Der Boxsport ist ein alter traditionsreicher Sport, dem es schwer fällt seine Hallen für alle Personen zu öffnen. Dennoch finden weiblich gelesene Personen immer häufiger ihren Platz im Ring. Dabei kämpfen sie nicht nur gegen ihre Gegner*in, sondern auch um ihre Daseinsberechtigung.
Ring frei für alle – auch für Frauen
Lange waren Frauen nicht gerne im Boxsport gesehen. Auch wenn es Frauen gab, die geboxt haben. Bis zu den 90er Jahren gab es weltweit ein Verbot von offiziellen Kämpfen, an denen Frauen teilnahmen. Erstmalig wurden in Deutschland 1995 Frauen an Kämpfen des Deutschen Amateur-Boxverbandes zugelassen. Ein Jahr zuvor entschied auch der Weltverband AIBA, dass Frauen im Amateur Boxsport teilnehmen dürfen. Bis dahin entwickelte sich der Frauenboxsport weiter, allerdings wurde erst 2012 Frauenboxsport olympisch. Bei den olympischen Sommerspielen in London wurden Frauenwettkämpfe ausgetragen, allerdings nur für drei Gewichtsklassen und nicht wie bei den Männern in zehn Gewichtsklassen. 2012. Das ist zehn Jahre her, gar nicht mal so lange her. Für gläubige Muslima kommt es noch dicker, denn erst 2019 hat der internationale Weltverband das Tragen eines Kopftuches im Ring erlaubt. Dennoch haben seitdem viele Frauen ihren Platz im Boxsport immer wieder unter Beweis stellen müssen und um ihre Daseinsberechtigung kämpfen müssen. Bis heute sind Frauen im Boxsport stark unterrepräsentiert und auch Geschlechter außerhalb der binären Kategorien sind kaum sichtbar.
Rollenerwartungen werden durchbrochen
Gleichzeitig bedeutet der Boxsport für viele weiblich gelesene Personen Empowerment, weil Sportler*innen stärker und schneller werden und lernen, sich auf ihre Fähigkeiten verlassen zu können. Im Boxsport müssen und können weiblich gelesene Personen aus ihrer gesellschaftlich auferlegten Rolle treten, indem ihr Verhalten eskalierend und aktiv wird. Es wird sich der zugeschriebenen Hilfebedürftigkeit von weiblich gelesenen Personen widersetzt, indem die Sportler*innen sich in einer Situation befinden, in der von ihnen erwartet wird, dass sie sich wieder heraus kämpfen. In den Seilen hängen bis der/die Ringrichter*in Stopp schreit ist keine Option. Stattdessen braucht es den Schritt zur Seite, mit dem man sich aus der Situation löst, wieder handlungsfähig wird und zum Gegenangriff übergehen kann. Diese Erfahrungen sind konträr zu den Geschlechterrollenerwartungen und können unglaublich befreiend für Sportler*innen sein. Dabei sind Boxer*innen keine kleinen Männer oder sehr maskuline Frauen, sondern die Geschlechtsidentität ist nicht maßgeblich für die Leistungen einer Sportler*in, denn sehr weiblich gelesene Personen können genauso gut im Ring abliefern wie eher maskulin gelesene Personen.
„Jungs mitkommen! – und… äh… du“
Dennoch gibt es hier noch sehr viel Luft nach oben, gerade weil die Trainingsumgebung tendenziell von Männern dominiert wird und die Kategorien schwach und stark, die nun mal im Boxen grundlegend sind, eine binäre Geschlechterkonnotation mit sich bringen. Weiblich gelesene Personen werden im Training nicht immer wahrgenommen und bekommen damit nicht die gleiche Aufmerksamkeit von den Trainer*innen wie ihre männlichen Konterparts. Oder das Gegenteil kommt vor: weiblich gelesene Personen werden so gesondert behandelt, dass sie von dem Rest der Gruppe in der Wahl der Partner*innen für Übungen oder Sparringseinheiten getrennt werden. Die Normalität der Abwesenheit von weiblich gelesenen Personen im Boxsport zeigt sich beispielsweise in der gewohnten Ansprache des Trainers an die Gruppe: „Jungs mitkommen! – und… äh… du…“, die dazu führt dass der Trainer schon sprachlich völlig überfordert ist, mit der Anwesenheit einer weiblich gelesenen Person. Dennoch muss dass nicht immer so sein, es gibt viele Ausnahmen. So gibt es beispielsweise reine Frauenboxkurse und Trainer*innen, die mit der nötigen Sensibilität unterschiedlich auf Geschlechter zugehen und dafür sorgen, dass alle sich wohlfühlen. Denn der Ring ist für alle da.
Ring frei für alle!
Mara
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