Unter dem Motto „Love out Loud!“ fand die diesjährige re:publica 2017 in Berlin statt. Bei der in 2007 gegründeten Konferenz dreht sich alles um das Web 2.0. Die Themen sind beinahe so vielfältig, wie das Internet selbst: Von Social Media über Virtual Reality bis hin zum Darknet, die Auswahl an Vorträgen und Workshops war auch dieses Jahr wieder bunt gemischt. Und auch die frauenseiten haben sich für euch mal wieder unter die Netzgemeinde gemischt.
Re:publica 2017: Love out Loud!
Lasst uns Liebe organisieren, hat die Netzaktivistin Kübra Gümüşay letztes Jahr auf der zehnten re:publica vorgeschlagen. Die re:publica Organisator*innen haben sich von diesem Ansatz reichlich inspirieren lassen. Das diesjährige Motto ist ein Aufruf: Love out Loud! Lasst uns Liebe verbreiten und uns gegen Hatespeech und Fake-News im Internet einsetzen.
Auf insgesamt 20 verschiedenen Bühnen haben 1030 Speaker*innen eine riesige Bandbreite an Vorträgen gegeben. Viele der Vorträge haben dabei das diesjährige Motto der re:publica aufgegriffen: Die Publizistin Carolin Emcke reflektierte überaus geistreich und multiperspektivisch über „Love out Loud“, Bloggerin Theresa Lachner redete über „Ficken für den Weltfrieden“ und Kübra Gümüşay dieses Mal über „die Emanzipation der Gutmenschen“. Beim „Hate-Bingo“ mit der jüdischen Bloggerin Juna Grossmann, der feministischen Autorin und Redakteurin von Auf Klo Lydia Meyer, dem Journalisten Patrick Stegemann und dem selbsternannten Gender-Messias Tarik Tesfu, ging es außerdem um Hasskommentare und dem Umgang mit diesen. Und der Blogger Luca Hammer sprach über Sifftwitter, Internettrolle und darüber, dass diese feministische Themen gar nicht gerne mögen.
Gegen Hatespeech, Nazis und „temporäre Arschlöcher“
Der Grund für die viele Liebe ist eigentlich alles andere als erfreulich: Im Netz taucht immer mehr Hatespeech auf, auf Twitter wütet die Trollfront und die Kommentarspalten von den meisten Online-Medien mag man sich gar nicht mehr durchlesen vor lauter rechtspopulistischem Geschwurbel und menschenverachtender Hetze. Aber wie sollen wir mit Hatespeech, Nazis und den „temporären Arschlöchern“, wie sie Sascha Lobo so schön beschrieben hat, umgehen?
Auf der diesjährigen re:publica fand man die unterschiedlichsten Ansätze zu dieser Thematik: Beim „Hate-Bingo“ beispielsweise lasen Juna Grossmann, Lydia Meyer und Tarik Tesfu verschiedene Hasskommentare vor, die sie bereits selbst erhalten hatten. Dem Publikum wurden dann vier Möglichkeiten zum Umgang mit den Kommentaren zur Abstimmung angeboten: Würde man die Hasskommentare ignorieren, anzeigen, mit den Absendern diskutieren oder dem Hass mit ganz viel Liebe begegnen?
Kübra Gümüşay erklärte, dass es Zeit werde, dass wir „Gutmenschen“ wieder unsere eigenen Ziele verfolgen. Um unsere eignen Themen wieder stärker voranzubringen, müssten wir uns aus der Rechtfertigungsspriale gegen rechtspopulistische Positionen emanzipieren, so die Journalistin.
Der Netzaktivist Sascha Lobo sprach in seinem Vortrag über den privaten Dialog mit Rechten, Verwirrten und den „temporären Arschlöchern“. Er erklärte, wie er sich ein Jahr lang mit ihnen auseinandersetzte, damit die vom braunen Schlamm umgebene Insel der liberal-demokratischen Gesellschaft wieder ein Stück größer wird. Letztlich zeigte er auf, wie sein Ansatz fruchtete und ihm jemand dafür dankte, dass er mit seinen Gesprächen das Abdriften an den rechten Rand verhindert hatte.
Für 50 Prozent Speaker*innen, Vernetzung und ganz viel Spaß
Auch in vielen weiteren Vorträgen und Panels wurden nicht nur Hatespeech, sondern auch viele weitere Themen rund um das Thema Web 2.0 beleuchtet, erklärt und diskutiert. Das ist tatsächlich für jede*n etwas dabei. Und die re:publica zeigt eben auch anderen Konferenzen, wie es gehen kann: Dieses Jahr kam die re:publica dem Ziel von 50 Prozent Frauen auf der Bühne verdammt nah. 47 Prozent der Speaker*innen waren Frauen*. Da sehen andere Konferenzen, die behaupten es würde nicht genug Speakerinnen in bestimmten Bereichen geben, wirklich schwach gegen aus. Und auch wenn es mal um richtig heftige Themen geht, wie beispielsweise der Radikalisierung von Menschen im Internet oder der Verwicklung von V-Männern in den National-Sozialistischen Untergrund (NSU), macht die re:publica richtig viel Spaß. Und nicht vergessen werden darf: Sie ist eine verdammt gute Möglichkeit, um bekannte Leute wiederzusehen oder endlich einmal kennenzulernen.
Britta Grossert
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