Waren Sie schon einmal verliebt? Befinden Sie sich vielleicht gerade in einer Beziehung? Oder fragen Sie sich, warum Dating Apps für Sie selten zu einer permanenten, stabilen Beziehung führen? Selbst wenn Sie zu all diesen Fragen nein antworten, ist „Modern Heartbreak“ (Leykam Verlag) von Laura Melina Berling ein Muss.
Worum geht es?
Sowohl moderner Herzschmerz, als auch die moderne Liebe sind schwierige, verflochtene Themen mit tiefen Wurzeln. Diese werden in dem neuen Werk der Autorin entknotet. Berling berichtet auf intime Weise von eigenen Dating- und Lebenserfahrungen, die für Leser oft schmerzhaft nachempfindbar sind. Seien es Partner*innen, die keine engen Bindungen eingehen wollen, das Paradox der Selbstliebe, der Markt, der die Liebe kapitalistisch für sich vereinnahmt hat oder die toxischen Geschlechterklischees, die jedem*r bestimmte Rollen in einer Beziehung zu teilen – die junge Autorin greift all diese Themen auf und verbindet sie in einem Rundumschlag zur Liebesproblematik unserer Zeit. Ist es möglich feministischer und rollenkritisch zu lieben?
Die Autorin
Laura Melina Berling ist besonders bekannt durch ihre Instagram Seite (@littlefeministblog), auf welcher sie sich mit unter zu feministischen, queeren und gesellschaftlichen Themen äußert und austauscht. Neben ihrer Socialmedia Kariere ist Laura, auch Lina genannt, als Sozial- und Theaterpädagogin tätig und hat bereits zwei Jugendbücher vor „Modern Heartbreak“ veröffentlicht. Auf die Frage, wie sie darauf gekommen ist über das komplexe Thema Liebe zu schreiben, antwortete die junge Autorin:
„Ich habe mich dazu entschlossen dieses Buch zu schreiben, da das Thema Liebe, bzw. auch Liebeskummer sehr zentral in meinem Leben ist. Auch aus der feministischen Perspektive hadere ich immer wieder mit den Vorstellungen, die mir beigebracht wurden. Seien es Geschlechterklischees oder überhöhte romantische Vorstellungen. Ich wollte herausfinden, woher diese Ideen kommen und wie wir besser lieben können.“
Was ist Liebe überhaupt?
Die Liebe kennen wir doch eigentlich alle – perfekter romantischer Kitsch, der sich an einem festklebt wie Zuckerwatte, im Grunde das Beste was einem passieren kann. Man geht auf süße Dates, schenkt sich gegenseitig Rosen und Schokolade und verspricht sich ewige Liebe. Wir alle sind mit der unrealistischen Disney Vorstellung der meist thematisiertesten Emotion groß geworden und haben sie verinnerlicht. Wer will schon keinen Märchenpartner, wie in Rom-Coms oder Märchen? Wir sehnen uns nach dem Kribbeln im Bauch, der Aufregung, der Intimität, dem Wissen, dass wir für jemanden die Priorität sind.
Es ist eine komische Mischung aus Idealisierung, Kindheitsgeschichte, Sozialisation, Gesellschaft, Kapitalismus, schlimmen Konzepten, neoliberaler Datingmentalität, Heteronormativität, Sex und Küssen, Kuscheln, schönen Gefühlen, Sehnsucht und Nähe. (S. 14)
Diese rosa Brille der Kindheit verlieren wir recht schnell, denn tatsächlich eine gleichberechtigte Beziehung zu führen ist gar nicht so einfach. So berichtet „Modern Heartbreak“ davon, dass durch Stereotypen von männlich und weiblich in hetero Beziehungen (welche leider in unserer heteronormativ denkenden Gesellschaft fundieren), meist ein Ungleichgewicht zwischen den Partnern entstehen würde. Die eine Seite ist nicht in der Lage emotional und sensitiv zu sein, die andere übernimmt die gesamte Care Arbeit in Beziehung und Familie. So könne eine glückliche Liebe laut der Autorin nicht funktionieren.
Wir stellen der Autorin die Frage, wie Konzerne wie Disney Beziehungen zukünftig porträtieren sollten:
„Es ist wichtig zu zeigen, dass auch andere Beziehungen in unserem Leben wichtig sind, dass die Liebe kein ewiges Glück bedeutet und auch Trennungen normal sind.“
Rollenklischees, der Ursprung des meisten Modern Heartbreaks
Besonders einprägend ist Laura Melina Berlings Fazit, dass für eine Verbesserung der Liebe, es ein Umdenken von den Stereotypen Mann und Frau braucht. Ansonsten herrscht ein vorprogrammiertes Macht Gefälle in heterosexuellen Verhältnissen. Es herrscht die Vorstellung von einem starken, emotionslosen Mann – dem Versorger. Die Frau müsse die Rolle der Fürsorgerin, der emotionalen übernehmen. Diese Idee wird kleinen Mädchen bereits mit Spielzeug gegeben. Nicht selten werden bei Trennungen oder dem Nichtvorhandensein von Beziehungen den Frauen die Verantwortung zugeschoben. Der Partner hat einen betrogen? Dann war man wohl nicht schön genug. Sprüche wie „Liebe dich selbst, bevor du jemand Anderen liebst!“ geben Frauen subtil die Schuld für das Versagen in Beziehungen zu, wobei doch immer mindestens zwei Seiten beteiligt seien müssen. Männer können wenig falsch machen in Beziehungen, Frauen alles.
