„Ich bin ja selber betroffen und das ist meine Motivation.“
Fadumo Korn
Betroffen von einem traumatischen Ereignis, das Fadumo Korn bis heute prägt – FGM (Female Genital Mutilation, deutsch: Genitalverstümmelung). Die Aktivistin, Dolmetscherin somalischer und deutscher Sprache, Vereinsvorsitzende von Nala e.V. und Autorin machte sich den Kampf gegen Genitalverstümmelung zur Lebensaufgabe.
Wenn sie ihre Geschichte erzählt, verstummt jede*r Chefärzt*in und Politiker*in. Denn sie beschreibt bei ihren Vorträgen, was bei FGM passiert. Es ist selten, dass eine Betroffene die Kraft und den Mut hat, öffentlich über dieses traumatische Ritual zu sprechen. Denn in den Ländern, in denen FGM alltägliche Realität ist, schweigen viele Leute.
Umso wichtiger ist Fadumo Korns Arbeit. Mit ihrem Verein Nala e.V. leistet sie Aufklärungsarbeit in Deutschland und Afrika, denn FGM ist auch ein europäisches Thema. Auch hier in Deutschland sind Frauen und Mädchen von FGM bedroht. Als Dolmetscherin baut sie mit einer großen Feinfühligkeit und Professionalität Brücken zwischen somalischen und deutschen Communities.
Fadumo Korn begleitet unter anderem Mädchen und Frauen, die sich für eine Wiederherstellung ihrer beschnittenen Vulva entscheiden und rückt auf diesem langen schweren Weg nicht von ihrer Seite.
Für ihre beeindruckende Arbeit bekam Fadumo Korn 2011 die Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland.
Vom Nomadenmädchen zur Aktivistin
Geboren wird Fadumo Korn 1964 als Tochter einer Nomadenfamilie in Somalia.
Mit sieben Jahren wird sie, wie es in ihrer Kultur üblich ist, beschnitten. Was von ihrer Familie als Fest gefeiert wird, ist für sie traumatisierend und lebensverändernd. Den Schmerz, den sie damals empfand, werde sie niemals vergessen. Bis zu dem Moment, in dem die Beschneidung durchgeführt wurde, dachte Fadumo Korn, es passiert etwas Schönes. Komplett unvorbereitet ist sie der Beschneidung ausgesetzt und stirbt fast daran.
Danach ist sie nicht mehr dieselbe. Ihr Leben wird nun von dauerhaften Schmerzen begleitet. Vorher war sie ein gesundes Kind. Sie liebte es, schnell zu rennen und fühlte sich geliebt. Doch nun hatte Fadumo Korn das Gefühl versehrt, emotionslos und von ihrer Familie distanziert zu sein.
Da sie wegen einer Entzündung kaum noch laufen kann, schickt ihre Familie sie zu einem Onkel nach Mogadischu, der Hauptstadt Somalias. Dort erlebt sie ein somalisch-europäisches Großstadtleben. Eine für sie ganz andere Erfahrung, nachdem Fadumo Korn mit ihrer Familie mit Kamelen durch die Natur zog. In Mogadischu geht sie zur Schule und beendet diese. Diese Möglichkeit erfahren nur sehr wenige Mädchen in Somalia. Ihre Schmerzen schränken sie weiter ein. Schließlich wird eine Rheumaerkrankung festgestellt, eine Langzeitfolge der Verstümmelung.
Der Onkel erkennt, dass das somalische Gesundheitssystem nicht mehr ausreicht, um sie zu behandeln und bringt sie auf den Weg nach Europa. Zunächst nach Rom, dann nach München. Sie ist nun 15 Jahre alt und lebt zunächst bei einer Familie, die sie wie eine Sklavin behandelt. Sie darf nicht mehr zur Schule gehen und erfährt keinerlei Zugewandtheit der Familie. Ihr gesundheitlicher Zustand ist weiterhin schlecht, Therapien und Operationen setzen sich fort.
Durch Glück landet sie bei einer deutsch-somalischen Familie in Augsburg, die sie mit offenen Armen aufnimmt. Mit diesen Menschen hat sie eine neue Familie gefunden, die sie Familie nennen kann. Ihr Leben nimmt eine positive Wendung, sie findet Freunde und verliebt sich. Schließlich trifft Fadumo Korn auf einen Arzt, der auf von FGM betroffene Frauen spezialisiert ist und erhält von ihm die finale Operation. Danach bessert sich ihr gesundheitlicher Zustand endlich. Von einer Heilung kann man nicht sprechen, denn FGM ist selbst mit einer Rekonstruktion nicht heilbar. Doch Fadumo Korn kann sich durch die OP wieder wohler in ihrem Körper fühlen und mit der Zeit auch wieder in Frieden mit ihrer weiblichen Identität leben.
Heute lebt sie mit ihrem Mann und Sohn in München.
Was ist FGM?
FGM steht für „Female Genital Mutilation“ (deutsch: Genitalverstümmelung).
