Die Geschichte des Makeups, da runzeln einige Leser direkt die Stirn. Was hat etwas so Oberflächliches auf unserer Seite zu tun? Wer ein Buch mit Schminkanleitungen oder gar Produkttips erwartet, der wird allerdings sehr überrascht sein. Lisa Eldridge hat sich einem ihrer größten Hobbies gewidmet: Der Geschichte von Makeup. Und mit dieser Geschichte ist die Geschichte der Frau verwoben, fast untrennbar in manchen Kulturen. Das Tragen von Makeup ist, wie Eldridge selbst betont, eng geknüpft an die Unabhängigkeit der Frau und ihre Stellung in der Gesellschaft. Und deswegen ist „Face Paint“ mehr als nur einen Blick wert.
Wer ist Lisa Eldridge?
Wer sich in der Szene von Makeup und deren Artisten auskennt, dem sagt der Name Lisa Eldridge schnell etwas. Die 42-Jährige gebürtige Britin arbeitet neben ihrer Tätigkeit als viel gebuchte Makeup-Artistin für Prominente Klienten wie Keira Knightley, Kate Winslet, Emma Watson und Demi Moore auch in der kreativen Leitung von großen Schönheitsmarken wie der japanischen Firma Shiseido, dem britischen Drogerieriesen Boots und seit 2013 bei Lancôme. Eldridge ist gleichzeitig eine der wenigen Makeupartist*innen, die ihr Wissen über Social Media teilen, mit ihrem eigenen Youtube Kanal, über Instagram und natürlich über ihre eigene Website. Eine oberflächliche Einstellung sucht man bei ihr allerdings vergebens: Mit der Leidenschaft zum Makeup verbindet Lisa Eldridge eine extensive Sammlung an historischen Makeupartikeln und arbeitete mit dem British Museum of History zusammen an einer Ausstellung zum alten Ägypten, wobei sie auch einige ihrer eigenen Stücke zur Verfügung stellte.
Worum geht es bei Face Paint?
Lisa Eldridge geht weniger chronologisch als thematisch orientiert vor. Der erste Teil behandelt die drei großen Farben des Makeups: Weiß, wie das traditionelle Makeup der Geishas und dem edlen blassen Teint, Schwarz, wie der klassische Kajalstrich und aufgemalte Schönheitsflecken, und Rot, wie ein sexy Kussmund. Gleichzeitig spricht sie über die Gründungsgeschichten großer, geschichtsträchtiger Marken wie Revlon, Estée Lauder, Helena Rubinstein oder gar Max Factor, inklusive der Biographien der namensgebenden Gründer*innen. Sie gibt Porträts von berühmten Frauen, deren Makeup durch die Geschichte hinweg andere inspiriert hat und Trends gesetzt hat, wie Marylin Monroe, die ägyptische Prinzessin Nofretete, Marlene Dietrich oder Amy Winehouse. Das Buch ist gespickt mit Bildern aus Eldridges Sammlung von historischen Produkten, Fotos von Shootings für große Magazine und Anzeigen für Makeup aus lange vergangenen Zeiten.
Worum geht es wirklich?
Um die Geschichte der Frau, wenn man so will. Je freier die Frau in ihrer Zeit war, desto offener durfte sie Makeup zelebrieren, konsumieren und zeigen. War in der puritanischen Zeit das offensichtliche Tragen von Makeup verpönt und als unzüchtig angesehen wurde, durften die alten Ägypterinnen sich aufwendig schminken und präsentieren, da sie selbst über ihren Körper und auch ihren Besitz verfügten. Verteufelte man im Mittelalter und alten Griechenland noch auffällige Änderungen im Gesicht, genoss Makeup unter Königin Elizabeth oder gar Madame de Pompadour, der Geliebten von Ludwig XV., neue Beliebtheit durch die Frauen im öffentlichen Leben und in Machtpositionen. Eine Frau durfte in den Zeiten, in denen sie als gesittete Hausfrauen gesehen wurden, ihr Gesicht nicht groß verändern oder gar verschönern, dies sah man als böswillige Täuschung an. In Zeiten, in denen Frauen allerdings eine Revolution und Befreiung erfuhren, war Makeup das Mittel des Ausdrucks und ein Aushängeschild für diese Freiheit. Die Geschichte des Makeups umfasst mehr als nur die Chemie hinter den Produkten oder den verschiedenen Marketingstrategien, es spiegelt die Rolle der Frau in der Gesellschaft und Politik wieder. Der intelligente Ton des Buchs, die fundierte Recherche und die ansteckende Leidenschaft von Lisa Eldridge für das Thema machen das Buch nicht nur zu einem schicken Accessoire im Bücherregal, sondern zu einer faszinierenden Lektüre.
Aktuell erhält man nur die englische Ausgabe, für das Jahr 2017 ist aber eine deutsche Übersetzung angekündigt worden. Wer Eldridge gerne einmal in Aktion erleben möchte, der kann sich ihr kurzes Video zur Geschichte des Makeups angucken, in dem sie Auszüge aus ihrem Buch zum Besten gibt.
Kim-Nicola Hofschröer
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