Im Rahmen des globale Literaturfestivals wurde das Buch von Radka Denemarková aus 2009 erneut thematisiert. „Ein herrlicher Flecken Erde“ behandelt die Aufarbeitung des zweiten Weltkrieges von der deutsch-tschechischen Jüdin Gita Lauschmannová, die mit der Aufarbeitung des Traumas des Zweiten Weltkrieges und der Rehabilitierung ihrer Eltern zu kämpfen hat.
Radka Denemarková
Die 48-Jährige Tschechin ist vor allem in ihrer Heimat bekannt. Als Literaturkritikerin, Beraterin und Autorin hat sie sich aber in den letzten Jahren einen Namen auch außerhalb von Tschechien gemacht. Für eine Übersetzung von Herta Müllers „Atemschaukel“ erhielt sie 2011 sogar den Magnesia Litera-Preis. Ihre eigenen Werke übersetzt sie jedoch nicht. Dort arbeitet sie vor allem mit der Übersetzerin Eva Profousová zusammen, die als Erste ein Werk von Denemarková übersetzt hat und als eine der derzeit besten Übersetzer*innen aus dem Tschechischen gilt. Die beiden sind zusammen ebenfalls mehrfach für ihre grenzüberschreitende und damit brückenbauende Arbeit in der Literatur ausgezeichnet worden.
Eine Fremde in der Heimat
„Ein herrlicher Flecken Erde“ handelt von der Jüdin Gita Lauschmannová. Gita entkommt mit 16 Jahren der Gefangenschaft und macht sich auf den Weg in ihre Heimat Puklice in der Hoffnung, zurück in ihr Elternhaus zu kehren. Doch der gesamte Besitz ihrer Familie wurde neu verteilt, in ihrem Haus wohnen Fremde. Das Dorf verurteilt Gitas Familie als Verräter und Anhänger Hitlers – entgegen Gitas Erklärungen, dass sie im Konzentrationslager gestorben sind. Gita wird festgehalten von ehemaligen Freunden und Nachbarn, gefoltert, kann nur mit Hilfe entkommen. Jahrzehnte später kehrt Gita zurück und verlangt Wiedergutmachung, für die Diffamierung und für das Unrecht, das ihr angetan wurde. Das Trauma ihrer Jugend trägt sie ihr Leben lang mit sich. Noch immer sind die Ortsansässigen uneinsichtig und wehren sich. Es beginnt ein langer Kampf um die Wahrheit und um Recht.
Fragmentierung und Poesie
Das Buch teilt sich in mehrere Teile auf. Jeder dieser Teile markiert dabei einen Besuch von Gita wieder in ihrer Heimat Puklice: Nach ihrer Befreiung aus dem Konzentrationslager und wiederholt als erwachsene Frau auf der Suche nach Rehabilitation. Die Sprache, die Radka Denemarková dabei verwendet, ist brutal und dennoch wunderschön. Beschreibt sie die Kriegsverbrechen, die Gita erfährt, mit grausamer Sprache, sind ihre Darstellungen von Gitas Psyche doch sehr poetisch. Man springt beim Lesen von Sichtweise zu Sichtweise ohne wirkliche Hinweise. Der*die Leser*in ist Zeuge der Geschehnisse, aber auch Detektiv auf der Suche nach der Wahrheit. Gita Lauschmannová ist keine einfache Protagonistin. Man empfindet tiefes Mitleid mit ihr um das Schreckliche, was ihr geschehen ist. Jedoch kann man gleichzeitig nicht umhin, sie entsetzlich unsympathisch und egoistisch zu finden. Und so springt man von Sympathie zu Antipathie und ist gefangen in diesem Buch, das bis zur letzten Sekunde fesselt.
Kim Hofschröer
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