Rap fungiert als Sprachrohr, um bestehende (staatliche) Machtverhältnisse und Strukturen in Frage zu stellen. Er provoziert bewusst. Oftmals sind es junge Menschen, welche gehört werden wollen und gewollt Grenzen sprengen. Rap hilft auch dabei auf alltägliche diskriminierende Erfahrungen und gesellschaftliche Probleme wie zum Beispiel Rassismus, Umweltverschmutzungen, Kapitalismus, Kriege, Korruption, Polizeigewalt, Sexismus u.v.m. aufmerksam zu machen. Umso mehr kann Rap auch eine Chance sein, um individuelle Themen und Sorgen wie Hoffnungslosigkeit, Zukunftsängste, Existenzängste, Bedeutungslosigkeit, Drogenkonsum, Verlustängste und Versagensängste kreativ zu verarbeiten.
Rap ist raffiniert, Rap ist rau, Rap ist raumfüllend, Rap ist real, Rap ist rebellisch, Rap ist radikal und Rap ist reizvoll. Aber vor allem ist Rap facettenreich und von Grund auf politisch. Momentan erreicht Rap eine bedeutungsvolle Beliebtheit. Besonders bei jüngeren Menschen findet Rap viel Zuspruch, Anerkennung und Wertschätzung. Rap-Musik hat das Potenzial Menschen die Möglichkeit zu schenken, sich in ihr musikalisch Verwirklichen zu können. Denn man muss weder ein teures Instrument erlernen, noch jahrelangen Gesangsunterricht nehmen um (zusammen) Musik zu machen. Im Rap blühen somit Zuversicht, Hoffnungsschimmer und Spaß auf. Rap setzt sich u.a. mit Lebensrealitäten und sozialer Ungerechtigkeit auseinander, wie es diese Lines zeigen:
„Dein Chef hat’n Lambo und zahlt dir 8,50, wer ist hier Gangster?“ (Disarstar feat. Dazzit – Sick)
„Und irgendwelche FDPler in ihr’m Sommerhaus. Mit ihrem ‚Du bist deines Glückes Schmied‘ können sich ficken. Weil die war’n noch nie in meiner Straße. Ham noch nie irgendwas von diesem Leben hier geseh’n“ (Disarstar – Nachbarschaft)
Von hoher Bedeutung ist also die Frage, gegen wen sich Rap richtet. Ob diskriminierend nach unten getreten wird oder auf ausbeuterische Machtstrukturen und die da oben gezielt wird. Aber auch innerhalb der Szene gibt es verschiedene Schwerpunkte. Die einen fokussieren sich eher darauf, über Luxusmarken, Geld und wie nice sie selbst sind zu rappen, wohingegen andere genau diese Einstellung kritisieren:
„Deutschrap geht von hier gegen oben, also warum sind die Themen italienische Moden? Aber erzählt uns ruhig mehr über Louis Vuitton, ich rappe weiter über Wut und Beton“ (Hinterlandgang – Wenn wir kommen)
Rap ist jedoch nicht die Wurzel der Wut. Die Wut ist nicht durch Rap entstanden, sondern durch ungerechte gesellschaftliche Missstände. Die Gewalt, welche viele Rapper*innen in ihren Texten thematisieren, findet im echten Leben statt. In der Kunstform des Raps sprechen viele Rapper*innen somit schonungslos und unzensiert über ihre eigenen gewaltsamen Erfahrungen. Ihnen diese abzusprechen ist fatal und problematisch.
Die Fokussierung auf Rap als musikalische Quelle des Sexismus ist falsch
Triggerwarnung: Dieser Abschnitt befasst sich mit sexualisierter Gewalt und frauenfeindlichen Beleidigungen
„Du hörst Rap? Also, das ist mir ja zu asi“, vielleicht kennt ihr ja ähnliche Reaktionen darauf, wenn ihr euch über euren Musikgeschmack unterhaltet. Viele Menschen haben direkte Assoziationen zur Rap-Musik und Bilder von cis-hetero Macker-Typen im Kopf, welche Frauen als Sexobjekte ansehen und sie beleidigen. Und ja, das Zugeständnis muss gemacht werden: Rap trägt auch diese Seite in sich. Sie kommt im deutschsprachigen Rap zum Beispiel bei den frauenfeindlichen Tracks von Gzuz (Mitglied von der 187 Straßenbande) zum Vorschein:
„Bring deine Alte mit, sie wird im Backstage zerfetzt. Ganz normal, danach landet dann das Sextape im Netz“ (Gzuz – Was hast du gedacht?)
„Knall‘ sie einfach in der Parklücke weg. Wichs‘ ihr in die Fresse und frag‘ sie, wie’s schmeckt“ (Gzuz feat. Bonez MC und RAF Camora – Mörder)
„Optimal, lass sie blasen, will kein Kuss von dieser Schlampe“ (Gzuz feat. LX – Optimal)
Dies sind nur einige Auszüge aus zahlreichen sexistischen Texten im Deutschrap. Diese Lieder wurden bereits millionenfach angehört und angeklickt. Aber die alleinige Fokussierung auf Rap als musikalische Quelle von Sexismus ist falsch. Denn blickt man auf andere Musikrichtungen wie den Schlager wird offensichtlich, dass nicht nur Rap sexistische Seiten an sich hat. Die Abwertung von Rap ist somit auch immer klassistisch.
