Ich liebe ihn. Er gleicht mich aus, hält mich fit und macht mich stärker. Aber manchmal frustriert er mich auch: der (Kraft-)Sport. In manchen Wochen stelle ich neue persönliche Bestleistungen auf, in anderen komme ich nicht über mein Aufwärmgewicht hinaus. Dann fühle ich mich niedergeschlagen und fange an, an mir selbst zu zweifeln. Ich frage mich, wo meine Kraft von letzter Woche hin ist. Dabei liegt die Verschlechterung meiner sportlichen Leistung in den meisten Fällen gar nicht an meiner Muskelkraft oder Ausdauer, die sich von einen auf den anderen Tag verschlechtert hat, sondern hängt mit meinem Menstruationszyklus zusammen. Denn der Zyklus kann für manche menstruierende Personen einen Einfluss auf die sportliche Leistungsfähigkeit haben.
Disclaimer am Anfang: Es gibt einige Studien, die Effekte des Menstruationszyklus auf die sportliche Leistungsfähigkeiten herausgefunden haben und einige, die dies nicht bestätigen konnten. Allgemein ist die Studienlage eher dünn. Wissenschaftlich gesehen gibt es also noch keine Einigung. Dies kann auch damit zusammenhängen, dass sich die Effekte nicht bei jeder menstruierenden Person zeigen. Hört also am besten auf Euren eigenen Körper und schaut mal, ob Ihr Unterschiede zwischen den Zyklusphasen bemerken könnt. Ich bemerke diese beispielsweise schon.
Wie sieht ein Menstruationszyklus aus?
Der durchschnittliche Menstruationszyklus beträgt im Schnitt etwa 28 Tage und lässt sich grob in zwei Phasen einteilen: die Follikularphase (FP) und die Lutealphase (LP). Diese werden durch den Eisprung (die Ovulation) voneinander getrennt. Während des Menstruationszyklus lassen sich ständig wechselnde Haushalte der primären Geschlechtshormone Estradiol (ein Östrogen), Progesteron, des follikelstimulierenden Hormons (FSH) und luteinisierenden Hormons (LH) finden.
Die erste Zyklushälfte beginnt mit dem Start der Menstruation. Diese dauert im Schnitt vier bis sieben Tage. Enden tut diese follikulare Phase mit dem Eisprung (der Ovulation), die etwa um den 14. Tag herum stattfindet. Am Anfang eines neuen Zyklus gleicht der Hormonhaushalt menstruierender Personen noch stark dem nicht-menstruierender Personen. Der Hormonspiegel von Estradiol, Progesteron, FSH und LH ist gering. Und auch die Basaltemperatur (Temperatur des Körpers im völligen Ruhezustand) ist niedrig. Mit Näherrücken des Eisprungs verändert sich der Hormonhaushalt. Estradiol, FSH und LH steigen langsam an, haben ihren Höhepunkt kurz vor oder beim Eisprung und flachen danach wieder ab. Das follikelstimulierende Hormon stimuliert das Ei, damit es zum Eisprung kommt. Das luteinisierende Hormon sorgt dafür, dass sich das Ei aus seiner Hülle herauslöst. Diese Hülle ist dann dafür verantwortlich, dass in der Lutealphase Progesteron gebildet wird.
Die Lutealphase – die zweite Hälfte des Zyklus – beginnt nach der Ovulation und endet mit dem Start der nächsten Periode. Das Progesteron im menstruierenden Körper steigt nach dem Eisprung an. Es bereitet den Körper auf die mögliche Befruchtung und Einnistung der Eizelle in der Gebärmutter vor, indem es dafür sorgt, dass die Gebärmutterschleimhaut dicker wird, damit sich das Ei im Falle der Befruchtung dort gut einnisten kann. Sollte das Ei nicht befruchtet werden, fällt das Progesteron wieder ab, die Gebärmutterschleimhaut wird abgestoßen und die nächste Blutung beginnt. Während dieser Phase lockern sich die Bänder und Sehnen im Körper. Nach der Ovulation steigt außerdem die basale Körpertemperatur um 0,3-0,5 Grad Celsius und bleibt während der gesamten Lutealphase erhöht. Erst mit Beginn der Menstruation sinkt die Körpertemperatur auf ihr vorheriges Niveau.
