Was haben Paula Modersohn-Becker, die Stadtmusikanten und das Übersee-Museum gemeinsam? Richtig, sie alle haben einen Bezug zu Bremen. Und über alle drei gibt es einen Artikel bei Wikipedia. Sucht man in seinem Internetbrowser nach bekannten Persönlichkeiten, geschichtlichen Ereignissen oder Museen, kommt als Suchergebnis meist direkt ein passender Artikel bei Wikipedia. Wikipedia gehört zu den zehn meistbesuchten Internetseiten Deutschlands 2022. Um Wikipedia soll’s jetzt aber gar nicht gehen. Ich stelle euch nämlich das gendergerechte Internet-Lexikon Equalpedia vor.
Wer und was steckt hinter Equalpedia?
Equalpedia ist ein Online-Lexikon, das seinen Fokus auf die Sichtbarmachung von Frauen, LGBTQIA+ Personen und anderen marginalisierten Gruppen legt. Sonja Hintermeier und Karin Kraus gründeten 2018 Women Writing Wiki, nachdem sie sich intensiver mit dem Digital Gender Knowledge Gap auseinandergesetzt haben. Dieser beschreibt die digitale Wissenslücke über Frauen und andere marginalisierte Menschen und damit die Ungleichberechtigung zwischen den Gendern im Kontext von Digitalisierung und Wissenschaft. Aus dem Projekt Women Writing Wiki ging 2021 Equalpedia hervor. „Wir finden, dass die Präsenz von Frauen im Sinne des Gender Data Gaps und Gender Knowledge Gaps enorm förderungswürdig ist“, bestätigt mir Karin Kraus in einem Interview. Neben diesem wichtigen Aspekt, ging es Hintermeier und Kraus darum, nach den eigenen Vorstellungen und Kriterien arbeiten zu können. Dies sei in Wikipedia nicht möglich gewesen. Die dort herrschenden Verhältnisse stimmten nicht mit denen der beiden Gründerinnen überein. „Wir wollen nicht anonym arbeiten, sondern mit einer geordneten Redaktion. Und wir wollen mit Relevanzkriterien arbeiten, die wir wichtig und richtig finden“, erklärt Kraus. Dazu zähle beispielsweise eine wissenschaftlich fundierte Arbeitsweise zur Verfassung von Lexikoneinträgen. Dadurch, dass im Gegensatz zu Wikipedia unter Klarnamen geschrieben wird, biete Equalpedia Frauen eine Plattform zur offenen Beteiligung und Repräsentation.
Okay, wir machen jetzt unser eigenes Ding.
Mitbegründerin Karin Kraus über den Startschuss zu Equalpedia
Mit Gründungs- und Redaktionssitz in Frankfurt am Main, verfügt Equalpedia über ein Kern-Team von vier bis fünf Personen und einem weitaus größeren Pool an Autor*innen. Diese und weitere Mitarbeiter*innen sitzen deutschlandweit verteilt. Im Austausch steht das Team durch regelmäßige Video-Calls. „Wir versuchen die Treffen kontinuierlich abzuhalten und das gelingt uns eigentlich auch, weil wir jetzt schon relativ lange zusammenarbeiten und für alle klar ist, dass das Engagement hier im Moment ehrenamtlich ist“, erzählt Karin Kraus. Dies war aber nicht von Anfang an so und soll auch nicht so bleiben. Eigentlich ist vorgesehen, dass alle Mitarbeitenden einen festen Honorarsatz gezahlt bekommen. Aktuell ist Karin Kraus mit ihrem Team dabei, die eigene Vernetzung auszubauen und Geldgeber*innen und Unterstützer*innen zu finden, um diese Entlohnung sicherzustellen.
Worüber wird geschrieben?
Das erste Projekt von Equalpedia war direkt ein Großes: Das Team porträtierte die Geschichte der Frankfurter Frauenbewegung. Bekannt als Frankfurter Weiberrat entstanden Ende der 1960er Jahre zwei Frauengruppen, die die Frauenbewegung in Frankfurt prägten. Equalpedia bedient ein breites Themenspektrum, von Aktivismus bis Architektur, von Wirtschaft bis Wissenschaft ist alles dabei. Es werden sowohl Biografien geschrieben, als auch Institutionen vorgestellt. Auf der Startseite ploppen zwei Buttons auf: Sichtbar und Unsichtbar. Klickt man auf Sichtbar findet man dort alle Personen und Institutionen, über die es bereits Beiträge gibt. Hinter Unsichtbar verbirgt sich hingegen eine Liste derer, die noch über keinen Artikel bei Equalpedia verfügen.
Vieles, was durch uns dokumentiert wurde, wäre sonst vergessen.
Karin Kraus
Insgesamt gäbe es rund 50 Artikel bei Equalpedia, erzählt mir Karin Kraus. Bedingt durch den Redaktionssitz in Frankfurt am Main, ist in ihrer Arbeit ein inhaltlicher Bezug zu der Region zu erkennen. Viele der vorgestellten Personen kommen aus Hessen. „Wir sind gerade dabei, das auszuweiten. Wir haben eine Redakteurin in Bochum, die schreibt schon über Dinge, die überhaupt keinen Frankfurt-Bezug haben“, so Kraus. Geplant ist, zukünftig Autor*innen zu akquirieren, die den regionalen Kontext erweitern. Auf die Frage nach weiteren Wünschen und Plänen für die Zukunft, fielen besonders zwei Worte: Vernetzung und Verbreitung. „Wir brauchen Verkehr auf der Seite“, sagt Kraus. Es brauche Menschen, die die Artikel lesen und die Homepage besuchen, damit sich die Reichweite erhöhe.
Wie ihr selbst mitmachen könnt!
Solltet ihr nun Lust haben selbst als Autor*in bei Equalpedia tätig zu werden, könnt ihr das Kontaktformular auf der Homepage ausfüllen und absenden. „Wir haben eigentlich keine Auswahlkriterien. Es müssen Frauen sein, die sich zutrauen einen lexikalischen Artikel zu schreiben und, die auch eine Idee haben über was sie schreiben wollen“, erklärt Karin Kraus. Wer keine konkreten Ideen habe, finde unter dem Unsichtbar-Reiter eine Auswahl an Vorschlägen. Es gebe zudem wissenschaftliche Standards, die erfüllt werden müssen. Über diese Standards informiert das Equalpedia-Team auf seiner Homepage. Außerdem dienen lange, ausführliche Artikel als Orientierungshilfe.
Und, seid ihr neugierig geworden? Ein Besuch auf der Website lohnt sich allemal.
Jana Keller
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