Sexismus im Schlager
Auf den ersten Blick scheint Schlager sehr harmonisch zu sein. Jedoch ist er ist in seinen Aussagen und seiner Essenz auch nicht wirklich anders oder „besser“ als einige Rap-Musik hinsichtlich Sexismus. Stellen wir uns nun eine Situation vor, die sicherlich schon die meisten erlebt haben: Die Stimmung ist meist munter, ausgelassen, angeheitert und unbeschwert wenn z.B. in Bierzelten, im Club, im Schlagerstadl oder am Ballermann mit einem Eimer Sangria laut zu sexistischer Schlagermusik mitgesungen wird. Umhüllt von süßen und sanften Melodien wird im Schlager wiederholt und ausgiebig zu Texten mit zweideutigen sexistischen Anspielungen gesungen. Im Prinzip haben solche Zeilen auch nur die Botschaft – Du willst es doch auch und bist nur zu schüchtern, um es auszusprechen. Hier ein paar Beispiele:
„Du brauchst dazu nur etwas Mut. Und wenn ich mich nach dir recke und strecke. Dann wirst du sehen, wie gut dir das tut“ (Gunter Gabriel – Komm unter meine Decke)
„Komm zum Tannenzapfenzupfen in den Wald mit mir. Maria Luise. Denn zum Tannenzapfenzupfen geh ich nur mit dir. Maria Luise. Und im Winter wenn es kalt wird. Heizen wir den Tannenzapfen ein. Aber meine große Liebe. Wird noch heißer als der Tannenzapfen sein“(Die Jungen Zillertaler – Tannenzapfenzupfen)„Und tief in ihrem Inneren verborgen. Brannte die Sehnsucht. Santa Maria (Maria), den Schritt zu wagen. Santa Maria (Maria), vom Mädchen bis zur Frau“ (Roland Kaiser – Santa Maria)
Das Argument, Rap alleine wäre für die Verbreitung von Misogynie verantwortlich und sei die einzige Musikrichtung, welche sexistisch ist, ist weder tragbar noch richtig.
Der erhebliche Einfluss von Rapper*innen
Der Einfluss von Rapper*innen kann unbeschreiblich stark sein – was Rapper*innen rappen, was Rapper*innen anhaben, was Rapper*innen essen und trinken – gleichgültig was sie machen, die meisten Fans sind fasziniert davon. Vermutlich haben schon sehr viele Menschen diese oder jene Droge ausprobiert u.a. gefördert dadurch, weil ein*e Rapper*in den Drogenkonsum verherrlicht hat. Rap-Künstler*innen können dementsprechend sehr bedeutsam für das Leben ihrer Fans sein. Sie fungieren für einige als Idole, Ikonen und Vorbilder. Aber Menschen konsumieren nicht automatisch Drogen, nur weil sie Rap-Musik hören. Viele Faktoren spielen hier eine tragende Rolle.
Bedeutungsvoll ist an diesem Punkt auch die Selbstdarstellung von Rapper*innen. Wofür stehen sie? Welche Themen tauchen in ihren Texten auf? Wenn hetero-cis-Rapper frauenverachtende Texte ins Mikro rappen, wird es von zahlreichen Fans meistens nicht in Frage gestellt sondern akzeptiert, gefeiert und (un)bewusst übernommen. Das fördert patriarchale Strukturen massiv. Denn Musik hat die Fähigkeit sich sehr stark auf das eigene Leben auszuwirken. Die Verinnerlichung und Inszenierung von Frauen als Sexobjekte im misogynen Rap ist somit ein etabliertes Produkt des Patriarchats.
Rap ist so viel mehr als purer Sexismus
Das Rap auch anti-sexistisch sein kann zeigen Künstler*innen wie: Sookee, Ebow, Die P, Haszcara, Antilopen Gang, Juse Ju, Disarstar, Lady Bitch Ray, Lazy Lizzard Gang, Haiyti, Waving The Guns, Finna, Lena Stoehrfaktor, Mc Ellebogen, Sir Mantis, Breezy, Pöbel MC, Arctic8, ErotikToyRecords, Princess Nokia, 070 Shake, AWA Khiwe und Queen Who.
Jedoch ist sexistischer Rap bislang ein fester Bestandteil der westlichen Gesellschaft geworden über den wir offen reden sollten. Pinkstinks hat im Video „Was tun gegen sexistische Raptexte“ Methoden und Wege zusammengefasst, wie ein sensibler Umgang gegen sexistische Raptexte aussehen kann. Kinder und Jugendliche, welche sexistische Raptexte hören, sollten nicht aus der Debatte ausgeschlossen und verurteilt, sondern vielmehr mit einbezogen werden.
Rap muss Menschen nicht auf ihr Geschlecht reduzieren oder wegen ihrer Sexualität diskriminieren. Er muss auch nicht kapitalistisch sein und Menschen anhand von Markenklamotten definieren. Denn erinnern wir uns an die Wurzeln und Geschichte von Rap wird deutlich, dass aus Rap eine enge Verbundenheit und ein emotionaler Zusammenhalt entstehen kann. Die Quellen des Raps liegen primär in den afroamerikanischen Protesten gegen die weiße Vorherrschaft. Aus diesem Grund ist Rap-Musik mehr als nur Spaß und Unterhaltung, sondern vielmehr ein Ausdruck für die Bekämpfung von vorherrschenden sozialen Missständen in einer rassistischen Gesellschaft. Rap hat die Fähigkeit, Menschen miteinander zu verbinden, welche sich ohne Rap-Musik wahrscheinlich niemals begegnet wären.
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