Schwangerschaft. Glückseeligkeit. Geburt. Hormonabfall. Schlafmangel. Kindergeschrei. Überforderung. Verzweiflung. Hilflosigkeit. Selbsthass. Depression. So oder so ähnlich ergeht es 10 bis 15 Prozent aller Gebärenden, wenn sie unter einer postpartalen Depression (PPD) leiden. Schuldgefühle und die Sorge, mit der Verantwortung für das Kind und ihren Problemen allein dazustehen, begleiten die Betroffenen täglich. Was eine postpartale Depression ist, welche Auswirkungen sie hat und wie die Lage zu Anlaufstellen in Bremen aussieht, erfährst du hier.
Um über diese spezielle Form der Depression zu informieren, findet in der Bremischen Zentralstelle der Landesfrauenbeauftragten (ZGF) am Mittwoch, den 21. Februar 2024, eine Podiumsdiskussion mit Expert*innen zum Thema statt.
Maximale Überforderung – auch genannt: postpartale Depression
Allgemein bekannt ist die postpartale oder postnatale Depression als „Wochenbettdepression“, die innerhalb von vier Wochen nach der Entbindung des Kindes eintritt. Sie ist eine der häufigsten nicht-geburtshilflichen Komplikationen nach der Entbindung und kann auch beim nicht-gebärenden Elternteil auftreten. Dennoch leiden vor Allem Mütter unter PPD. Sie weisen ähnliche Symptome auf wie bei einer depressiven Episode. Meist fühlen sie sich unglücklich, haben weniger Appetit, finden kaum Spaß an Hobbies und Interessen. Zudem haben die Betroffenen Probleme beim Schlafen, fühlen sich müde, schlapp, wertlos und schuldig, können sich schlecht konzentrieren und haben teilweise Suizidgedanken.
Als wäre das nicht genug, schließen sich diesen negativen Gefühlen noch weitere Sorgen an, die eine PPD von einer depressiven Episode abgrenzen. Die betroffenen Mütter können ambivalente Gefühle ihrem Kind gegenüber entwickeln und haben Schwierigkeiten, eine emotionale Beziehung zu ihrem Kind aufzubauen. Weiterhin zweifeln sie ihre eigenen mütterlichen Qualitäten an und haben Schuldgefühle dem Kind gegenüber. Eine PPD kann sogar zu Zwangsgedanken führen, dem Kind etwas anzutun.
Es treten zwar nicht gezwungenermaßen alle Symptome gleichzeitig auf, dennoch zeigen sich bei vielen Müttern mindestens fünf dieser Anzeichen. Erst dann kann eine postpartale Depression diagnostiziert werden. Das ist eigentlich auch nicht verwunderlich. Denn mindestens so überfordert wie du dich vermutlich beim Lesen aller Symptome gefühlt hast, ergeht es Müttern bei der Geburt ihres Kindes. Von einer Sekunde auf die andere sind sie nicht mehr „nur“ Frauen, sondern Mütter, Erziehungsberechtigte und Verantwortliche für ein Menschenleben, das sie selbst über neun Monate hinweg in ihrem Körper geschaffen haben. Hinzu kommt, dass sie nicht einfach nur erstaunt und überfordert von dieser Rollenänderung sein dürfen – nein. Sie sollen sich auf jeden Fall darüber freuen und dankbar sein, sollen ihr Kind über alles lieben und die Erfüllung ihrer Lebensaufgabe in der Geburt gefunden haben. So sieht es zumindest der gesellschaftliche Konsens vor.
Häufig wird PPD mit dem sogenannten „Babyblues“ verwechselt. Von diesem sind 40 bis 80 Prozent der Mütter betroffen. Durch den starken Hormonabfall fühlen sich viele Mütter innerhalb der ersten zwei Wochen nach der Geburt des Kindes niedergeschlagen. In der Regel klingt der „Babyblues“ binnen weniger Stunden oder Tage von alleine wieder ab, wohingegen eine PPD mehrere Wochen anhält. Daher kann die Verwechslung beider Krankheitsbilder verheerende Folgen nach sich ziehen. Denn wenn PPD nicht ernst genommen und demnach nicht behandelt wird, kann sie zu einer chronischen Depression werden und viele Monate oder sogar Jahre anhalten.
