Mello Kanone ist eine Bremer Musikerin, die seit ungefähr zehn Jahren in verschiedenen Punkrock- und Indierockbands spielt. Sie ist E-Gitarristin, Sängerin, spielt etwas Schlagzeug und Bass und hat auch mal Keyboard und Blockflöte gespielt. Zur Zeit startet sie gemeinsam mit Team Scheisse durch und tourt durch ganz Deutschland von einem ausverkauften Konzert zum nächsten. Aber auch mit ihrer Indierockband scheitern.dreitausend veröffentlichte sie bereits ein Album und nimmt aktuell neue Songs auf. Ich treffe sie für ein Interview in ihrer WG.
Von der Blockflöte zur E-Gitarre
Mellos musikalische Karriere begann mit der musikalischen Früherziehung, dem Blockflötenunterricht in der Grundschule und einem katholischen Kinderchor. Es war also noch ein weiter Weg bis zum Punkrock und ihrer Liebe zur E-Gitarre. Fun Fact: Mello trägt ihr Kostüm aus einem Musical aus der Grundschule in dem neuen Arte TRACKS Video mit Team Scheisse. Bei ihrer Familie spielte Musik schon immer eine Rolle. Ihr Vater spielt in einer Rock-Cover-Band, die schon damals kleine Auftritte hatte, und ihre Mutter singt in einem Chor.
Mello erzählt, dass sie zwar drei Jahre Keyboard-Unterricht hatte, aber nicht besonders motiviert war, weil ihre Lehrerin sehr streng war. Ungefähr mit dreizehn Jahren fand sie dann Gitarre richtig cool und bekam von ihren Eltern ihre erste Akustikgitarre. Ihr Vater schrieb ihr alle Grundakkorde auf, die sie dann schnell lernte. Außerdem erzählt sie sehr euphorisch von dem gelben Liederbuch von Peter Bursch:
„Ich hab das durchgesuchtet! Das war ’ne geile Zeit, als ich das gelernt hab.“
Den klassischen Gitarrenunterricht fand sie aber langweilig. Und dann kam ein wenig später schließlich die E-Gitarre in ihr Leben:
„Dann meinte ich zu meinen Eltern: ‚Ich brauch ’ne E-Gitarre‘ und dann sind meine Eltern mit mir E-Gitarren shoppen gegangen und es war eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Ich hab dann eigentlich nur noch Gitarre gespielt. Immer zu meinen Lieblingsbands. Sum41 waren ganz groß. Ich konnte fast alles mitspielen von denen. […] Immer laut. In den Sommerferien war’s besonders doll. Da wurd‘ die ganze Straße beschallt.“
Mello meint, dass sich ihre damalige Liebe zum Pop-Punk immer noch in ihrem Gitarrenstil bemerkbar macht.
Mellos erste Bands
Mello hatte eigentlich schon immer musikbegeisterte Freund*innen. Am Ende der Schulzeit gründete sie dann mit zwei Freund*innen ihre erste Band, in der sie Bass spielte.
„Da hatten wir so ’nen paar Auftritte, so ganz kleine Sachen. Das war cool. Und irgendwann, so nach der Schule dann, hatte Jannis Bock auf ’ne Punkband und hat dann seine Freunde zusammengetrommelt.“
Daraus entstand die Band Wanda Jockel. Als ich frage, ob sie Musik veröffentlicht haben, sagt sie:
„Nein, das ist auch besser so. Das sollte niemand hören. Das ist wirklich unangenehm.“
Zwar hat die Band oft ihren Namen verändert, aber die Personenkonstellation blieb die gleiche. Die erste Studioaufnahme machten Mello, Jannis, Simon und Henri in Hamburg unter dem Bandnamen „The Niklas Experience“. Später nannten sie sich „Schutt“ und veröffentlichten ihre Lieder auch auf Spotify und über das Bremer „DIY-Label“ Fettherz auf Bandcamp. Die Songs haben sie alle gemeinsam im Proberaum geschrieben und aufgenommen.
