Kann das noch richtig sein? Fast jede dritte Entbindung erfolgt per Kaiserschnitt
Im Jahr 2014 wurden in den fünf Krankenhäusern mit einer Geburts-Fachabteilung im Land Bremen insgesamt 8.766 Entbindungen durchgeführt. Die Zahl der entbundenen Kinder lag insgesamt bei 8.964, wovon 8.919 Lebendgeburten waren. Solch hohe Zahlen gab es zuletzt in den Jahren 1996 bis 1998. Rund 31,5 Prozent der Kinder erblicken das Licht der Welt per Kaiserschnitt. Damit zählt die Bundesrepublik Deutschland zu den Ländern mit den höchsten Kaiserschnittraten in Europa.
In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Kaiserschnittrate in Deutschland verdoppelt. Betrachtet man die letzten Jahre, so liegt seit 2007 der Anteil der Kaiserschnittentbindungen bei durchschnittlich über 30 Prozent. Dieser Anteil ist erschreckend hoch. Eine sehr hohe Kaiserschnittrate haben im bundesweiten Vergleich Bayern, Niedersachen und Rheinland-Pfalz. Eine niedrigere Rate ist in den neuen Bundesländern zu verzeichnen. Die Kaiserschnittrate variiert innerhalb der Länder sehr stark. So liegt die Differenz zwischen 17 und 51 Prozent (Stand 2010) in den Wohnkreisen der Mütter. Wie die Statistik zeigt, hatten Hannover und Bremen im Jahr 2010 eine Kaiserschnittrate von unter 30 Prozent. Wilhelmshaven hingegen, welches im selben Bundesland liegt, hatte einen Wert von über 42 Prozent. Der Bremer Gesundheitssenator Hermann Schulte-Sasse und Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe fordern daher: „Schwangere Frauen müssen darin gestärkt werden, ihr Kind natürlich zu gebären“.
Risikofaktor: Schwangerschaft
Unzähligen Frauen und Kindern konnten dank eines Not-Kaiserschnitts das Leben gerettet werden, weshalb dieser nicht grundsätzlich abgelehnt werde sollte. Kritisch ist vielmehr zu sehen, dass einer natürlichen Geburt häufig nicht genug Zeit gelassen wird. Schwangerschaften werden viel zu häufig als Risikofaktor für die Frau eingestuft, weshalb viele sich vorschnell zu einem Kaiserschnitt entscheiden. In einer 2006 veröffentlichten Studie gaben 86 Prozent der Frauen nach einem Kaiserschnitt an, dass sie die Folgen unterschätzt hatten. Es ist daher wichtig, die möglichen Folgen zu kennen und abzuwägen. Ein weiterer Aspekt ist die Furcht vor möglichen Klagen in der Geburtshilfe. Dies führt zu vielen oft unnötigen Eingriffen und noch häufiger zum Kaiserschnitt. Das Bündnis betont, dass hier dringender politischer Handlungsbedarf besteht. Es besteht Nachbesserungsbedarf des Gesetzgebers und des Kostenträgers, sprich den Krankenkassen. Der Unterfinanzierung der klinischen Geburtshilfen kann so begegnet werden.
Problematisch ist zudem, dass die Kompetenz, Frauen bei der Entbindung aus einer Beckenendlage zu unterstützen, nicht mehr durchgängig vorhanden ist. Die Bildung eines mobilen Beckenendlagen-Teams wird angestrebt, welche bei Bedarf in Kliniken mit betroffenen Schwangeren gesandt werden kann. Doch auch Aus- und Fortbildungen müssen in diesem Bereich angestrebt werden.
Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich für werdende Mütter in den letzten Jahren erheblich verändert. Dr. Elisabeth Holthaus-Hesse, niedergelassene Frauenärztin, bemängelt, dass viele Arbeitsplätze nicht Schwangerengerecht gestaltet sind. Arbeitgeber*innen fordern die Schwangeren schnell dazu auf, eine Freistellung bzw. ein Beschäftigungsverbot bei der/dem Ärzt*in einzuholen. Dies suggeriert den Schwangeren noch mehr, dass Schwangerschaft ein anfälliger und sensibler Prozess sei und verunsichert diese.
„Hebammen für eine bessere Zukunft“
Imke Helmke ist leitende Hebamme im Kreißsaal Klinikum Bremen-Nord und beruft sich auf nationale und internationale Studien: „In der kontinuierlichen Unterstützung während der Geburt durch Hebammen liegt das Potenzial, medizinische Interventionen zu begrenzen und die Rate des Kaiserschnitts zu reduzieren.“ Eine Stabilisierung der Rolle der Hebammen in der Geburtsbegleitung ist demnach erforderlich. Nach Helmke könnte eine Anhebung des Personalschlüssels in den Kliniken dies gewährleisten. In den vier Bremer Krankenhäusern arbeiteten Ende Dezember 2014 insgesamt 92 festangestellte Hebammen in der Geburtshilfe, in Bremerhaven waren es 20 festangestellte Hebammen. Problematisch zu sehen ist, dass rund 75 Prozent dieser Hebammen in einem Teilzeitverhältnis arbeitet. Doch dies ist wieder ein anderes Thema…
Laura Frey
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