Warum hilft niemand meinem Kind und mir?
Die meisten Mütter leiden aufgrund der*s Neugeborenen unter Schlafmangel und sind weniger flexibel in der Gestaltung ihres Alltags. Sie müssen sich an die veränderte berufliche und finanzielle Situation gewöhnen. Wenn sie sich in einer Paarbeziehung befinden, wird diese ebenfalls durch das Hinzukommen eines weiteren Familienmitglieds massiv beeinflusst. Ungefähr 50 Prozent der Mütter sind ungewollt schwanger geworden. Einige Gebärende hatten Komplikationen bei der Schwangerschaft oder während der Geburt. Es kann vorkommen, dass ihr Kind erkrankt oder ein anspruchsvolles Temperament in den ersten Lebensmonaten hat. Es gibt unglaublich viele Gründe, nach der Geburt des Kindes eine Depression zu entwickeln, weshalb das Risiko dafür doppelt so hoch wie in anderen Lebensabschnitten ist.
Nicht nur die Mutter, sondern auch das Kind kann stark unter der PPD der Mutter leiden. Wenn eine Mutter aufgrund ihrer Depression dem Kind weniger Aufmerksamkeit schenkt, reagiert das Kind auf das abweisende Verhalten der Mutter. Das Neugeborene vermeidet daher häufig Blickkontakt, wendet den Kopf ab, weint vermehrt und spielt weniger aktiv. Die Entwicklung des Kindes kann durch PPD verzögert werden. Das zeigt sich in einem schlechteren Sprachvermögen oder einem niedrigeren IQ. Das Kind kann Verhaltens- und sogar physische Probleme entwickeln, indem das Wachstum beeinträchtigt wird oder die Anfälligkeit für Infekte erhöht ist.
PPD ist gut zu behandeln, wenn sie erkannt wird, doch bereits darin kann die Schwierigkeit liegen. Viele Mütter schämen sich für ihre Gedanken und Gefühle, da depressive Symptome durch die Geburt des eigenen Kindes nach wie vor ein gesellschaftliches Tabuthema sind. Wenn sich Mütter alleingelassen fühlen und ihnen bei der Kinderbetreuung wenig Unterstützung entgegengebracht wird, kann dies die Gefahr, an PPD zu erkranken, zusätzlich erhöhen. Daher ist es wichtig, Müttern mit Neugeborenen Unterstützungsangebote und auf Mütter angepasste Therapieplätze zur Verfügung zu stellen. Das ist vor allem dann notwendig, wenn der familiäre Rückhalt fehlt.
In Bremen ist noch viel Raum für Verbesserung
In Bremen mangelt es an Angeboten für Mütter und Kinder. Mütter, die von PPD betroffen sind, sind in der Regel zu zweit unterwegs. In Bremen gibt es allerdings keine auf Mütter und Kinder angepassten stationären Therapien. In anderen Bundesländern existieren bereits Mutter-Kind-Einheiten in stationären Versorgungseinrichtungen. Aus diesem Grund ist es höchste Zeit für Bremen, nun nachzuziehen.
Die Not der Mütter und die Versorgungsengpässe in Bremen werden am Mittwoch, den 21. Februar 2024 bei einer Podiumsdiskussion thematisiert. Veranstalter*innen sind das Netzwerk Seelische Gesundheit rund um die Geburt, die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz sowie die ZGF. Der Titel der Veranstaltung lautet „Seelische Not rund um die Geburt – Herausforderungen für die Versorgungsstruktur in Bremen“. Sie findet in der ZGF, Faulenstraße 14-18, 17 Uhr statt. Es wird um eine Anmeldung über anmeldung@frauen.bremen.de gebeten.
Wenn du vermutest, du könntest unter einer postpartalen Depression leiden, dann wende dich jederzeit und kostenlos an die Telefonseelsorge unter 0800 / 111 0 111. Außerdem kannst du dich an pro familia Bremen wenden. Eine weitere Hilfe kann die Plattform Smart Moms sein.
Karoline N.
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