Neben diesen Geschlechtshormonen wirkt auch noch Testosteron im Körper. Dieses ist über den gesamten Zyklus hinweg relativ stabil und hat nur beim Eisprung einen kleinen Höhepunkt. Menstruierende Personen haben zumeist nur sehr wenig davon, es ist aber für die sportliche Leistung und den Muskelaufbau super wichtig. Neben Testosteron haben aber auch die Östrogene und Progesteron bedeutende Einflüsse auf die physische Leistungsfähigkeit.
Zyklus und Sport
Da der Wechsel von Östrogen und Progesteron neben dem Menstruationszyklus auch die körperliche Leistungsfähigkeit beim Sport regelt, ist es sinnvoll das eigene Training auf den Menstruationszyklus abzustimmen. Die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass der Zyklus nicht durch hormonelle Verhütungsmittel beeinflusst wird.
Menstruation
Während der Blutung leiden viele menstruierende Personen unter damit einhergehenden Beschwerden wie Rücken- und Unterleibsschmerzen, Niedergeschlagenheit und Müdigkeit. Ihnen ist häufig nicht nach Aktivitäten zumute, sie fühlen sich kraftlos und teilweise ist eine sportliche Betätigung gar nicht möglich. Andere fühlen sich hingegen besonders leistungsfähig und können in dieser Phase bessere sportliche Leistungen erzielen als in anderen Zyklusphasen. Es ist also für jede menstruierende Person individuell, wie viel Sport und welche Intensität sich für sie gut anfühlt.
Trotzdem ist es sinnvoll auch bei Menstruationsbeschwerden nicht komplett auf den Sport zu verzichten, da dieser die Symptome lindern kann. So kann Ausdauertraining, wie Joggen, Schwimmen oder Aerobic, mit moderater Intensität Regelbeschwerden reduzieren, denn dieses regt die Durchblutung an und lockert die Muskulatur. Und auch andere Aktivitäten mit geringer Intensität wie Yoga und Stretching bieten sich an. Auf Bauchtraining, HIT (Training mit hoher Intensität) und Umkehrhaltungen wie Kopfstand sollte allerdings verzichtet werden, da diese die Menstruationsbeschwerden verschlimmern können.
Follikelphase
In der Follikelphase ist die Basaltemperatur eines menstruierenden Körpers niedriger als in der zweiten Hälfte des Menstruationszyklus. Er kann besser mit Hitze umgehen und kommt weniger leicht ins Schwitzen. Außerdem sorgt der Anstieg an Estradiol für einen höheren Östrogenspiegel und damit für ein höheres Energielevel. Östrogene wirken anabol (aufbauend) und beeinflussen die Leitungsfähigkeit positiv. Es ist also einfacher, Muskeln aufzubauen. Deswegen ist die Phase gut für Training mit höherer Intensität geeignet. Krafttraining ist während der Follikelphase besonders effektiv und auch lange und intensive Ausdauereinheiten bieten sich hier an. Es kann insgesamt eine bessere Wirkung als in anderen Zyklusphasen erzielt werden. Diese Hochphase dauert etwa sieben bis 10 Tage an und endet mit dem Eisprung.
Eisprung
Kurz vor dem Eisprung erreicht das Östrogen Estradiol sowie auch FSH und LH ihre Höchstwerte. Dadurch sind die Voraussetzungen für Trainingsfortschritte besonders gut. Somit eignet sich auch hier intensives Kraft- und Ausdauertraining. Kurz nach dem Eisprung sinkt die Hormonkonzentration allerdings schnell wieder, die Produktion der Östrogene wird eingestellt und die von Progesteron angekurbelt. Somit kann sich innerhalb kürzester Zeit die Leistungsfähigkeit verändern. Die Lutealphase beginnt und das Energielevel sinkt. Durch die erhöhte Dehnbarkeit der Sehnen und Bänder steigt das Verletzungsrisiko. Man sollte also vorsichtig beim Training sein. Es ist hier besonders wichtig, auf seinen Körper zu hören und die Trainingsintensität zu senken, sobald die Energie nachlässt.
Lutealphase
In der Lutealphase geht es langsam wieder auf die Menstruation zu. In dieser Phase ist das Progesteron im Körper vorherrschend. Dieses wirkt katabol (abbauend). Es ist schwieriger, Muskeln aufzubauen und die erhöhte Basaltemperatur erschwert die Thermoregulation des Körpers. Das Energielevel sinkt stetig weiter ab. Dabei verschlechtern sich auch die Reaktionsgeschwindigkeit, die Koordination und die Feinmotorik. Die Bänder und Sehnen bleiben weiterhin gelockert und das Verletzungsrisiko hoch.
