CHICKS* ist ein freies Performancekollektiv. Sie sind feministisch. Sie sind gegen die Diskriminierung von queerer und weiblicher* Lust.Sie regen Diskurse an und hinterfragen gesellschaftliche Bilder rund um Gender, Sexualität und Macht. Sie geben den Themen, die sie bewegen, im wahrsten Sinne des Wortes, eine Bühne.
Was macht CHICKS* besonders?
2015 wurde CHICKS* von Gianna Pargätzi und Marietheres Jesse gegründet. Seitdem realisieren sie mit ihrem Netzwerk aus Expert*innen und interdisziplinäre Künstler*innen interaktive Theaterperformances und Festivalformate. In ihren Workshops, Seminaren und Vorträgen ist Jede*r willkommen, egal ob Jugendliche oder Erwachsene, Laie oder Profi. Gemeinsam mit den Teilnehmenden entwickeln sie performative Szenen und klären zu Themen rund um feministische und sexuelle Bildung auf. Hierbei orientieren sie sich immer an den diversen Alltagswelten und -erfahrungen der Beteiligten.
Was sind schon Tabus?
Vor allem geht es in ihren Bühnenperformances und Workshops aber darum, das Publikum und die Teilnehmenden zum Nachdenken anzuregen. Nachdenken über Sexualitäten, Aufklärung, das Brechen von vermeintlichen Tabus. Denn was sind schon Tabus? Warum sollten wir nicht offen über Themen wie Selbstbefriedigung, Lust und Menstruation reden? Selbstermächtigung von Mädchen, Frauen und queeren Menschen ist somit ein zentrales Thema.
Performen zu Corona-Zeiten
Die Interaktion zwischen den Performer*innen und dem Publikum bzw. Teilnehmenden spielt eine entscheidende Rolle bei CHICKS*-Aufführungen. Durch Corona wurde diese zwischenmenschliche Interaktion jedoch stark eingeschränkt. CHICKS* wurde hier erfinderisch und hat kurzerhand die eigentlich geplante Bühnenperformance im Rahmen des Projektes „WISSEN MACHT LUST“ in ein feministisches Aufklärungshörspiel verwandelt. Es heißt „WHAT THE FUCK“ und ihr könnt es euch auf Spotify anhören.
Wir haben uns mit Simone Ehlen, Gianna Pargätzi und Marietheres Jesse aus dem CHICKS* Kollektiv ausgetauscht.
frauenseiten: Simone, wie lange bist du schon bei CHICKS* und wie waren deine Anfänge? Wie bist du zu CHICKS* gekommen? Bist du hauptberuflich dabei?
Simone Ehlen: Ich bin seit 2017 bei CHICKS*. Ich bin über eine Kooperation mit den Gewitterziegen auf CHICKS* aufmerksam geworden. Gianna Pargätzi und Marietheres Jesse (künstlerische Leitung) haben damals einen Workshop in der Schwankhalle angeboten und Interessierte für eine neue Produktion („Gierige CHICKS*“) gesucht. Seitdem bin ich unregelmäßig bei Stückproduktionen und auch ab und zu bei Workshops dabei, also nicht hauptberuflich bei CHICKS*.
frauenseiten: Wegen Corona habt ihr das „What the fuck“-Projekt im Hörspiel-Format aufgenommen und nicht als Bühnenperformance. Wie hat euch dieses Format gefallen und könntet ihr euch auch vorstellen unabhängig von Corona in diesem Stil weitere Performances zu gestalten?
Marietheres Jesse: „what the fuck“ ist ein queerfeministisches Hörspiel, in dem wir uns mit Menschen ab 14 Jahren gefragt haben, wie wir und sie sexuelle Bildung anders machen wollen. Wir haben als Theaterprojekt gemeinsam mit dem Staatstheater Hannover gestartet, am Theater geprobt und dann kam Corona und wir haben umdisponiert. Davor haben wir noch nie ein Hörspiel gemacht. Der Produktionsprozess für das Hörspiel mit den Ausgangsbeschränkungen war für uns auf jeden Fall eine Herausforderung. Unsere Arbeit bedeutet, dass Menschen zusammen kommen. Wir als Kollektiv, wenn wir gemeinsam arbeiten, sowie dann später auch noch das Publikum. Das ist wichtig, v.a. bei den Themen, die wir verhandeln. Das ist nicht nur eine thematische Arbeit, sondern auch ein sich gegenseitig auffangen, für einander da sein, miteinander wütend sein, auch mal aufeinander wütend sein, sich Mut machen, rumalbern, gemeinsam Dinge ausprobieren, für die es sonst keinen Raum gäbe. Das war für uns erst einmal krass, diesen Prozess nicht so machen zu können oder nur sehr sehr eingeschränkt online und per Telefon.
Trotzdem war es auch eine sehr schöne Erfahrung ein Hörspiel zu machen, das können wir uns noch öfter vorstellen.
frauenseiten: Wie sieht der Alltag bei euch aus (Proben, Recherchen etc.) und wie haben sich diese Abläufe durch Corona geändert?
CHICKS* Kollektiv: Einen Alltag in diesem Sinne gibt es in einer Gruppe die sich aus freien Theaterschaffenden und Personen anderer Berufe zusammen setzt nicht. Wir haben alle unterschiedliche Lebensrealitäten und kommen dann in Proben-, Stückentwicklungen und Workshop-Prozessen zusammen. Außerdem begleiten wir uns auch gegenseitig im persönlichen Alltag. In den Phasen der Stückentwicklung kommen wir dann intensiv zusammen.
