An diese Frage musste ich denken, als ich das Buch „77 Malerinnen aus fünf Jahrhunderten“ von Astrid von Friesen und Gottfried Sello (Ellert & Richter Verlag) gelesen habe. Can you name #5WomenArtists? (Kannst Du 5 Künstlerinnen nennen?) wurde 2016 erstmals vom National Museum of Women in the Arts (NMWA), Washington DC während des „Women’s History Month“ aufgeworfen. Auf ihrer Website wird beschrieben, dass jedes Jahr Hunderte von Kulturorganisationen und Tausende von Einzelpersonen die sozialen Medien mit dem Hashtag #5WomenArtists nutzen, um sich dieser Herausforderung zu stellen. So wurde schließlich eine weltweite Diskussion über Geschlechtergerechtigkeit in der Kunst ausgelöst.
Bei meiner Lektüre habe ich mich auch gefragt, ob wir überhaupt noch Bücher, die sich nur mit Künstlerinnen beschäftigen, brauchen. Kleiner Spoiler: Ich werde diese zweite Frage abhängig von meiner Perspektive beantworten. Alle Leser*innen sollten das für sich selbst entscheiden. Das Buch und die oben genannte Social Media Kampagne können uns weiterhelfen, bei diesem wichtigen Thema mitzureden. Auch auf frauenseiten.bremen.de haben wir in unserer Rubrik „FLINTA* der Woche“ schon häufiger Künstlerinnen präsentiert und interviewt.
Wer sind die 77 Künstlerinnen und wie wurde diese Liste redigiert?
Im Vorwort des Buches erklärt Astrid von Friesen, dass die dargestellten Künstlerinnen aus einem 1998 publizierten Band „Malerinnen aus fünf Jahrhunderten“ von Dr. Gottfried Sello stammen. Dieser — ihr verstorbener Mann — war Kunstkritiker bei der ZEIT in Hamburg und Filmautor. Astrid von Friesen hat nun in Zusammenarbeit mit dem Verlag Eller & Richter die bereits bestehenden Texte aktualisiert, wie auch einige neue Texte über zeitgenössische Künstlerinnen beigefügt.
Die vorgestellten Malerinnen kommen meist aus Europa und (Nord-) Amerika. Ihre Porträts sind im Buch chronologisch geordnet und neben einem Selbstbildnis werden kurze biographische Fakten präsentiert. Häufig werden die Implikationen von Ehe, Kindern, Ursprungsfamilie oder die Beziehungen mit männlichen Künstlern genannt, um die Schwierigkeiten des Berufs als Malerin besser zu verstehen, allerdings leidet unter dieser Schilderung der Privatsphäre manchmal die Thematisierung der künstlerischen Stilentwicklung. Einige repräsentative Bilder werden vorgestellt und kontextualisiert und diese sind unverzichtbar, um den Text zu verstehen.
Auf jeweils drei Seiten werden also das Leben und der Stil der Malerinnen zusammengefasst. Wegen dieser Struktur ist das Buch sehr übersichtlich. Obwohl dieser Umfang pro Malerin nicht genug ist, um sie vollständig „kennenzulernen“, war es interessant zu lesen, wie fast jede von ihnen ihre eigene kleine Revolution gemacht hat. Wer eine ausführliche Analyse der Kunstwerke oder einen idyllischen Schilderung von Lebenswegen sucht, wird also nicht fündig werden. Aber als eine Art Lexikon mit Impulsen, die neugierig auf weitere Recherche machen, ist es lesenswert.
Die #5WomenArtists, die ich nennen kann
Jetzt möchte ich die anfangs gestellte Frage selbst beantworten. Die #5WomenArtists, die ich nennen kann, die auch im Buch auftauchen, sind Rosa Bonheur, Artemisia Gentileschi, Mary Cassatt, Louise Bourgeois und Vanessa Bell. Sie sind alle mit einer Ausstellung/einem Museum verbunden, welche/s ich besucht habe. Persönlich denke ich, dass es, um die Sichtbarkeit von Künstlerinnen zu verbessern, sehr wichtig ist, darauf ausgerichtete Ausstellungen zu organisieren, und thematisch passende Bücher zu lesen. Zurzeit findet beispielsweise im Arp Museum, Remagen, die Ausstellung Maestras. Malerinnen 1500–1900 über die Werke von 51 Künstlerinnen statt. Bis zum 16. Juni 2024 kann man dort Kunstwerke, gesammelt von bedeutenden europäischen Museen und Privatsammlungen, anschauen.
Also, kannst Du 5 Künstlerinnen nennen?
Ich bin der Meinung, dass Bücher, die ausschließlich Malerinnen vorstellen, für eine Selbstreflexion des Themas wichtig sein können. „77 Malerinnen aus fünf Jahrhunderten“ könnte auch eine Kreativ-Übung für uns alle sein, aufmerksamer zu werden. Ob bei kulturellen Veranstaltungen oder auch im offiziellen Programm von Studienrichtungen wie der Kulturwissenschaft oder Kunstgeschichte — überall ist das Thema präsent. Wie viele Kunstwerke von weiblichen Malerinnen sind vertreten? Kannte ich diese Künstlerinnen schon? Wenn nicht, warum nicht? Und so weiter. In solchen Momenten können wir unsere personalisierte, aktuelle Liste von Künstlerinnen erstellen, die uns auf dem Weg begegnen. Behalte auch die Fragen im Hinterkopf, die die Guerrilla Girls vorstellen, wenn sie die Sammlung eines Museum kritisch analysieren. Also, kannst Du 5 Künstlerinnen nennen? Can you name #5WomenArtists?
Vanessa Marchegiani
Bearbeitung: Pia Brand
77 Malerinnen aus fünf Jahrhunderten
Astrid von Friesen / Gottfried Sello
ISBN 978-3-8319- 0845-5
Ellert & Richter Verlag
Maestras. Malerinnen 1500–1900
25. Februar – 16. Juni 2024
Landes-Stiftung Arp Museum Bahnhof Rolandseck
Hans-Arp-Allee 1
53424 Remagen
https://arpmuseum.org/ausstellungen/wechselausstellungen/aktuell/maestras.html
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