Mit „Was sieht Paul“ hat Anna Irmgard Jäger ihr erstes Kinderbuch veröffentlicht. Tiefgehend, liebevoll und kindergerecht beschreibt sie das Krankheitsbild des frühkindlichen Autismus. Ein Thema, das sehr viel mehr Aufmerksamkeit verdient.
Nach ihrem erfolgreichen Debütroman „Ganz normale Tage“, der auf ihrer eigenen Lebensgeschichte beruht, schreibt sie in diesem Buch über ihren Sohn Paul und gibt uns einen Einblick in ihr gemeinsames Leben. Wie bereits ihr erstes Buch, erscheint auch dieses unter dem feministischen und preisgekrönten Verlag „Marta Press“.
Die Erzählungen werden von zahlreichen Illustrationen von dem Bremer Musiker und Künstler Flo Bosum, besser bekannt als Flo Mega, unterstützt. Wie auch der Text, sind die Illustrationen liebevoll und warm gestaltet und nehmen die Leser*innen mit in Pauls Geschichte.
Was ist Frühkindlicher Autismus eigentlich?
Frühkindlicher Autismus äußert sich vor dem dritten Lebensjahr in der Art der Kommunikation, sozialer Interaktion und veränderten Verhaltensweisen. Oftmals ist auch die Entwicklung des Sprachverständnisses vermindert. In diesem Buch werden all diese Aspekte aus der Perspektive einer Mutter aufgegriffen und der Fokus liegt auf dem Verstehen und dem Umgang mit einem Kind, dass seinen ganz eigenen Blick auf das Leben hat.
Die Bremerin schreibt auf berührende Art und Weise, mit welchen Herausforderungen eine Person mit frühkindlichem Autismus tagtäglich konfrontiert wird, und fordert die Leser*innen auf, sich in die Welt des Protagonisten einzufühlen, indem seine Umgangsformen mit bestimmten Situationen, ausprobiert werden sollen. So kann man zum Beispiel seine Ohren zuhalten, um das Rauschen des eigenen Körpers zu hören oder mit den Armen flattern und tanzen, um von der Luft gestreichelt zu werden. Es ist zu spüren, wie nah die Autorin an dem Thema dran ist und wie wichtig der Aspekt des Verständnisses für sie ist.
Pauls Welt
In Pauls Welt können Waschmaschinen flüstern, Schuhe schlangenartig laufen, Straßenbahnen streicheln und wenn er jemanden besonders gerne hat, dann küsst er Ellenbogen. Seine Welt ist bunt und aufregend, und manchmal auf dem Kopf stehend aber sie ist auch laut und anstrengend und von Zeit zu Zeit einfach ein bisschen zu viel. „Paul spricht Paulnisch“ und kommuniziert auf seine ganz eigene individuelle Art, während er seinem Umfeld, und mit diesem Buch, auch den Leser*innen, eine neue Perspektive auf die Welt zeigt.
Ganz unverfälscht und sanft beschreibt die Autorin wie wertvoll Töne und Geräusche sein können und wie ein Perspektivwechsel im wahrsten Sinne des Wortes Horizonte erweitern kann. Immer wieder wird danach gefragt, was Paul sieht, was er hört, was er sagt oder tanzt. Im Anschluss werden wir in seine möglichen Gedanken eingeführt und es wird erklärt, warum Pauls Verhalten manchmal Fragen aufwirft. Es kann daran liegen, dass sein Kopf grade überall anders ist als in der aktuellen Situation oder daran, dass sein Blick auf unsere Umwelt ein anderer und neuer ist. Immer wieder bietet das Buch Strategien des Umgangs an und macht klar, dass eine Schulter manchmal das beste Trostkissen sein kann.
Ein Buch für Alle
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sich bei diesem Buch definitiv nicht nur um ein Kinderbuch ab drei Jahren handelt, obwohl es sich auch als solches eignet. Neben einfacher Sprache und wiederkehrenden Fragen, wird die Leser:in durch Anekdoten immer wieder zum Innehalten und Nachdenken angeregt, weshalb auch Erwachsene an diesem Buch wachsen können. In ihrer Danksagung spricht die Autorin davon, wieviel Lebensfreude Paul in ihr Leben bringt und diese Freude spürt man das ganze Buch über. Es ist eine Herausforderung in Kinderbüchern über Themen zu berichten, die über die kleinen Schwierigkeiten des Alltags weit hinausreichen und schwerwiegend sind. Die Autorin überwindet diese Herausforderung und klärt uns über die Krankheit ihres Sohnes auf, lässt uns gemeinsam mit Paul und ihr schwimmen, und zeigt uns einen Einblick in ihre gemeinsame Welt.
Falls ihr auch mitschwimmen wollt, könnt ihr der Autorin am 17.02 im Presseclub zuhören.
Anna K.
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