Triggerwarnung: Dieser Bericht beschreibt einen Todesfall. Einige Leser*innen könnten das beunruhigend und retraumatisierend finden. Lest diesen Text also nur, wenn ihr euch psychisch stabil genug fühlt.
Im Landesgericht Bremen findet von September bis voraussichtlich Januar der Prozess um den 66-Jährigen Mann aus Bremerhaven statt, der seine Lebensgefährtin durch einen Kopfschuss getötet haben soll. Wir waren bei den ersten beiden Verhandlungstagen dabei und berichten euch von dem Geschehen. Diese Berichterstattung ist wichtig, da es sich um einen mutmaßlichen Femizid handelt. „Der Begriff Femizid steht für die Tötung einer Frau aufgrund ihres Geschlechts„.
Erster Prozesstag

Der erste Verhandlungstag ist kurz. Wir sitzen in dem prachtvollen Gerichtssaal im Landgericht Bremen mit etwa zwanzig anderen Personen im Zuschauerbereich. Der Strafverteidiger sitzt bereits an seinem Platz, der Staatsanwalt ihm gegenüber auf der anderen Seite des Saals. Der noch leeren Richterbank gegenüber sitzen die beiden Nebenklägerinnen, die Schwester und die Tochter der getöteten Frau, sowie der Anwalt der Nebenklage. Nach einer Dreiviertelstunde Wartezeit im großen Sitzungssaal wird der Angeklagte am Rollator in den Saal begleitet. Ein mehrköpfiges Kamerateam nimmt das Profil des Angeklagten auf und verlässt danach den Raum. Die Richter*innen betreten den Raum, alle erheben sich zur Begrüßung. Eine neue Schöffin wird vereidigt. Dann geht es los.
Die Anklage
Der Staatsanwalt liest die Anklage vor: Der 66-Jährige soll seine Lebensgefährtin im gemeinsam bewohnten Haus in Bremerhaven mit einer Schusswaffe tödlich in den Kopf geschossen haben.
Die Notrufe
Der Richter führt im nächsten Schritt zwei Notrufe als erste Beweise vor. Die Notrufe hat der Angeklagte selbst abgesetzt, nachdem seine Frau den Kopfschuss erlitten hatte. Im Notruf ist seine Stimme teilweise schlecht zu verstehen. Er erzählt, seine Frau habe sich selbst erschossen, aber sie atme noch. Die Notrufzentrale fordert den Mann auf, die Frau in die stabile Seitenlage zu bringen. Der Angeklagte antwortet, ihm sei das zu viel Blut, und lehnt die Aufforderung damit ab.
Im Anschluss an die Vorführung des Beweises gibt es die Möglichkeit für alle Beteiligten, sich zu äußern. Niemand möchte sich äußern. Damit wird der Verhandlungstag vom Richter beendet.
Zweiter Prozesstag
Es folgt die Fortsetzung der Hauptverhandlung am zweiten Prozesstag. Pünktlich geht’s los.

Auch heute wird der Angeklagte mit Rollator an seinen Platz im Saal geführt. Bevor er sich setzt, blickt er kurz zu den Besucher*innen auf der Zuschauerbank. Die Anwält*innen der verschiedenen Parteien werden vor Beginn der Verhandlung nach Einwänden gefragt. Niemand meldet sich zu Wort. Daraufhin beginnt der Vorsitzende weitere Beweise vorzuführen. Vorweg erhalten wir den Hinweis, dass im Folgenden unzensierte Bilder von der Getöteten gezeigt werden. Die Schwester der Getöteten verlässt den Raum. Wir schauen uns fünf Videos vom Tatort an.
Das Einfamilienhaus
Die Kamera führt uns durch den Flur im Erdgeschoss zur Küche, in der die Getötete liegt. Auf dem Küchentisch liegt eine Schusswaffe, daneben das Magazin und die Patronen. Die Videos zeigen deutlich das Ausmaß an Blut um den Kopfbereich der Frau herum. Sie liegt auf dem Bauch mit dem Gesicht zum Boden. Wir beobachten, wie der Angeklagte beim Anblick dieser Aufnahmen wegsieht. Im Obergeschoss sehen wir das Schlafzimmer und ein Büro, sowie zwei andere Zimmer. Alles sieht nach Alltag aus. Das Bett ist nicht gemacht, auf dem Schreibtisch liegen verschiedenste Gegenstände und Unterlagen. Die Videos schaffen einen Eindruck vom Leben im Haus. Der Garten umschließt das Haus. Auf einer Seite steht ein niedriges Gartentor mit Blick zur Auffahrt des Nachbarhauses.
Im Anschluss zeigt der Richter eine fotografische Dokumentation des Tatorts. Die Bilder zeigen ähnliche Motive wie zuvor die Videos.
Die Urkunden
Der Richter verliest verschiedene Berichte. Einer besagt, dass drei Smartphones sichergestellt wurden, doch die Auswertungen lassen noch auf sich warten. Ein weiterer Bericht beschreibt fünf Schusswaffen, die an verschiedenen Orten im Haus gefunden wurden. In der Küche, im Vorflur und im Nachtschrank.
Eine der beiden Waffen, die in der Küche gefunden wurden, stimmt mit der Patronenhülse überein, die am Tatort gefunden wurde. Die Waffennummer war beim Auffinden nicht mehr lesbar, wurde also vermutlich zu einem vorherigen Zeitpunkt entfernt. Mit Hilfe eines chemischen Prozesses konnte die Lesbarkeit der Nummer allerdings wiederhergestellt werden. In einem Buch, das in einem Regal in der Küche steht, wurde ein Projektil gefunden. Dieses stimmte mit einer darunter gefundenen Patronenhülse überein.
Im Anschluss fragt der Richter, ob sich jemand zu den soeben vorgeführten Beweisen äußern möchte. Niemand will etwas dazu sagen. Die Sitzung ist beendet. Es wird noch lange dauern, bis wir erfahren wie der Prozess ausgeht.
Greta Petersen
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