Von Schutt zu scheitern.dreitausend
Heute, zehn Jahre nach der Gründung von Wanda Jockel macht Mello immer noch mit den Dreien in unterschiedlichen Kontexten Musik. Simon spielt mittlerweile Schlagzeug bei Team Scheisse und mixt die Aufnahmen. Mit Henri gründete sie 2020 scheitern.dreitausend.
Ich frage Mello, wie es zu der Bandgründung kam. Sie erzählt, dass scheitern.dreitausend entstand, weil Simon und Jannis ab 2019 nicht mehr so viel Zeit für Schutt hatten und sie sich immer öfter mit Henri zu zweit im Proberaum traf. Henri und Mello wechseln sich mit dem Singen, Gitarre- und Schlagzeugspielen ab. Die Texte werden entweder von Henri oder Mello geschrieben und sind sehr persönlich. Je nach dem: wer den Song geschrieben hat, singt und spielt Gitarre. Mello erzählt:
„Ich hab schon immer so auch eigene Lieder geschrieben auf ’ne Art. Da war das dann halt so, dass textlich oder musikalisch vielleicht auch, hat das nicht mehr in diese Punkattitude gepasst oder in das Bandkonzept Schutt vor allem hat es nicht mehr reingepasst, weil, wir haben andere Themen besungen. Bei scheitern.dreitausend geht’s ja sehr viel um uns.“
Die Songs von scheitern.dreitausend drehen sich thematisch um persönliche Unsicherheiten, psychische Gesundheit und kritische Alltagsbeobachtungen. In dem Lied „Letztens saß ich in meinem Zimmer“ singt Mello zum Beispiel: „Ich fühl mich immer so unangenehm melodramatisch, wenn ich sage, dass es mir doch nicht so gut geht, wie ich immer sage“. Musikalisch wird es auch mal schrabbelig, aber grundsätzlich ist der Sound eher dem Indierock zuzuordnen, als Punk. Ihr Album „Diese Stadt ist zu groß für uns beide“ nahmen die beiden selbst im Proberaum auf und veröffentlichten es 2022 über Fettherz.
Einen Monat vor ihrem ersten Konzert fragten sie John von der Band Frustwut, ob er Lust hat, Bass zu spielen. Mittlerweile ist er auch ein fester Teil der Band. Die drei spielten viele Konzerte in Bremen, aber auch in anderen Städten. Besonders gerne geben sie zusammen mit der Punkband Teddies Kneipe Konzerte, über die wir bereits einen Artikel veröffentlicht haben. Mello betont:
„Das sind alle Sweetmäuse, muss man mal sagen.“
Aktuell ist Mello zeitlich sehr bei Team Scheisse eingespannt, aber es werden bald endlich neue Songs von scheitern.dreitausend veröffentlicht. Sie sagt:
„Scheitern.dreitausend ist halt mein baby so. Also, wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich den Fokus auf scheitern.dreitausend legen. Bei Team Scheisse mach ich mit. Ich bin Livemusikerin bei Team Scheisse und bei scheitern.dreitausend, das bin ich, das ist meine band.“
Wie Mello zu Team Scheisse kam
Mello spielt seit 2022 E-Gitarre bei der Bremer Punkrockband Team Scheisse. Wer gerne Punkrock hört, hat mit Sicherheit von Team Scheisse gehört. Innerhalb kürzester Zeit wurde die Band so erfolgreich, dass sie mittlerweile ein ausverkauftes Konzert nach dem anderen spielen. Da sie so plötzlich und unerwartet bekannter wurden, der damalige Gitarrist Hannes aber gar keine Zeit und Lust auf große Bühnen hatte, brauchten sie für die vielen Livekonzerte eine neue Person an der Gitarre. Hannes ist immer noch Gitarrist und schreibt die Musik, spielt nur live nicht mit. Und da kam Mello ins Spiel. Seitdem geht sie mit Team Scheisse als Gitarristin auf Tour. Für die Finanzen, die Orga und das Songwriting ist sie allerdings nicht zuständig. Sie sagt:
