Es gibt viele Formen des Genderns, wie etwa das Binnen-I (LeserInnen), die Gender-Gap (Leser_innen) oder das Gendern mit Asterisk (Leser*innen). Aber wer verbirgt sich eigentlich hinter dem Sternchen?
Das Gendern soll unterschiedliche Geschlechter sichtbar machen. Warum dies so wichtig ist, erklärten wir bereits hier. Doppelnennungen (Leserinnen und Leser) oder das Binnen-I machen darauf aufmerksam, dass Frauen und Männer gemeint sind. Die Gender-Gap und der Asterisk sollen alle Menschen ansprechen. Also Frauen, Männer und Menschen, deren Geschlecht non-binary ist.
Was bedeutet non-binary?
Non-binary (oder nicht-binär) ist ein Sammelbegriff für Geschlechtsidentitäten, die nicht dem binären System von Mann und Frau zugehörig sind. Dabei geht es um das soziale Geschlecht (Gender) eines Menschen. Dieses ist unabhängig von körperlichen Geschlechtsmerkmalen. Menschen, die cisgender sind, haben das soziale Geschlecht angenommen, das ihnen bei der Geburt zugeschrieben wurde. Menschen, die sich einer anderen Geschlechtsidentität zugehörig fühlen als die, die man ihnen bei der Geburt zuschrieb, sind transgender. Manche nicht-binäre Personen fühlen sich deshalb dem Transgender-Spektrum angehörig.
Auch manche intersexuelle Menschen (also Menschen, die biologisch männlich und weibliche Geschlechtsmerkmale haben) fühlen sich mit einer nicht-binären Identität wohl. Verallgemeinern lässt sich das jedoch nicht, denn Gender ist etwas sehr Individuelles, das wir alle auf unterschiedliche Art und Weise erleben.
Einige nicht-binäre Menschen, auch Enbys genannt, benutzen einfach den Begriff non-binary, um sich zu beschreiben. Andere benutzen andere Begriffe, die genauer erklären, wie sie von dem zweigeschlechtlichen System abweichen. Einige beispielsweise sind mal Mann, mal Frau (genderfluid), andere erleben gar kein Gefühl der Geschlechtszugehörigkeit (agender).
Nicht-binäre Geschlechtsidentitäten sind kein Phänomen unserer Zeit. Seit Jahrhunderten und über die Kulturen hinweg haben Menschen außerhalb der Zweigeschlechtlichkeit gelebt. Prominente Enbys sind zum Beispiel Amandla Stenberg, Ruby Rose (genderfluid), Sam Smith, Demi Lovato, Jonathan Van Ness (Queer Eye) und Rapper*in Angel Haze (agender).
In Folge 13 der Webserie „Couple-ish“ von und mit K Alexander, spricht die Hauptfigur Dee darüber was es bedeutet, non-binary zu sein (Englisch, deutsche Untertitel verfügbar):
Über das Gendern hinaus
K Alexander verwendet das Pronomen „they“. Dies ist im englischsprachigen Raum bereits weit verbreitet. „They“ wird schon seit Jahrhunderten verwendet, um über unbekannte Personen zu sprechen. Nicht allen Enbys ist die Wahl des Pronomens, mit denen man über sie spricht, wichtig. Da tickt jeder Mensch anders. Wichtig ist es aber, Wünsche dies betreffend zu respektieren und umzusetzen.
Leider hat sich in Deutschland bisher noch kein geschlechtsneutrales Pronomen durchgesetzt. Das liegt auch daran, dass im Deutschen deutlich mehr konjugierte Formen erdacht werden müssen, als beispielsweise im Englischen, wo es weniger Fälle gibt. Es handelt sich jedoch keineswegs um ein unmögliches Unterfangen. Ein Vorschlag stammt von Illi Anna Heger, Comiczeichner*in, Blogger*in. „Xier“ könnte die deutsche Grammatik als geschlechtsneutrales Pronomen ergänzen.
Die Idee, so erläutert Illi Anna Heger, stammt von der Mischform aus „sie“ und „er“ („sier“). Das x steht für die Ablehnung von Mann oder Frau als passende Genderidentität. In einem Zine auf xiesem Blog erklärt Illi Anna Heger die 28 konjugierten Formen, die sich aus „xier“ ergeben. Das klingt erst einmal nach viel, ist aber eine Frage der Gewohnheit. Für „sie“ und „er“ gibt es schließlich genauso viele Formen. Gesprochen wird „xier“ als „ksier“.
Neue Sprachformen erweitern den Horizont
Die Meinung, man könne nicht einfach so neue Pronomen erfinden, ist aus sprachwissenschaftlicher Perspektive nicht haltbar. Sprache war schon immer im Wandel. Dies zeigt sich allein schon daran, dass wir nicht mehr Germanisch sprechen. Auch kommen immer neue Wörter dazu, seien es Lehnwörter aus anderen Sprachen, aber auch Neuerfindungen. Pronomen gehören historisch gesehen zu einer Wortklasse, zu der wenig hinzugefügt wird. Aber auch hier gab es Veränderungen: Im Englischen wird das „thou“, was dem deutschen „du“ entspricht, kaum noch verwendet. Auch das Siezen, wir es heute kennen, wurde erst im 19. Jahrhundert zur weitverbreiteten Anredeform.
Generell ist gegen neue Wortschöpfungen nichts einzuwenden. Sie geben Konzepten, die für uns neu sind, einen Ausdruck. Dadurch können wir über mehr sprechen und erweitern somit auch unseren gedanklichen Horizont. Dass ein neuerfundenes Pronomen funktionieren kann, beweist das schwedische „hen“, das seit 2009 offiziell das männliche „han“ und das weibliche „hon“ ergänzt.
In Deutschland finden nicht-binäre Identitäten bisher wenig staatliche Anerkennung. Seit 2013 haben Eltern von intersexuellen Babys die Möglichkeit, das Geschlecht ihres Kindes offen zu lassen. Anderen Menschen bleibt diese Option jedoch bisher verwehrt. Auf dem Reisepass muss das Geschlecht immer noch als „männlich“ oder „weiblich“ angegeben werden. Dass dies auch anders geht, zeigt Australien. Dort können intersexuelle und nicht-binäre Menschen „Geschlecht: unbestimmt“ auf legalen Dokumenten angeben. Eine staatliche Anerkennung könnte auch helfen, die vielen Vorurteile aufzulösen, denen Enbys tagtäglich begegnen.
Einen guten Überblick über geschlechtsneutrale Sprache und Pronomen gibt es auf dem Nichtbinär-Wiki.
Hannah Lena Puschnig
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