Es ist erstaunlich, wie sich Erinnerungen mit der Zeit anpassen und verändern. In einem meiner letzten Beiträge hier („Marnie“) habe ich mich über einen Mann aufgeregt, der mir gegenüber seine Machtposition ausnutze und nun musste ich feststellen, dass ich dieses Spiel selber mitgespielt habe:
Gelegentlich ist es Zeit, sich von Altem zu trennen.
Aus einem Anfall von Langeweile und Aufräumwahn habe ich meine alten Nachrichten bei XING durchgesehen und alles, was ich nicht mehr benötigen werde, gelöscht. Dabei fielen mir einige Chatverläufe auf, die ich zu meiner Zeit ganz oben auf meiner bisherigen Karriereleiter, geschrieben habe. Damals verdiente ich monatlich so viel wie ein Kleinwagen kostet und habe mich sehr schnell sehr weit nach oben gearbeitet. Die Zeit raste an mir vorbei und es war schwer, einzelne Augenblicke festzuhalten. In einem von Männern beherrschten Berufsfeld habe ich mir schnell einen Namen gemacht und war so etwas wie eine Exotin. Diesen Status habe ich zu dem Zeitpunkt durchaus genossen und ich kam mir als Teil des großen Ganzen vor. Als wichtiges Rädchen in der Geschichte. Aus heutiger Sicht bin ich froh, rechtzeitig ausgestiegen zu sein und nun nicht mehr als erstes morgens im Bett meine Mails zu checken und abends als letztes noch Geschäftstelefonate mit dem Ausland zu führen. Abgesehen von meiner fachlichen Kompetenz hatte ich scheinbar kein Problem damit auch meinen Charme und mein Aussehen in die Waagschale zu legen, was ich mir heute gar nicht mehr vorstellen kann.
In einer für mich besonders erschreckenden Korrespondenz ging es darum, dass mein damaliger Chef einen Termin beim Vorsitzenden der Geschäftsführung eines der größten Energiekonzerne in Deutschlands haben wollte:
Ich: „Hallo Herr…,
ich dachte mir, da mein Chef Herr … schon von seiner sympathischen Kollegin berichtet hat, vernetze ich mich doch direkt mit Ihnen.
Beste Grüße
Michelle Bourguignon“Er: „Hallo Frau Bourguignon,
das sollten wir so machen. Herr … hatte Sie als Lockstoff ins Rennen gebracht, um einen Termin mit dem Vorsitzenden unserer Geschäftsführung hinzubekommen 😉
Bester Gruß,
…“Ich: „Hallo Herr…,
es freut mich immer wenn ich bei der Großwildjagd das Häschen spielen darf J
Beste Grüße
MB“
Ich werde bald meinen absoluten Traumjob antreten, bei einem Unternehmen hinter dem ich stehen kann, in einer Branche für die mein Herz schlägt, in einem tollen Team, in dem ich Ideen einbringen kann und ich kreativ sein kann.
Ich schätze, dafür ist es gut, dass sich Erinnerungen mit der Zeit angleichen. Man ist nicht mehr so entsetzt über sich selber.
Ich werde nie mehr Häschen spielen!
Michelle Bourguignon
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