Es ist also von Trainings mit viel Koordinationsbedarf und in großer Hitze abzuraten. Stattdessen sollte man sich eher kühlere Bedingungen zum Sport aussuchen und die Intensität der Einheit mit dem Näherrücken der Periode reduzieren. Da die Maximalkraftfähigkeit des Körpers in der Lutealphase um bis zu 23% geringer ist als in anderen Phasen, ist es sinnvoll, beim Krafttraining eher zu geringeren Gewichten zu greifen, dafür aber mehr Wiederholungen durchzuführen. Auch Ausdauertraining kann weiterhin durchgeführt werden. Da aber auch die maximale Ausdauerleistung in dieser Phase vermindert ist und die erhöhte Körpertemperatur das Training erschwert, sollte man auch hier eher auf lockeres Training setzen und die Intensität minimieren. Viele menstruierende Menschen entwickeln im Laufe dieser Phase prämenstruelle Beschwerden. Allerdings sollte man im besten Fall trotzdem nicht auf sportliche Betätigung verzichten. Denn diese kann auch hier wieder einen positiven Effekt auf die Symptome haben.
Wie trainieren mit dem Zyklus?
Wer sein Training also auf seinen Zyklus abstimmen möchte, muss natürlich zunächst den eigenen Zyklus und die Zyklusphase ermitteln. Dies geht beispielweise mit der Messung der Basaltemperatur mithilfe eines Basalthermometers.
Die erste Zyklushälfte sollte man dann für intensive Trainingseinheiten nutzen. In dieser Phase ist auch die Erholungsfähigkeit des Körpers besser und schneller. In der zweiten Zyklusphase ist es sinnvoll, Trainingsvolumen und -intensität ein wenig zu reduzieren.
Wer nicht nur auf eine gewisse Fitness aus ist, sondern aktiv auf den Muskelaufbau hinarbeitet, der kann außerdem von einem regulären und regelmäßigen Trainingsplan auf einen zyklusbasierten Trainingsplan umsteigen. In der Follikelphase ist die Zunahme der isometrischen Maximalkraft (Haltekraft), der Muskelkraft und des Muskeldurchmessers nämlich wesentlich höher als in der Lutealphase. So hat eine Studie von Reis, Frick und Schmidtbleicher gezeigt, dass ein zyklusbasierter Trainingsplan (ZT) mit Trainingseinheiten an jedem zweiten Tag in der Follikelphase und etwa einmal die Woche in der Lutealphase langfristig eine größere Kraftsteigerung bewirkt als ein regulärer Trainingsplan (RT) mit Trainingseinheiten an jedem dritten Tag über den gesamten Zyklus hinweg (Kraftsteigerung von ZT=32,6% zu RT= 13,1%). Auf diese Art könnte man beispielweise seinen Trainingsplan auf den Zyklus ausrichten. Die Voraussetzung dabei ist natürlich, dass in jeder Einheit die gleichen Muskeln trainiert wird und die Trainingstage nicht nach unterschiedlichen Muskelpartien aufgeteilt sind.
Was ich mit diesem Artikel sagen möchte, ist jedoch nicht, dass wir jetzt alle unser Training umgestalten und zwangsläufig auf unseren Zyklus ausrichten müssen. Dies kann hilfreich sein, muss es aber auch nicht. Für jede*n funktioniert Sport und der Zyklus unterschiedlich und jede*r sollte machen, was sich individuell gut anfühlt. Der Artikel dient vielmehr der Information über einen doch eher unbekannten Nebeneffekt des Menstruationszyklus. Und auch wenn ich vielleicht einige dieser Empfehlungen in meinen Trainingsplan aufnehmen werde, weil ich meine persönliche Leistung steigern möchte, steht am Ende für mich immer noch der Spaß am Sport an oberster Stelle. Und nach dem werde ich mich auch weiterhin richten.
Lara Gathmann
Kati meint
Danke für diesen Artikel. Ich kann das Geschriebene nur bestätigen und bin froh zu lesen, dass es tatsächlich Studien und Belege zu der schwankenden Leistungsfähigkeit gibt. Auch habe nämlich schon oft deshalb an mir gezweifelt und mich gefragt, ob ich auf den Körper hören soll (er gewinnt ja am Ende sowieso) oder mich zum Training „peitschen“ soll.
Wieder was gelernt und beruhigt bzw motiviert, den erwähnten Trainingsrhythmus auszuprobieren. Danke!