Das neue Jahr hat begonnen und ihr habt keine Lust auf Vorsätze à la dreimal die Woche ins Fitnessstudio oder 10 Kilo zunehmen? Ihr wollt den Jahreswechsel aber trotzdem zum Anlass nehmen, euch ohne Druck weiterzuentwickeln? Oder ihr habt euch klassische Vorsätze gesetzt, habt sie aber schon wieder aufgegeben? Wir haben zehn feministische Ziele für euch gesammelt – ohne Selbstoptimierungsdruck, übertriebener Disziplin und Produktivitätssteigerung – die wir im kommenden Jahr ausprobieren wollen. Wir, das sind drei Freiwillige von den frauenseiten, haben überlegt, was uns stärkt, was uns persönlich hilft und guttut und wohin wir uns weiterentwickeln wollen.
1) Stärkt euch selbst und andere FLINTA*
Wahrscheinlich kennt ihr es auch. Viele FLINTA* leiden an Selbstzweifeln: „nicht dünn/gut/schön/schlau genug“, sagt uns nicht nur täglich das Patriarchat, sondern wir uns selbst auch viel zu oft. Auch wenn es mühsam ist, lohnt es sich, einmal hinzuschauen, wie wir mit uns selber reden: Oft ist das nämlich deutlich kritischer und gemeiner als wir mit jeder anderen Person reden würden. Versucht doch mal, mit euch selbst so zu reden wie mit eurer besten Freund*in. Sagt euch selbst und anderen wie toll ihr seid, macht ernst gemeinte Komplimente, lobt euch gegenseitig für kleine und große Erfolge, unterstützt euch gegenseitig auf euren Wegen.
2) Mehr Empathie für eure Mitmenschen
Vielleicht wollt ihr in Zukunft etwas weniger von euren Mitmenschen genervt sein oder weniger patzig reagieren, wenn euch etwas nicht passt. Wir nehmen uns vor, uns häufiger in unsere Mitmenschen hineinzuversetzen. Außerdem machen wir uns immer wieder bewusst, dass jede*r eine Geschichte hat, die wir vielleicht gar nicht kennen, und dementsprechend Gründe hat, so zu handeln oder zu reagieren. In den meisten Fällen hat das nämlich gar nichts mit uns zu tun. Das bedeutet natürlich nicht, dass ihr es euch gefallen lassen sollt, wenn Menschen eure Grenzen übertreten. Wenn wir in einer Begegnung nicht so einfühlsam waren, wie wir uns das gewünscht haben, wollen wir auch mit uns selber nachsichtig sein.
3) Politisches und soziales Engagement
Ihr wollt euch mehr engagieren, wisst aber nicht wie ihr anfangen sollt? Wir haben uns zum Beispiel vorgenommen, einmal im Monat zu einer Demo zu gehen. Aber auch kleinere Dinge machen einen Unterschied, denn das Private ist politisch. Wenn ihr in einem sicheren Umfeld lebt und die Kapazitäten habt, könnt ihr im Privaten wertvolle Bildungsarbeit leisten. Ihr könnt euren Eltern erklären, warum es nicht okay ist, das Gewicht von Menschen zu kommentieren. Vielleicht braucht ein Verwandter Nachhilfe, warum er das N-Wort nicht mehr sagen „darf“. Wenn Geld kein Thema ist, bieten sich Spenden an. Wenn ihr Zeit und Energie habt, könnt ihr ein Ehrenamt ausüben oder bei einer aktivistischen Gruppe mitmachen.
4) Feministische Bildung
Ihr möchtet euer feministisches Wissen ausbauen? Je nachdem, wo ihr euch auf eurer feministischen Reise befindet, könnt ihr von Erfahrungsberichten bis hin zu feministischer Theorie lesen, Dokus schauen, feministischen Menschen und Accounts bei Social Media folgen und/oder Podcasts hören. Dazu kann auch gehören, einen Monat bewusst nur Musik von FLINTA* zu streamen oder nur Bücher von FLINTA* zu lesen. Damit unterstützt ihr gleichzeitig FLINTA*, die diesen Content kreieren.
5) Mehr Selbstfürsorge
„Für mich selbst zu sorgen ist kein persönlicher Luxus. Es ist Selbsterhalt und damit ein Akt politischer Kriegsführung.“, schrieb Audre Lorde, Schwarze Schriftstellerin und Aktivistin, 1988 mit Blick auf von Rassismus betroffene Menschen. Diese Logik gilt – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – für alle von Diskriminierung Betroffenen. Klar ist, das Patriarchat zerschlägt sich leichter, wenn es uns gut geht – so gut es eben in einer patriarchalen, kapitalistischen und rassistischen Welt möglich ist. Daher bedeutet Selfcare für uns nicht, teure, rosa verpackte Masken und Cremes zu konsumieren, sondern auf uns, unsere Körper und Gefühle zu hören und dann das zu tun, was uns guttut und Freude bereitet – unabhängig von sozialen Normen und Erwartungen anderer. Je nachdem, welche und wie viele Verpflichtungen du hast, kannst du dir zum Beispiel vornehmen, jede Woche einen Abend nur für dich freizuhalten. Oder du legst dich jeden Tag für zehn Minuten auf die Couch und tust nichts, außer deinen Gedanken nachzuhängen. Mach, was dir guttut!