Es handelt sich um ein lebensgefährliches operatives Ritual, bei dem die weiblichen Geschlechtsorgane entfernt oder abgetrennt werden (dazu gehört zum Beispiel die Klitoris). Dies geschieht meist ohne Betäubung. Dabei erleiden die Mädchen und Frauen unerträgliche Schmerzen, viele sind ihr Leben lang traumatisiert.
Durchgeführt wird der Eingriff in den meisten Fällen von traditionellen Beschneiderinnen unter unhygienischen Bedingungen.
Laut WHO stirbt jedes zehnte Mädchen bei oder unmittelbar nach dem Eingriff, jede vierte Frau an den Folgen.
FGM hat viele Langzeitfolgen. Die Betroffenen bekommen oft Krankheiten wie chronische Entzündungen, Blutungen, Verletzung der Organe und viele mehr. In Deutschland ist FGM strafbar, es stellt ein Verbrechen, eine schwere Körper- und Menschenrechtsverletzung dar. Dem*der Täter*in drohen nach § 226a StGB ein Jahr bis 15 Jahre Haft. Auch den in Deutschland lebenden Eltern, die ihre Töchter beschneiden lassen wollen, droht eine bis zu 15-jährige Haftstrafe.
Warum wird FGM überhaupt durchgeführt?
In vielen Ländern des afrikanischen Kontinents, aber auch in Asien und im Mittleren Osten sind Mädchen und Frauen von FGM betroffen. Es passiert, weil es in diesen Ländern zur kulturellen Tradition gehört, Mädchen zu beschneiden. Danach gelten nicht beschnittene Mädchen als unrein. Die Jungfräulichkeit schwebt über dem Dasein der Mädchen. Diese soll mit der Beschneidung erhalten bleiben.
Jedes Mädchen weiß, dass die Beschneidung eines Tages passiert, doch dieser Tag wird als ein „großer Tag“ angekündigt, an dem etwas „Schönes“ passiert. Darüber, was dabei passiert, nämlich die seelische und körperliche Zerstörung junger Mädchen, verliert niemand ein Wort. Die Mädchen und Frauen werden krank, doch die Kultur sagt, sie seien nun „sauber“.
Gegen FGM kämpfen wie eine Löwin
Fadumo Korn ist Mitgründerin des Vereins Nala e.V. Dieser setzt sich seit 2012 mit dem Motto „Bildung statt Beschneidung“ gegen FGM ein und hilft betroffenen Mädchen und Frauen. Nala ist Swahili und heißt übersetzt „Löwin“.
In erster Linie leistet „Nala e.V.“ weltweite Aufklärungsarbeit. Soziale, psychologische und medizinische Institutionen auszubauen, sowie Öffentlichkeitarbeit zu leisten und die professionelle Ausbildung von Fachleuten gehört zu den Zielen des „Nala e.V.“
Für betroffene und gefährdete Mädchen, die oft eine Fluchtgeschichte hinter sich haben, bietet Nala e.V. einen geschützten Raum.
Die Mädchen können dort Gleichaltrige treffen und lernen ihre neue Heimat und Rechte kennen. Rechte, die für sie Neuland sind. Dass eine Frau zum Beispiel emanzipiert leben und selbst über ihren Körper entscheiden darf. Die Auseinandersetzung mit und Aufklärung über den weiblichen Körper generell ist für die Mädchen etwas völlig Neues, viele hatten vorher kaum eine Vorstellung davon.
Brücken bauen
Fadumo Korn ist außerdem Kulturmittlerin. Diese Arbeit ist, wie sie selbst sagt, mehr als Sprachbarrieren zu durchbrechen. Es gehe viel um Zwischentöne, um Mimik und Gesten, auch darum, wie man in einer anderen Kultur Respekt ausdrückt. Sie möchte beide Kulturen abholen. Auch auf das Vermeiden von Fettnäpfchen komme es an. Zum Beispiel bittet sie Gynäkolog*innen, wenn ein zitterndes Mädchen vor ihnen liegt, zunächst die Hände hinter den Rücken zu legen, um ihnen zu zeigen, dass sie ihnen nicht wehtun möchten.
Ihre Biographie zum Lesen
Darüber hinaus arbeitet Fadumo Korn als Autorin. 2006 veröffentlichte sie ihre Autobiographie „Geboren im großen Regen“ und 2009 deren Fortsetzung „Schwester Löwenherz“.
Warum ist Fadumo Korn Flinta* der Woche?
Fadumo Korn ist eine inspirierende Frau, die sich auf ihrem Lebensweg vielen Herausforderungen stellen musste.
Heute nutzt sie ihre Stärke und Geschichte, um für die Rechte betroffener Mädchen und Frauen zu kämpfen. Sie schafft es, sich mit dem schlimmsten Ereignis ihres Lebens täglich auseinander zu setzen und mit ihrem Weg Hoffnung und Mut zu machen.
Ihre Mission ist es, ihre Geschichte zu erzählen, damit immer weniger Frauen eine ähnliche Geschichte erleiden müssen.
Denken wir gemeinsam an eine gerechtere gesundheitliche Zukunft für alle Flinta* am 28.Mai, dem International Women’s Health Day.
FGM Beratung und Hilfe
Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen: 08000 116 016
Ella B.
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