Am Wochenende vom 08. bis 10. September fand das seit 2018 jährlich bestehende Bremer Zine Festival statt. Im Obergeschoss der Städtischen Galerie hatten Kreative die Chance ihre Werke zu präsentieren. Es gab viel zu bestaunen: Von Grafik-, Kunst-, Comic- und Musik-Fan-Zines über Polit-Zines bis zu Queer- und Postporn-Zines.
Abwechslungsreiches Programm
Neben dem Flohmarkt gab es auch Lesungen, Vorträge, Workshops sowie Abendprogramm die das Festival vielfältig gestaltet haben. Außerdem gab es einen offenen Workspace geleitet von The Rapid Publisher. Die Besucher*innen des Events werden dazu aufgerufen ein eigenes kleines Werk zu kreieren, die dann fotokopiert und in Zines integriert werden. Freitag Abend fand ein Comic Battle im Kukoon statt. Bei ausgelassener Stimmung lieferten sich 8 Teilnehmer*innen, 1 gegen 1 auf der Bühne einem Zeichen-Battle unter dem Motto „Bewurstseinserweiterung“. Wie das Thema schon verrät: Es geht um die Wurst! Zu gewinnen gab es Schnaps und vegane Wurstspieße. Die Gewinner*innen wurden, wie bei einem Slam, per Publikumslautstärke weiter gevotet.
La Fanzinothèque: Von Poitiers bis nach Bremen
Unter einem der vielen interessanten Vorträge war Gregor Martin von La Fanzinothèque. Gegründet in den 90er Jahren entstand das Archiv aus der Punk und alternativen Rock-Szene in Poitiers, eine Kleinstadt im Westen Frankreichs. Mit über 60.000 Dokumenten und 45.000 Zines sind Sie das älteste und größte Zine Archiv in ganz Frankreich und Europa. Die 2000er Jahre markierten einen Wendepunkt in der Zine-Kultur, erzählt Gregor. Sie wurden vielfältiger und integrierten verschiedene Kunstformen wie Fotografien und Grafiken. Ursprünglich drehte sich die Szene hauptsächlich um Musik, aber mit der Zeit erweiterte sie sich zu einem breiteren Spektrum kreativer Ausdrucksformen. So hat sich auch die ursprüngliche Verwendung des Begriffs „Fanzine“ in „Zine“ gewandelt, was den persönlicheren Ausdruck dahinter widerspiegelt. Die Fanzinothèque setzt sich aktiv für den internationalen Austausch ein und organisiert zahlreiche Veranstaltungen, um Menschen aus verschiedenen Ländern miteinander zu verbinden. Doch trotz dieser Bemühungen gibt es eine ständige Herausforderung: das Internet. Die Frage, ob die DIY-Kultur der Punk-Szene in einer digitalen Welt weiterhin existieren kann, bleibt bestehen.
Was macht ein relevantes Zine aus?
Gregor Martin findet ein relevantes Zine besteht aus dem Support von Punk-Kultur, die Suche nach Wegen zur individuellen und kollektiven Autonomie, die kostengünstige Produktion, freies Schreiben ohne Zensur („Wen interessieren Rechtschreibfehler?“) und die Behandlung von Themen der Underground-Kultur sowie philosophischen Fragestellungen.
Punkrock, Fanzines und Feminismus
Samstag Abend stand eine Podiumsdiskussion über Punkrock, Fanzines und Feminismus auf dem Programm. Mit dabei waren Ronja Schwikowski von Plastic Bomb, Bianca Kollinger von Okapi Riot, Giuseppina Lettieri vom Spinnboden Lesbenarchiv & Bibliothek e.V. und Renate Strümpel von frauenseiten als Moderatorin.
Die drei eingeladenen Frauen haben alle einen persönlichen Hintergrund in der Punk Geschichte. Für Bianca Kollinger steht im Vordergrund Punk zu konsumieren ohne den Anspruch zu jedem Thema ein Hintergrundwissen zu besitzen. Für Giuseppina Lettieri war Punk identitätsstiftend und hat dadurch erst den Queerfeminismus für sich entdeckt. In Zines ist Sie eher beruflich reingerutscht: Bei ihrer Arbeit im Archiv der Jugend bemerkte Sie, dass es im Archiv gar keine Kategorie für „Riot Girls“ gibt. Alle Arbeiten zu Frauen-Themen waren unter der Kategorie „Sex“ einsortiert. Bei Ronja wiederum verschwimmen persönliche Interessen und berufliche Tätigkeit. Sie achtet darauf, wenn bei Shows coole Bands mit feministischer Ausrichtung auftreten, und diskutiert mit anderen über feministische Themen. Es gibt eine wachsende Sichtbarkeit von Frauen, Lesben, Transpersonen und nicht-binären Personen auf Bühnen, Covern und in Magazinen, sagt Sie. Als weibliche Chefredakteurin und Autorin bei Plastic Bomb steht Ronja Schwikowski im Mittelpunkt: ihr gefällt diese Rolle als Besonderheit nicht und sieht es als Ausrede, dass weiterhin nur Männer portraitiert werden. Leider kommt es während ihrer journalistischen Arbeit häufig vor, dass FLINTA* (Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen) Interview-Partner*innen sich unsicher sind, ob Sie überhaupt Punk genug sind und diesen Platz verdient haben.
Wie fange ich an ein Zine zu gestalten?
Punk ist alles was in die Hosentasche passt – mittlerweile gibt es viele kreative Formate. Die drei sagen man solle einfach anfangen und sich nicht den Anspruch stellen, etwas besonderes kreieren zu müssen. Denn hinter dem Gedanken, direkt ein palettierbares Werk zu kreieren, steckt auch kapitalistisches Gedankengut. Auch ist es eine Möglichkeit Themen zu platzieren, die man nicht digitalisiert haben und anonym teilen möchte. Bianca Kollinger erhält als Feedback oft, dass Leser*innen Themen auf diese Weise viel tiefer berühren als auf online Plattformen.
Ab und zu nach links schauen!
Als persönliches Rezept für Emanzipation empfehlt Ronja Schikowski sich nicht von Mackern bevormunden zu lassen und darüber wegzusehen, als Besonderheit abgestempelt zu werden. Denn das nimmt auch den Druck als FLINTA* etwas extraordinäres gestalten zu müssen. Der Vorschuss, der dir gegeben wird, musst du nicht bedienen! Giuseppina Lettieri betont die Wichtigkeit linke Archive zu unterstützen und auch wenn historische Arbeiten oft schwer zu finden sind, sich Inspiration in der Geschichte zu suchen. Es müssen nicht immer die großen Gesichter sein: Sich ab und zu in seinem Umfeld nach Vorbildern umzuschauen, macht den eigenen emanzipatorischen Prozess greifbarer, erzählt Bianca Kollinger.
Insgesamt war das diesjährige Bremer Zine Festival ein inspirierendes Wochenende und ich habe direkt Lust bekommen selbst und gemeinsam mit anderen kreativ zu werden. Ich freue mich schon auf das Zine Festival im nächsten Jahr, die Vielfältigkeit der DIY-Kultur zu entdecken und ihre Weiterentwicklung zu verfolgen.
Martha R.
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