Purple Scare, das steht für queerfeministischen Aktivismus mal anders. Das Kollektiv produziert ein Maga_Zine, das an der Schnittstelle zwischen ‚professionellen‘ Magazinen und der Do-it-yourself-Kultur von (Fan-) Zines verortet ist. Hier kommen queerfeministische Politik, Wissenschaft und Kunst zusammen. Es ist Politik in künstlerischer Form, ein Akt der Rebellion. Ein Aktivismus, der Denkanstöße gibt und patriarchale Strukturen aufbrechen will. Purple Scare ist ein vielfältiges Projekt, was nicht zuletzt daran liegt, dass viele verschiedene Menschen seit über fünf Jahren daran mitwirken. Das Maga_Zine schafft Raum für eine ganze Bandbreite an queerfeministischen Themen: Es hinterfragt normierte Körperbilder und -praktiken, schafft Sichtbarkeiten und positioniert sich generell gegen Sexismus, Rassismus und Queerfeindlichkeit. Dazu kommen unterschiedliche journalistische und künstlerische Ausdrucksformen, wie Interviews, Essays, Anekdoten, Fotografien, Gedichte, Illustrationen und Comics zum Einsatz. Aktuell arbeitet das Kollektiv an der dritten Ausgabe mit dem Leitthema Utopien und Leiden_schaften und hat zuletzt auch die Unverschämt-Reihe der Schwankhalle redaktionell begleitet.
Riot Grrrl
Die ersten feministischen Zines kommen aus der Riot Girl-Bewegung der 90er Jahre. In den USA haben zu dieser Zeit Musikbands von Frauen eine Revolution gegen das männerdominierte Musikbusiness und den alltäglichen Sexismus angestrebt, indem sie ihre Musik selbst produzierten und in ihren Texten laut und deutlich ihrem Widerstand gegen das Patriarchat Ausdruck verliehen. Aus den kleinen selbstgemachten Zines von Musikfans wurde ab diesem Punkt auch ein Medium für feministische Themen. Zines stellen mittlerweile eine besondere Form der Revolution dar und sind eine Möglichkeit, selbstbestimmt und unabhängig zu publizieren. Sie setzen sich kritisch mit dem vorherrschenden (kapitalistischen) System auseinander und bieten Menschen eine Plattform, um sich zu informieren und auszutauschen.
Wer steckt hinter Purple Scare?
Aus der Idee, unabhängig und spontan zu publizieren, ist auch Purple Scare entstanden.
Zusammengefunden haben die ersten Mitglieder des Kollektivs Anfang 2015 in den Räumen der Bremer Einrichtung belladonna-e.V. Brigitte Boomgaarden (aka Moni Lang) und Rebecca Gefken initiierten die ersten Treffen und gaben damit den Startschuss für ein halbes Jahrzehnt mit vielen aktiven Frauen, Lesben, inter*, nicht-binären, trans* und agender Personen (kurz FLINTA), die das Projekt immer wieder transformierten und es zu dem werden ließen, was es heute ist.
Was das Kollektiv ausmacht, sind immer genau die Menschen, die gerade daran teilhaben. Jede*r kann sich mit ihren*seinen Ideen, kreativen Ergüssen und der Zeit, die ihr*ihm zur Verfügung steht, einbringen und so das Kollektiv mitformen. Das aktuelle Kollektiv besteht aus Personen mit vielen unterschiedlichen FLINTA-Lebensrealitäten, die dennoch überwiegend weiß und akademisch positioniert sind.
Um noch weitere Perspektiven in ihre Arbeit mit einfließen zu lassen, hat Purple Scare für die dritte, noch nicht veröffentlichte, Ausgabe dieses Jahres einen Open Call gestartet. So soll noch mehr Raum für vielfältige Stimmen geschaffen werden.
Das wünscht sich Purple Scare für die queere und queerfeministische Szene in Bremen
Auch wenn es in Bremen viele queere und queerfeministische Projekte gibt, gibt es noch immer endlos viel zu tun.
Generell braucht es mehr bezahlte! kritische Kultur- und Bildungsarbeit, um Rückschlägen entgegenzutreten und den antifeministischen Rechtsruck zu stoppen. Lebenswelten von FLINTA müssen mehr und vor allem anerkennend thematisiert werden. Dafür müssen auch Repräsentationen geschaffen werden.
Außerdem fehlt es an Sichtbarkeit und Orten, an denen sich FLINTA austauschen können. Häufig müssen sie sich Räume erkämpfen, da Projektanträge abgelehnt werden und es an Investitionen mangelt.
In Bremen entstehen deshalb oft nur temporäre Orte oder Projekte, wie der Queer Power Month im September, das Queer Filmfestival oder die Partyreihe Maquillage. Aber nur mit langfristigen, verlässlichen Möglichkeiten lassen sich queerfeministische Orte schaffen, die sicher sind und die zu festen Anlaufpunkten werden können. Das gelingt nur mit mehr Vernetzung – auch auf politischer Ebene.
Was dabei entstehen kann, wenn queerfeministische Menschen sich Raum nehmen, um zusammenzukommen und sich zu entfalten, lässt sich auch bei Purple Scare beobachten.
Wo, wie und wann?
Die kostenlosen Zines werden meist auf einer Release-Party vorgestellt und an verschiedenen Orten in Bremen ausgelegt. Auch online könnt ihr in die beiden letzten Ausgaben reinschauen. Das Kollektiv trifft sich zur Zeit, aufgrund der aktuellen Pandemie, oft digital und sonst in einem eigenen Raum im p.ara Universum, einer Zwischennutzung von Zucker e.V.
Wer gerne mehr über Purple Scare wissen möchte, Lust bekommen hat sich auszutauschen oder Kritik, Anregungen sowie eigene Beiträge mit der Purple Scare-Redaktion teilen möchte, findet hier den Email-Kontakt.
Karolin Lammer
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