Zum feministischer Kampftag am 8. März 2022 tritt Lisaholic zusammen mit Ravi Kuma in der Schwankhalle Bremen auf. Selbst ironisch und frech rappt die Musikerin zu selbst abgemixten Beats auf der Loop-Station. Von Oldschool HipHip bis Happy Hardcore: Lisaholics Sound ist so umfangreich wie die Briefkartensammlung deiner Großeltern. Sie mischt Impro und Abwechslung mit perfektionistischen Anspruch. Im Interview erzählt uns die deutschsprachige Rapperin und Beatboxerin von den Anfängen ihrer Musik und dem Flow einer gelungen live Impro-Session. Wenn ihr einen Vorgeschmack auf Lisaholics Musik bekommen wollt, dann checkt mal ihre aktuelle EP aus.
Was liebst du an deiner Musik?
Ich mach ja diese live-loop-Sachen. Daran liebe ich, dass sie so nerdig sind, das ist schon so ein Handwerk.
Was hat dich dazu gebracht, genau diese Musik zu machen?
Es hat sich quasi organisch ergeben. Ich wollte rappen, das war klar. Ich habe vorher Singer-/Songwriter-Zeug mit einem Kumpel gemacht. Der war Cajón-Spieler und ich finde auch, wir waren ziemlich gut, aber es kam nicht beim Publikum an. Als ich dann angefangen habe mit synthetischen Sounds, mit der Loop-Station solo zu arbeiten und zu rappen, war die Musik am Anfang qualitativ noch viel schlechter, aber es hat komischerweise sofort funktioniert. Ich würde wahrscheinlich andere Musik machen oder ganz normal auf Beats rappen, wenn ich gewusst hätte wie. Aber da ich das vor 5/6 Jahren nicht wusste, habe ich angefangen zu loopen. Denn das war der direkteste Weg, um einen Beat zu bekommen. Ich wusste nicht, wie man sich Beats baut und ich mir ein digitales Programm dafür auf dem PC aufsetzte, und ich hätte auch nicht die Leute gehabt, die mir das zeigen. Ich wusste von Loop-Maschinen und dann hab ich mir tatsächlich Unterricht geholt, 3 Stunden von so einem Beatboxer, und der hat mir gezeigt, wie man die benutzt.
Was findest du so cool daran live Impro-Sessions zu machen?
Bei den Auftritten passieren so Flow-Momente tatsächlich seltener als zu Hause beim Proben. Und auch nur, wenn es läuft und wenn ich wirklich improvisiere. Vieles wiederhole ich auch wieder, weil es sich bewährt hat. Das ist dann weniger Impro als schon Arrangement, quasi. Aber wenn es wirklich Impro ist, es sich spontan im Moment ergibt und flow und tight ist, ist das einfach ein geiles Gefühl. Und wenn das Publikum das merkt und man zusammen flowt, das ist schon das Beste… Aber es sind tatsächlich immer so einzelne Momente. Grundsätzlich find‘ ich’s schon sehr anstrengend und bin gestresst wegen meinem perfektionistischen Anspruch. Aber eigentlich geht’s um diesen Flow, der nur entstehen kann, wenn man mal locker lässt und checkt, dass es Perfektion nicht gibt. Sagen wir, ich liebe es, aber ich kämpfe auch damit.
Ja, so mit Perfektionismus und Impro, das ist schon eine krasse Kombi…
Deswegen ja die Impro. Ich will eigentlich die ganze Zeit mehr in die Impro, in den Freestyle, aber ich bin in meinem Kopf total strukturiert und perfektionistisch und versuche mich dadurch umzupolen.
Wie würdest du deine Musik so in drei Worten beschreiben?
Das kann man jetzt auf zwei verschiedene Weisen tun. Entweder man beschreibt sie als beatbox, live-loop und Rap. Oder man macht es mit Adjektiven, was natürlich viel aussagekräftiger ist. Dann würde ich sagen sie ist unperfekt, also durch die Impro. Unkonventionell, da es ja so ein bisschen aus dem Rahmen fällt. Und das dritte, ich würde sagen nerdy.
Warum nerdy?
Um diese live-loops tight auf der Bühne so hinzukriegen, um den Spannungsbogen zu halten, muss man sich viele Gedanken machen, z.B. welchen Knopf man jetzt als nächstes drückt. Das musste ich einfach jahrelang einüben, damit es so funktioniert, wie es aktuell funktioniert.
Also hast du das Unperfekte für dich selbst perfektioniert?
Jaa. (lacht)
Das Konzert findet ja in Bremen am Internationalen Frauentag statt. Warum passt gerade deine Musik dazu oder du als Künstlerin?