Glücklicherweise hat sich durch Corona für unseren Probenprozess nicht allzu viel geändert außer der Notwendigkeit die Hygieneregeln einzuhalten und die Sorge, dass die Aufführungen jederzeit ausfallen könnten. Die Aufführungssituation ist aber eine andere als wenn Corona nicht existieren würde. Das Publikum muss mit Abstand voneinander sitzen, sodass weniger Personen als üblich ins Theater passen und wir müssen Abstand zum Publikum halten. Das erfordert mehr Planung für die Bühnengestaltung und wie wir uns im Raum bewegen können. Insbesondere für die Arbeit mit Musik und Gesang ist das herausfordernd, da hier noch einmal andere Abstandsregeln gelten. Wir mussten außerdem neue Formen der Interaktion entwicklen, eigentlich sollte das Publikum auch miteinander tanzen dürfen, das geht jetzt natürlich nur ohne Körperkontakt. So etwas verändert die Proben und das Ästhetische Produkt.
frauenseiten: Euer neuestes Stück ist ein „Tanztee“ und beschäftigt sich mit Geschlechterrollen im Paartanz. Wie war der Entstehungsprozess für diese Thematik und wie ist allgemein der Entstehungsprozess von neuen Projekten?
CHICKS* Kollektiv: Die Stückentwicklung beginnt ja eigentlich schon mit dem Anträge stellen, also etwa bereits ein Jahr vor Produktionsbeginn. Um Produktionen realisieren zu können, brauchen wir Fördergelder und für den Antrag muss bereits ein Konzept des Stücks vorliegen. Die Anträge stellen Gianna, Marie und Miriam Glöckler.
Wir sammeln zunächst einmal Material zum jeweiligen Thema, in diesem Fall Standardtanz. In der Probenphase für „You don’t own me“ hatten wir zwei Wochen Rechercheproben in der Schwankhalle, in denen wir erst einmal Material gesammelt haben zum Thema Paartanz. Außerdem suchten wir nach lesbischen und queeren Vorfahr*innen die bereits die heteronormen Rollen im Paartanz hinterfragt haben aber gesellschaftlich kaum repräsentiert sind. Wir schauen uns Filme, Musikvideos, Bücher, wissenschaftlich und populär, etc. an und bringen auch eigene Erfahrungen mit ein. So entsteht letztendlich ein Themenkomplex und eine Fülle an Material, die wir dann genauer anschauen und setzen. Es entstehen als Kollagen, Einzelteile, Szenen, Texte und Musikstücke, die dann zu einer Performance zusammen gesetzt werden. Als queerfeministisches Kollektiv interessieren uns immer gesellschaftliche Bilder von Gender, Sexualität und Macht.
frauenseiten: „You don’t own me“ ist als interaktive Performance angekündigt. Wie schüchtern dürfen die Zuschauer*innen sein und worauf können wir uns besonders freuen?
CHICKS* Kollektiv: Wir haben Lust unser Publikum in das Stück mit einzubinden. Wir sehen die Zuschauenden als Teil der Performance. Wir wollen uns gemeinsam Fragen stellen und Utopien erträumen. Daher interagieren wir auch gerne mit den Zuschauenden und haben Lust auf gemeinsame Erlebnisse. Es muss aber niemand etwas mitmachen, was sie nicht wollen. Wir wollen, dass das Publikum sich wohl fühlt bei uns und sind uns auch bewusst, dass Interaktion für einige Menschen eine Herausforderung sein kann. Wir wollen niemanden ausstellen. Wir denken daher im Vorfeld viel darüber nach, wie wir sensibel mit Publikumsinteraktion umgehen können. Oft sind es aber genau diese interaktiven Momente, die sehr intensive Erfahrungen bei Zuschauer*innen und uns als Performer*innen gleichermaßen hervorbringen können. Es ist eine andere Erfahrung als bei Theaterstücken in denen Zuschauer*innen sich im Dunkeln der Tribüne zurück ziehen können. Bei uns spannender werden Zuschauer*innen immer als Teil der Aufführung gedacht. Wir versuchen im Aufführungsmoment in Austausch mit ihnen zu gehen. Das ist für alle Beteiligten ein spannender Prozess. Schüchterne Personen können sich aber auch zurückziehen, wir zwingen niemand etwas zu tun was die Person nicht möchte. Sowohl in den Proben als auch während der Aufführung versuchen wir konsensuell miteinander umzugehen.
Wir freuen uns, dass wir mit YOU DON´T OWN ME eine Inszenierung entwickelt haben, die Frauen, Frauen* und queere Personen und ihre Erfahrungswelten in einer heteronormativ geprägten Gesellschaft sichtbar macht. Die Zuschauer*innen können sich auf die besondere Erfahrungen freuen eine Performance zu sehen, in der diese Personen nicht nur sichtbar sind, sondern in der diese auch die Autor*innen der Erzählungen sind. YOU DON´T OWN ME ist ausschließlich von Frauen, Frauen* und queeren Personen konzipiert, produziert und künstlerisch entwickelt. Das ist in der Theaterlandschaft immer noch selten.
Aktuelles Stück
Das CHICKS*-Projekt „YOU DON’T OWN ME“ ist aktuell in der Schwankhalle zu sehen. In dieser Performance widmet sich das Kollektiv jenen Geschlechterrollen, die dem Paartanz eingeschrieben sind. Sie laden die Zuschauer*innen ein, „in ihre Jugend, auf ihren Abschlußball, in ihre Zukunft.“
Spielzeiten:
DO 22.10. – SA 24.10. 20 Uhr
SO 25.10. 16 Uhr
Melissa Eiseler, Renate Strümpel
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