Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) wird momentan heiß diskutiert, die feministische Perspektive wird jedoch häufig ausgeblendet. Im Zuge unserer Artikel-Reihe beleuchten wir das BGE nun als mögliches Risiko für die Gleichberechtigung. Denn neben möglichen Chancen für den Feminismus, könnte es strukturelle Ungerechtigkeiten auch zementieren.

Verhärtung traditioneller Geschlechterrollen durch BGE
Das BGE wird vor allem im Bezug auf die Anerkennung unbezahlter Care-Arbeit als Chance für den Feminismus gesehen. Doch genauso denkbar wäre eine Verhärtung traditioneller Geschlechterrollen durch die Grundsicherung. Zu diesem Risiko äußert sich auch Susann Worschech in einem Paper der Heinrich-Böll-Stiftung.
„Die nicht mehr notwendige erwerbsbedingte Existenzsicherung nimmt den Zwang
zur Arbeit und bietet die finanzielle Basis für ehrenamtliche Arbeit oder Familienarbeit.
Gerade dadurch könnte sich aber der Druck insbesondere auf Frauen erhöhen,
wieder primär zu Hause zu bleiben, was eine Verdrängung von Frauen vom Arbeitsmarkt
und ihre erwerbsmäßige Marginalisierung zur Folge hätte.“ (S.41)
Gering qualifizierte Frauen würden so entweder mehrheitlich Care-Arbeit leisten, weil durch die geringe Entlohnung ein Job nicht mehr lohnenswert wäre. Oder sie würden zu noch geringeren Löhnen arbeiten. Dies würde die geschlechterspezifische Spaltung der Erwerbsbeteiligung vergrößern.
Borchers geht zwar davon aus, dass das BGE die Anerkennung von Care Arbeit steigern würde. Eine geschlechtergerechte Aufteilung wird dadurch jedoch noch lange nicht erreicht. Auch die Forscherin Ingrid Robeyns äußert sich in der Publikation „Will a Basic Income Do Justice to Women?“ pessimistisch zum befreienden Effekt des BGE:
„If it is true that a basic income will stimulate the traditional gender division of labour, as suggested by the limited empirical evidence we have, these effects will be unambiguously negative.“
Weibliche Armut könnte durch BGE steigen
Als Argument für das bedingungslose Grundeinkommen wird von Befürworter*innen der positive Effekt auf Armut, die vermehrt weiblich ist, hervorgehoben. Gegner*innen des Konzeptes befürworten jedoch einen Anstieg von Armut betroffener Menschen.
Der Armutsforscher Christoph Butterwegge bewertet das BGE als Alternative zu den jetzigen Sicherungsstrukturen gegenüber RESPEKT als unsozial. Während Reiche das Geld nicht bräuchten, wäre es für Bedürftige zu wenig (er geht dabei von einem bedingungslosen Grundeinkommen von 1000€ aus, was häufig die Summe ist, mit denen Berechnungen zum BGE angestellt werden).
Luise Clemens, Sprecherin von Verdi Bayern, argumentiert gegenüber RESPEKT, dass sich das Grundeinkommen negativ auf das Gehalt von Geringverdiener*innen auswirken kann. Denn das BGE suggeriert, das die Grundsicherung zum Überleben vollends ausreicht, unbeachtet individueller Lebenslagen.
Gesellschaft und Unternehmen könnten sich so aus ihrer sozialen Verantwortung ziehen und geringere Gehälter legitimieren. Laut einer Studie der Bundesagentur für Arbeit sind 66% Prozent der Geringverdiener*innen weiblich, eine Senkung des Gehaltes gefährdet Frauen also im besonderen Maße.
Dies zeigt: Es gilt genau hinzusehen, damit vermeintlich gerechte Reformen Ungerechtigkeiten nicht unbemerkt verstärken. Vor allem, wenn sie als Revolution angepriesen werden, kritische feministische Perspektiven dazu aber fehlen.
Pia Reiter
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