“Bible Bad Ass” von Edith Löhle erscheint am 4. März beim Leykam Verlag. Schon während der ersten Seiten weiß ich: Dieses Buch wird meine Gedanken noch länger beschäftigen.
Der Unterleib von Protagonistin Klara ist bewaffnet. Über Jahre hinweg aufgestaute Wut und Enttäuschung befinden sich in den Hülsen, bereit, bei dem ihr alltäglich begegnendem Sexismus abgefeuert zu werden.
Die Arbeit für das Frauenmagazin “Own” wird bestimmt durch einen schwierigen Chef und Feminismus, der nur performativ ist.
Da wird Klara auf Instagram eine Pfarrerin angezeigt, die so gar nicht dem allgemein rückständigen Bild der Kirche entspricht: In der Dusche mit Kippe, beim Ausziehen des Talars und queer. Klara möchte einen Artikel über Annina schreiben und wird bei der Recherche erstmals mit den Geschichten biblischer Frauen konfrontiert, die von der Kirche umgedeutet oder falsch übersetzt wurden.
Das Umschreiben ihres Artikels über Annina ist der Moment, als Klara ihrer Wut freien Lauf lässt und sofort beurlaubt wird. Zur gleichen Zeit meldet sich bei ihr eine unbekannte Nummer auf WhatsApp. Angeblich sind es Maria Magdalena, Lillith, Edith, Maria und weitere biblische Frauen persönlich, die sich bei Klara Gehör verschaffen wollen …
Vorstellung biblischer Frauenfiguren
Laut statista gibt es mehr als 20 Millionen Katholiken in Deutschland und über 19 Millionen Protestanten. Etwa die Hälfte davon sind Frauen. Klara glaubt schon lange nicht mehr, zu wenig konnte sie sich mit dem „alten Herren mit weißem Bart im Himmel” (S.46) identifizieren. Und zu sehr werden Männer noch immer von der Kirche bevorzugt behandelt und Frauen unterdrückt, als dass die WhatsApp-Gruppe der “Bible Bad Asses” länger schweigen könnte.
Im Laufe des Buches melden sich immer mehr Frauen der Bibel zu Wort, die ihre Geschichten korrigiert wissen wollen.
Dies geschieht im Kontext zu Klaras jetzigen Problemen und schnell ergibt sich für Leser/innen das Bild: Der Schmerz dieser Frauen ist bis in die heutige Zeit für weiblich gelesene Personen greifbar.
Bevor Maria Magdalena ihre Identität offenbart, erzählt sie Klara von den allgemeinen Ungerechtigkeiten, die Frauen durch die Bibel und infolgedessen durch die Kirche widerfahren sind. Verantwortlich gemacht für die Sünden der Welt, wurde die weibliche Sexualität als Mittel zur Kontrolle genutzt und als Waffe gegen Frauen verwendet. Sie wurden als weniger wert betrachtet und die Bibel selbst diente der Kirche, um Frauen als Gefahr darzustellen.
Durch die nachfolgenden Erzählungen von Maria, Lillith, Edith, Ruth, Rahab und weiteren Frauen wird für Klara deutlich, dass die Bibel nicht nur patriarchale Denkmuster bestärkte und so zur Unterdrückung der Frau beitrug. Sie ist zudem auch durch Sprüche wie „Zur Salzsäule erstarren“ oder „Danach kräht kein Hahn” in unserem heutigen Sprachgebrauch noch stets präsent.
Ein lockerer Schreibstil für ein ernstes Thema
Der Schreibstil von Edith Löhle ist rotzig und frech. Kapitelüberschriften wie „Der Turmbau zu Babo“ oder „Muschitation“ lockern ein Buch über biblische Geschichte so weit auf, dass es keine langweilige Kost ist, sondern als unterhaltsamer Roman mit gleichzeitiger Wissensvermittlung funktioniert. Zusätzliche Untermalung in musikalischer Form findet mit dem Zitieren von Songtexten statt, angefangen mit den „Single Ladies“ von Beyoncé, über Dua Lipa mit „New Rules“ bis zu Lizzos „Soulmate“.
Wie der Songauswahl schon anzumerken ist, entwickelt Klara sich im Laufe von „Bible Bad Ass“ weiter. Anfangs steht sie der patriarchalen Gesellschaft mit ohnmächtiger Wut gegenüber und hat ständig die metaphorisch geladene Waffe griffbereit. Mit der Zeit sieht sie sich oft in den schmerzhaften Erfahrungen der
Frauen gespiegelt, die so lange Zeit vor ihr in einer anderen Welt gelebt haben – und doch auch schon die Wunden eines sie unterdrückenden Systems in sich tragen.
Das Buch greift immer wieder Beispiel auf, mit denen eben jene Unterdrückung in ihrer Vielfältigkeit sichtbarer wird:
Die heutige Unglückszahl 13 wurde eigentlich ursprünglich der „heiligen Weiblichkeit“ (S.79) zugewiesen.
Erwähnung findet auch die Geschichte von Lillith, die heutzutage kaum noch bekannt ist: Sie wurde als gleichberechtigt neben Adam erschaffen und weigerte sich, sich ihm unterzuordnen. Ihr Ruf wurde zerstört, Klara ordnet die Erzählung von Lillith als „vorchristliches Slutshaming“ ein (S.88).
Und dann ist da nicht zuletzt der Fakt, den Annina als „skandalöseste Verzerrung in der Bibel“ empfindet: Dass Maria Magdalena nicht nur einfach die Begleiterin von Jesus gewesen sein soll, sondern ihm gleichgestellt war. (S.262)
All diese Erzählungen bestärken Klara in die Auseinandersetzung mit eigener erlebter Ungerechtigkeit zu gehen und zu erleben, dass ihre Wut konstruktiv sein kann, denn „Wütende Frauen haben immer die Geschichte verändert“ (S.67). Zum Ende wandelt sich diese Wut sogar in etwas anderes – Frieden mit der eigenen Weiblichkeit, die so lange in ihrer Daseinsberechtigung eingeschränkt wurde.
Die Autorin betont, dass das Patriarchat nicht durch die Kirche erfunden wurde, diese aber durch die Auslegung biblischer Schriften passend zum patriarchalen Narrativ den Sexismus befeuert. Außerdem werden Frauen bei der katholischen Kirche nach wie vor nicht in hohen Ämtern zugelassen.
Die evangelische Pfarrerin Annina beruht auf der Theologin Dr. Annina Ligniez. Wer an dem Vorbild für die fiktive Annina interessiert ist, kann auf der Website von Edith Löhle ein Interview mit ihr lesen.
Fazit
Wie viel Recherche in dieses Buch eingeflossen ist, lässt sich gut erahnen. Komprimiert auf nicht einmal 300 Seiten erhalten die Leser/innen zusammen mit Klara einen Crashkurs in Bibelgeschichte mit besonderem Augenmerk auf feministische Theologie.
Edith Löhle ist nicht religiös und das Buch nicht nur für Menschen, die dem christlichen Glauben angehören. Vielmehr spricht es Themen an, die zwar oft mit der Bibel in Verbindung stehen, mit denen sich aber vermutlich fast jede weiblich gelesene Person schon in ihrem Leben beschäftigen musste. Das ergibt einen erfrischenden Blick auf den Glauben und die Bibel und das auch für Leser/innen, die sich nicht mit dem christlichen Glauben identifizieren.
Svenja Fiedler
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