„Ich hab‘ so best of both worlds. Ich nehm‘ die ganzen geilen Sachen mit aber hab‘ keine Verantwortung.“
Durch ihre Band Schutt kannte sie Simon von Team Scheisse. Sie sagt: „Man kennt sich in der Szene.“ Als ich genauer nachfrage, wird deutlich, dass sie mit der Szene vor allem verschiedene, miteinander befreundete Bands in Bremen meint, die sich um das „DIY-Label“ Fettherz bewegen. Mello erzählt:
„Es ist ’nen bisschen auch ’ne kleine Family. Also wir sind nicht nur Leute, die sich kennen und zusammen Musik machen, sondern ich würd uns alle auch als friends beschreiben so.“
Mir fällt auf, dass Mello die einzige FLINTA* Person in diesem ganzen Bremer Bandgefüge ist. Als ich sie darauf anspreche, sagt sie:
„Tatsächlich hat mich das gar nicht so gestört, weil das einfach meine Friends sind. […] Je älter ich werde, desto mehr ich lerne, fällt mir das natürlich auf, dass die Musikszene dahingehend, so wie viele verschiedene andere Bereiche auch halt ein Sichtbarkeitsproblem hat.“
FLINTA* Awareness bei Team Scheisse
Team Scheisse setzt sich auf verschiedene Arten dafür ein, dass FLINTA* Personen, trotz Mackern im Publikum eine möglichst gute Zeit haben. Sie machen längere Ansprachen, in denen sie gezielt Cis-Männer auffordern, sich rücksichtsvoll zu verhalten. Sie initiieren FLINTA* Moshpits und veranstalteten im Winter 2023 gemeinsam mit der Band 24/7 Diva Heaven die kleine FLINTA*- Only Tour „FLINTA* WINTA“. Außerdem casteten sie gezielt FLINTA*-Personen für die zweite Gitarre. Seitdem spielt Lulu Henn aus der Band LUNGR bei Team Scheisse.
Diese FLINTA*-Awareness ist daraus entstanden, dass immer mehr Leute sich daneben benommen haben auf den Konzerten, je größer die Band wurde. Mello sagt:
„Wir versuchen einfach, das rauszuholen, was wir können. Wir können keine perfekten Konzerte machen. Und wir können nicht gewährleisten, dass jeder ’ne gute Zeit hat. Aber wir können alles dafür tun, dass so viele Leute wie möglich das haben.“
Was deutlich wird: Team Scheisse bemüht sich, Konzerte angenehmer für alle zu gestalten. Mello sagt, dass sie zwar auch eine neue Perspektive als FLINTA*-Person in die Band bringt, aber betont auch:
„Ich glaub nicht, dass ich das alles mitgebracht hab‘, sondern wir haben ja alle Freund*innen und wir sprechen miteinander. Also die Sachen, die ich so mitbringe, sind die Erfahrungen, die ich so auf Tour mache.“
Sie erzählt weiter:
„FLINTA* WINTA ist so ’nen bisschen halt das Resultat aus FLINTA* Moshpits und diesen ganzen Learnings, dass FLINTA*-Personen einfach signifikant schlechtere Konzerterfahrungen machen oder potenziell ’ne schlechtere Zeit haben“.
Darum ist Mello Kanone unsere FLINTA* der Woche
Mello Kanone ist unsere FLINTA* der Woche, weil sie eine verdammt gute Musikerin ist. Sie hat sich nicht von der männerdominierten Punkrockszene oder gesellschaftlichen Vorstellungen von Produktivität und Leistung verunsichern lassen:
„Ich bin auf einmal sehr selbstsicher auf der Bühne. Ich weiß nicht, was ich mache, aber ich weiß, was ich kann. Und das fühlt sich gut an.“
Mello hat einfach immer weiter Musik gemacht und kann sich nun nach vielen Jahren ihren Lebensunterhalt durch ihre Leidenschaft verdienen. Dabei setzt sie sich für mehr Awareness und Rücksichtnahme bei Konzerten ein. Sie ist eine Inspiration und ein Vorbild für alle anderen musikbegeisterten FLINTA*s.
Mello, you rock!
Linnea
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