6) Grenzen setzen
Grenzen setzen ist Teil der Selbstfürsorge. Wir finden diesen Punkt aber so wichtig, dass wir ihn separat aufführen. Das Patriarchat beruht unter anderem darauf, dass weiblich gelesene Menschen über ihre Grenzen hinaus Arbeiten verrichten, besonders natürlich Care-Arbeit. Daher ist es ein politischer und feministischer Akt, eigene Grenzen zu setzen und auf deren Einhaltung zu bestehen. Achte doch mal darauf, was du alles tust, weil andere es von dir erwarten oder du glaubst, dass es erwartet wird. Und dann übe auch mal, Nein zu sagen. Fange klein an und lehne, zum Beispiel, das Kuchenbacken für die Kolleg*innen ab. Denk daran: „Nein!“ ist ein vollständiger Satz.
7) Über den Tellerrand schauen
Du denkst, du bist weltoffen, aber dein Umfeld und Social Media ist ausschließlich weiß, cis, hetero und hat studiert? Dann ist es an der Zeit, bewusst über den Tellerrand hinauszuschauen. Informiere dich zum Thema Intersektionalität. Suche nach Meinungen und Stimmen von Menschen mit anderen Lebensrealitäten und Erfahrungen und höre ihnen zu. Bitte nicht falsch verstehen: Geht bitte nicht auf der Straße zu fremden Menschen, fragt sie aus und erwartet kostenlose Bildungsarbeit. Wir meinen: Sucht euch Bücher, Podcasts, Filme von und mit Menschen, die andere Erfahrungen als ihr gemacht haben. Wenn ihr cis und hetero seid, lest Bücher von queeren Personen. Ihr seid schlank: dann hört doch mal einen Podcast von dicken Menschen. Weiße Menschen könnten öfter bewusst Filme von Schwarzen Menschen schauen. Wenn ihr gesund und schmerzfrei seid und körperlich der Norm entsprecht, folgt Menschen mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten auf Social Media.
8) Besseres Verhältnis zum eigenen Körper
Du fühlst dich fast immer wohl in deinem eigenen Körper? Großartig! Wenn nicht, lohnt es sich, ein bisschen Arbeit in das eigene Körperbild und Körperverständnis zu stecken. Natürlich ist das weder einfach noch schnell erledigt. Es kann Jahre dauern, sexistische mit den eigenen Ansprüchen verwobene Ideale loszuwerden. Vielleicht hilft es dir, dir einmal klar zu machen, dass dein Leben ohne deinen Körper gar nicht möglich wäre – egal wie er aussieht. Vielleicht fängst du damit an, dich einfach so hinzusetzen wie du sitzen möchtest, anstatt darauf zu achten, dass dein Bauch keine Falten wirft. Oder du holst dir bewusst diverse Körperbilder in deinen Alltag, zum Beispiel, in dem du bei Instagram fat activists folgst.
9) Fehler machen
Hält deine Angst, Fehler zu machen, dich davon ab, Dinge auszuprobieren oder anzusprechen, die getan und gesagt werden wollen? Dann ist es vielleicht an der Zeit, deine Einstellung zu Fehlern und Herausforderungen zu überprüfen. Mach dir erstmal klar, dass Fehler zu jedem Lernprozess dazugehören, dass du durch Fehler lernst und dass sie menschlich sind. Trotzdem können Fehler Menschen verletzen, aber es gehört auch zum persönlichen Lernprozess dazu, sich zu entschuldigen. Vielleicht hast du in der Vergangenheit schon Fehler gemacht und kannst dir jetzt klar machen, dass gar nichts Schlimmes passiert ist. Nimm dir doch, wenn du das nächste Mal kritisiert wirst, etwas Zeit um zu reflektieren, ob du als Person in der Kritik stehst oder eben nur ein problematischer Satz oder ein Arbeitsergebnis. Wenn du zu Perfektionismus neigst, weil du Angst hast, etwas falsch zu machen, setze dir einen zeitlichen Rahmen für eine Aufgabe und erledige sie, anstatt Stunden an Kleinigkeiten zu feilen.
10) Fähigkeit entwickeln, die Meinung zu ändern
Als Erweiterung zum letzten Punkt möchten wir euch ermutigen, eure Meinung auch mal zu ändern, wenn ihr neue Erkenntnisse gewonnen habt. Wäre es nicht schön, wenn es normal wäre, die eigene Meinung zu ändern, wenn man etwas dazugelernt hat, und das nicht als Schwäche oder Einknicken verstanden wird? Wir finden, dass es eine wichtige Fähigkeit ist, die Meinung dem aktuellen Wissensstand anzupassen, statt darauf zu beharren. Es kann sehr heilsam sein, anzuerkennen, dass die eigene Meinung nur auf dem aktuellen Wissensstand beruhen kann und sich daher auch ändern darf. Statt euch darüber zu ärgern, was ihr vor zwei Jahren mal geglaubt oder geschrieben habt, freut euch, dass ihr etwas dazugelernt habt.
Für diese Ziele, für eure persönliche Weiterentwicklung generell, sollte immer gelten: Seid nett zu euch selbst. Auch wenn ihr euch weiterentwickeln wollt, dürft ihr akzeptieren, wo ihr jetzt steht. Nehmt euch kleine, machbare Schritte vor, statt euch mit viel zu großen Aufgaben zu überfordern. Bleibt wohlwollend mit euch und anderen, wenn etwas nicht so läuft wie geplant.
Vielleicht sind ja ein paar Ideen dabei, die ihr umsetzen möchtet. Erzählt uns gerne davon! Was gefällt euch? Wie setzt ihr eure Ziele um?
Susann
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