Fetischisierung oder eher Repräsentation? Am 2. Mai sprach Emre Busse in der Spedition über „Men of Turkey: Fetishization of Ethnicity in Gay Pornography between Germany and Turkey“ im Rahmen der Ringvorlesung Critical Porn Studies, welche wir durch Recaps begleiten. Hier nun der zweite Recap zur dritten Veranstaltung!
Emre Busse lebt und arbeitet in Berlin. Er schloss 2015 seinen Master an der Fakultät Bildende Kunst der Bauhaus-Universität Weimar ab. Im März 2017 ko-kuratierte er die Ausstellung „soft g – queer forms migrate“ im Schwulen Museum Berlin. Besonderes Interesse hat er an schwuler ethnischer Pornografie im postkolonialen Europa, worüber er seine Doktorarbeit schreibt.
Durch eine Nebenveranstaltung seiner eigentlichen Ausstellung 2017 lernte Emre Busse den Regisseur der Zip Production (deutsches Pornoproduktionstudio) kennen, welcher ihn in sein Archiv einlud. Dieses Archiv war gefüllt mit VHS Kassetten, Fotos, Medienberichterstattung und sogar Zuschauerbriefen. Ihm kam daraufhin die Frage auf, wie dieses Archiv dazu beitragen kann, den Diskurs über ethnische Repräsentation in der schwulen Pornografie auf Deutschland zu erweitern. Bisher hat sich die wissenschaftliche Literatur hauptsächlich auf Frankreich und die USA konzentriert.
Schwule ethnische Pornografie
Emre Busse benutzt hier den Begriff der „ethnischen Pornografie“, welcher vor allem von Maxime Cervulle und Nick Rees-Roberts geprägt wurde. Dieser Begriff wird hauptsächlich in der französischen gay culture benutzt und meint das Genre von Pornografie mit nicht-weißen Männern. Obwohl der Trend der ethnischen Pornografie in Europa seit 40 Jahren wächst und auch in anderen europäischen Ländern produziert wird, bleibt der kritische Diskurs aus. Postkolonialismus und Orientalismus sind hier zwei wichtige Ansatzpunkte.
Es wird zu selten betrachtet, wie aktuelle Geschehnisse auch in pornographischen Filmen behandelt werden. Aktuell wichtige Themen werden auch in diesem Medium aufgegriffen. Da türkische Menschen in den 90er sowie heute eine große Migrationsgruppe in Deutschland bilden, lag die Repräsentation in der Porno Industrie nicht fern. So wurde in Europa 1997 der erste schwule ethnische Porno mit einem türkischen Mann in der Hauptrolle von JNRC Films veröffentlicht. Der Regisseur war Jean-Noël Réne Clair. Und obwohl dieser Film und auch darauffolgende Pornos von andern Studios Stereotypen benutzen, um eine „ethnische Fantasie“ aufzubauen, sind sie dennoch wichtig um sozio-politische Probleme der Gesellschaft zu analysieren. Deutsch-Türkische-Schwulen-Pornos werfen beispielsweise Fragen der generationsübergreifenden Arbeitsmigration auf, aber auch ethnisches und religiöses Anderssein zur weißen Mehrheitsgesellschaft spielen eine Rolle.
Fetischisierung und Empowerment?
Neben gesellschaftlichen Problemen, können durch diese Pornos auch „gaze relations“ (deutsch: Blick-Beziehungen, meint hier aus welcher Perspektive werden die Pornos gefilmt) und Objektivierung verstanden werden. Die türkische Maskulinität wird in diesen Filmen sowohl im deutschen als auch im türkischen Kontext exotisiert und fetischisiert. Dabei kann das je nach Produktionshaus anders aussehen: Von traditionellen Sex-Tourismus und dominanter Männlichkeit bis zu Mainstream-Schwulen-Pornos mit androgyneren unbehaarten Männern.
In der Produktion wird versucht die türkischen Männer authentisch darzustellen, sowohl visuell als auch kulturell. Die türkische Flagge im Hintergrund, typisch türkische Namen und Landschaftsszenen aus Istanbul oder anderen Städten sollen hier für den Effekt sorgen. Das ermöglichte dem gemischten Publikum eine Fetischisierung der Akteure oder eine Identifizierung mit ihnen – oder auch beides. Emre Busse macht hier auf das mögliche Empowerment aufmerksam, denn im türkischen Kontext können diese Narrative dabei helfen, das eigene Begehren zu navigieren. Das Thema bleibt weiterhin sensibel und ist kritisch zu betrachten, vor allem wenn es darum geht aus solchen „ethnischen Repräsentationen“ Profit zu schlagen. Hier sind das wissenschaftliche Feld der Porn Studies gefragt, um solche Themen auch in Zukunft zu beleuchten.
Doch das ist nur ein kurzer Einblick in Emre Busses Forschung, denn alle interessanten Punkte zusammenzufassen, würde den Rahmen eines Recaps sprengen. Neben der kritischen Betrachtung von „ethnic gay porn“, macht auch Ejakulat in Dönersoße und „refugee porn“ das Weiterlesen von Emres Text empfehlenswert, welcher Teil seines Buches sein wird. Wir informieren euch, sobald es Neuigkeiten dazu gibt!
Nächste Veranstaltungen
Hier seht ihr einmal die nächsten Veranstaltungen der Critical Porn Studies im Überblick:
16. Mai 18:30 Uhr – Hörsaal der Universität Bremen – hybrid „Pornos als abwesend-anwesende Bilder. Pädagogische Perspektiven und didaktische Impulse zur Auseinandersetzung mit Pornografie“ mit Marion Thuswald – Link zum Zoom über das IKFK
30. Mai 18:30 Uhr – Kukoon, Buntentorsteinweg 29, 28201 Bremen – hybrid „Pornografie zwischen Authentizitätseffekten und dokumentarischen Zuschreibungen“ mit Leonie Zilch – begrenzte Platzzahl, verbindliche Reservierung über das IKFK empfohlen
6. Juni 18:30 Uhr – Schwankhalle, Buntentorsteinweg 112/116, 28201 Bremen – hybrid „Performing Porn? Sexuelle Skripte und die Performances des Sex“ mit Lea-Sophie Schiel – begrenzte Platzzahl, verbindliche Reservierung bei der Schwankhalle empfohlen
Isabella
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