Wer stellt Harmonie her oder versucht das Leben des anderen zu erleichtern? In heterosexuellen Beziehungen sind es häufig die Partnerinnen/Mütter. Viele Männer verweigern sich einer Therapie, auch wenn sie große Probleme haben. Dieses Leid tragen sie dann selbst, aber ebenso die Menschen in ihrer Umgebung. (S. 147)
Zusätzlich dazu würden cis Männer dazu tendieren Sex mit vielen Frauen als ein Statussymbol der Männlichkeit anzusehen. Feste Bindungen sind weniger beliebt. Wenn man sich nun wie die Autorin aber für eine feste Bindung, oder eine offene und hingebungsvolle Kommunikation wünscht, wird das meist als emotional abgetan. Wenn Beziehungen nicht gut laufen, ist das die Schuld der Frau, denn die sollen sich um die Fürsorge und die gute Stimmung kümmern. Wie soll eine Beziehung wie in den Märchen da zustande kommen?
Die online Jagd nach dem Glück
Online Dating wird immer beliebter. Die wahre Liebe vom Sofa aus ohne Stress finden? Kein Problem! Vielleicht einen One night stand? Auch das lässt sich einrichten. Es ist fast wie ein Spiel. Nicht selten öffnen Freunde auf langweiligen Partys Tinder und man guckt sich gemeinsam Menschen an und bewertet sie. Selten schaut man aber hinter die Kulisse des Aussehens auf den wahren Charakter der Person. Je einfacher das Online Dating, desto schneller werden Menschen in Schubladen geschoben, reduziert auf ihr Äußeres und diskriminiert.
Ausschlüsse sind für die, die sie nicht erleben, nicht spürbar und wenn wir anderen nicht zuhören, Erfahrungen von Diskriminierung nicht anerkennen, machen wir sie unsichtbar und verstärken sie. (S. 167-168)
Die unglaublich große Auswahl habe aber auch große Unsicherheiten zur Folge. Zusätzlich zu der Belastung, dass Frauen die Verantwortung für Beziehungen tragen sollen, kommt die Frage ob man denn tatsächlich nicht gut genug ist. Was ist, wenn der Partner/in plötzlich doch noch jemanden findet, der besser passt. So schreibt auch Berlog: „Oft habe ich das Gefühl, Menschen, die ich date, haben einen ganzen Supermarkt an weiteren Dates auf dem Handy und ich ebenso.“
Die Rezension
Laura Melina Berling hat ein Buch geschrieben, dass es in sich hat. Das Lesen fühlt sich an, wie ein Gespräch mit einer älteren, erfahreneren Schwester. Es entsteht eine gewisse Bindung zur Autorin. Das kommt mitunter durch die unglaublich offene und mutige Art, wie Lina von eigenen Erfahrungen berichtet. Wir fragten nach, ob sie als Bloggerin Befürchtungen oder auch Ängste vor Hate beim Verfassen des Buches hatte:
„Ja, die hatte ich bzw. habe ich immer noch. Das Buch macht mich sehr angreifbar und leider ist es immer noch so, dass schlechte Erfahrungen in der Liebe aufs Individuum geschoben werden. Natürlich gibt es eine individuelle Komponente, aber Liebe geht auch aus Strukturen hervor und die sind immer noch oft patriarchal. Liebe scheitertet auch an den gesellschaftlichen Umständen.“
Besonders interessant waren die psychologischen Einblicke in Beziehungssystematik. Laura Melina Berling beschreibt, wie insbesondere Tod und Verlust – eigentlich Themen, die man nicht mit Liebe verbindet – das eigene Liebesleben prägen können. Das Buch ähnelt einem Lexikon für feministisches Dating und hat das Potenzial die Haltung zur Liebe von vielen zu verändern. Mit einer verständlichen, lockeren Sprache werden die komplexe Analysen zu einem angenehmen Lesefluss. Fachbegriffe werden in einem Glossar erläutert. Der Aufklärungswert des Buches ist sehr hoch. Die Autorin empfiehlt mehrfach weitere Werke, wie auch ‚Das Ende der Ehe‘ von Emilia Roig. Illustrationen von Irem Kurt untermalen die wichtigen Inhalte. Hervorzuheben ist auch besonders die Selbstreflektion der Autorin und ihr Umgang mit Inklusion von Queerness und gender fluidity.
Fazit
Ich habe dieses Buch von meinem Praktikum als erste Aufgabe bekommen. Wirklich überzeugt war ich nicht. Ich muss direkt ein ganzes Buch lesen? Über die Liebe? Ich hatte doch noch nicht mal meinen ersten Kuss, geschweige denn eine Beziehung. Was soll das denn bringen? Ich habe mich geirrt, denn ‚Modern Heartbreak‘ ist so viel mehr als ein Ratgeber für bessere Beziehungen. Es öffnet einem auch die Augen für die eigene Psyche und enthüllt die wirkliche Tiefe von Misogynie und dem Patriarchat. Ich lege „Modern Heartbreak“ nun wirklich allen ans Herz, egal ob es bereits gebrochen wurde oder nicht. Egal ob man gerade eine Beziehung führt oder ob man gar keine will. Egal mit welchem Geschlecht man sich identifiziert. Vielleicht können wir dann wirklich von unserem verdrehten Liebesbild abkommen und gemeinsam für glücklichere, ausbalancierte Beziehungen einstehen.
Ich würde gerne mit einem Ratschlag der Autorin schließen, der sich mitunter an junge Menschen wie mich richtet, die noch kaum Kontaktpunkte zu Liebe und Sexualität hatten:
„Geht fürsorglich miteinander um. Liebe kann leider sehr verletzlich für viele Menschen sein. Es ist wichtig, dass wir gut aufeinander achten, uns auf Augenhöhe begegnen und miteinander sprechen. Auch wenn es schwierig wird. Wir alle haben Fürsorge verdient. Zu viele Beziehungen sind mit Gewalt und Abwertung verbunden, obwohl es das eigentliche Gegenteil von Liebe ist.“
Vivien S.
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