsthemen. Während am häufigsten über Politik, Wirtschaft/ Finanzen, Soziales und Medizin gesprochen wurde, kamen Gewalt in der Familie, gegen Kinder und Frauen am seltensten vor. Gewalt gegen Frauen war in dem Erhebungszeitraum nur ein einziges Mal Thema.
Ähnliche Ergebnisse zeigte in einer zweiten Studie die Untersuchung der Online-Auftritte von 13 deutschen Printmedien. Die Analyse ergab, dass insgesamt 30 Prozent Frauen und 70 Prozent Männer in den Printmedien mit Bezug zu Corona Erwähnung fanden. Weibliche Expert*innen kamen dabei zu etwa 7 Prozent vor. Der Frauenanteil an Forscher*innen lag bei 5 Prozent und Virologinnen wurden zu 4 Prozent erwähnt.
Gesamt gesehen, kamen also wesentlich mehr Männer als Frauen in der Berichterstattung über Corona vor. Mit Blick auf die Rolle der Expert*innen waren diese in den TV-Formaten nur zu einem Fünftel weiblich. In der Online-Berichterstattung waren gerade einmal 7 Prozent der Expert*innen Frauen. Zwar sind fast die Hälfte aller Ärzt*innen in Deutschland weiblich – trotzdem kamen als Mediziner*innen in den untersuchten Medien zum größten Teil Männer zu Wort. Der Frauenanteil von den im TV befragten Ärzt*innen ohne Leitungsfunktion lag lediglich bei einem Fünftel. Über Online-Berichte wie Printmedien hinweg kamen in Bezug auf Corona insgesamt zu einem Drittel Frauen und zu zwei Dritteln Männer vor.
Männlich dominiertes Meinungsbild
Daraus lässt sich schließen, dass das öffentliche Meinungsbild in Deutschland im Hinblick auf Corona stark männlich dominiert ist. Obwohl viele Frauen in medizinischen Berufen arbeiten, werden überproportional viele Männer um ihre Expertise gebeten. Das Wissen, was dadurch der Bevölkerung vermittelt wird, stammt also überwiegend aus Männerhand. Was bedeutet das hinsichtlich der Gleichberechtigung der Geschlechter? Wenn es ernst wird, werden also doch eher Männer befragt? Auch die Wahl der Themen weist auf eine Vernachlässigung von Problematiken in Bezug auf Frauen hin. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese Umstände unsere Wahrnehmung und unseren Umgang mit der Corona-Krise prägen.
Charlotte Heidebrecht
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