Also an der Frage reibe ich mich ja immer. Ich finde, meine Musik ist an jedem Tag passend und deswegen natürlich auch am Frauentag. Aber klar, weil ich als Frau gelesen werde und mich auch so definiere, werde ich ausgewählt da zu spielen. Aber mehr Bedeutung hat es für mich eigentlich nicht.
Setzt du dich denn aktuell für die Rechte von FLINTA*-Personen und/oder feministische Themen ein?
Ich würde sagen, automatisch ja, aber nicht durch meinen eigenen Impuls. Inhalte meiner Musik oder meiner Kunst sind vorrangig andere Themen wie Tiefenpsychologie oder whatever. Aber natürlich sind meine Themen automatisch feministische Themen, weil ich eine Frau bin und diese ja auch erlebe. Das ist ja was Strukturelles und deswegen ist es natürlich auch Teil von meiner Realität. Früher wollte ich mich immer vom Feminismus emanzipieren, sehr töricht würde ich heute sagen. Damals dachte ich, dass ich damit total innovativ bin. Ich bin auf jeden Fall Feministin geworden, gerade auch durch die Musik und die Erfahrung, die ich damit gemacht habe. Und trotzdem liegt mein Schwerpunkt auf anderen Themen, weil ich da einfach besser informiert bin oder belesener. Feministische Themen bring ich dann hauptsächlich aus meiner Perspektive, durch mein persönliches Leben ein. Ich würde sagen als Frau zu rappen, zu beatboxen, zu loopen ist auf jeden Fall ein feministischer Akt an sich. Und somit auch mit feministischer Arbeit verbunden. Im Alltag setze ich mich für Frauen eigentlich mehr ein als durch meine Musik. Wenn Frauen in Alltagssituationen diskriminiert werden oder schlecht behandelt werden, da bin ich schon ziemlich wach und am Start und berate die auch gerne. Da habe ich eine ziemlich extreme feministische Grundhaltung, aber die thematisiere ich eher mit meinen Liebsten oder im Alltag als in meiner Kunst.
Hast du Kontakt mit anderen Frauen in der Szene, die HipHop und Rap machen oder ist das für dich eher ein Einzelkämpferinnen-Dasein?
Oh, gemischt. Also international so, Kaila Mullady aus den USA, die hat mir Unterricht gegeben, die ist auf jeden Fall cool. Aber sonst… ja natürlich, also klar Rapperinnen in Berlin gibt‘s ’nen Haufen, die ich auch kenne und schätze. Und ansonsten… ja, also Einzelkämpferin würde ich jetzt nicht sagen… Aber ich muss sagen, die Leute, mit denen ich zusammen arbeite, sind erstaunlich wenig Frauen. Es werden schon immer mehr Frauen, die Rap machen, aber es sind schon hauptsächlich ein Haufen Männer. Ich hab kein Problem mit Männern abzuhängen, aber mehr Frauen wären auf jeden Fall wichtig und fehlen mir dort auch.
Okay, dann wären wir auch schon bei der letzten Frage: Möchtest du deinen Hörer*innen mit deiner Musik etwas mit auf den Weg geben oder hast du spezielle messages in deiner Musik?
Jaha…! Ganz viele. Ich würde sagen: Das Unbewusste arbeitet autonom. Macht mehr Therapie. Es gibt kein moralisches Patentrezept. Das wär’s eigentlich auch schon.
Okay, das klingt sehr kompliziert. Kannst du das nochmal ein bisschen erklären?
(Lacht) Also… ich kann das eigentlich nicht präzisieren. Ich bin auf jeden Fall großer Therapie-Fan und ich finde die Leute sollten mehr Therapie machen. Und zu „Es gibt kein moralisches Patentrezept“: Ich glaub, dass wir uns oft vordergründig mit politischen Themen befassen oder mit Ethik, aber ganz oft lösen sich die Konflikte eher auf einer emotionalen Ebene. Leute denken oft, dass sie rational argumentieren, aber eigentlich werden sie dabei durch ihre Emotionen gesteuert. Und es wäre cool, wenn man sich damit mehr verbindet. Dann kann man einfach mal emotionale Diskussionen führen. So im Endeffekt, wenn man den Background von den Leuten erfährt, egal welche Position sie haben, merkt man auf einmal „ah okay darauf speist sich eigentlich deine Haltung … ist ja interessant, jetzt versteh ich dich viel besser!“ Und dann lassen sich viele Konflikte dadurch lösen.
Und wie verarbeitest du sowas in deine Texte?
Mit meinen Texten verarbeite ich eigentlich immer nur Neid und Wut und so Emotionen, die man eigentlich nicht haben darf und zeigen soll und… so Kränkung, irgendwie. Also ich bin eher wie so ein Rumpelstilzchen. Das ist eigentlich so voll ungeschönt, ugly, wie es sich auch im Inneren verhält. Was man aber eigentlich nicht sagen darf.
Vielen Dank für das Interview!
Das Interview hat Roja geführt
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